Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Italien

69

Italien (Geschichte: 9. und 10. Jahrhundert).

wiederzugewinnen, hatten keinen dauernden Erfolg. Weder Karl der Kahle noch Karl der Dicke erreichten dies Ziel, und die Absetzung des letztern (887) ermöglichte die völlige Losreißung Italiens und des Kaisertums von der Herrschaft der Karolinger. Die Herzöge von Friaul und Spoleto sowie die Markgrafen von Ivrea traten als Bewerber um die Krone Italiens auf und erlangten dieselbe bei dem völligen Verfall der ostfränkischen wie der westfränkischen Monarchie. Der bedeutendste unter den Nachkommen Karls d. Gr., Karlmanns natürlicher Sohn Arnulf, vermochte wohl den Kaisertitel zu behaupten, übte aber keinen Einfluß auf das zwischen Friaul und Spoleto streitige I. aus.

Die Begründung der deutschen Herrschaft in Italien.

Während die Fürsten um den Besitz der Krone stritten, wurde I. von verheerenden Plünderungszügen der Sarazenen und Magyaren heimgesucht; namentlich die Po-Ebene wurde furchtbar verwüstet, niemand war im stande, die furchtbaren Feinde abzuwehren. Nach dem Tode des Markgrafen Berengar I. von Friaul, welcher 894 zum König von I. und 915 zum Kaiser gekrönt, 924 aber ermordet wurde, trat Rudolf II., König von Oberburgund, seine angeblichen Ansprüche auf I. dem Grafen Hugo von Provence gegen Überlassung des arelatischen Reichs ab. Dieser wandte seine Waffen anfangs siegreich gegen die italienischen Herzöge, mußte jedoch 945 dem Markgrafen Berengar II. von Ivrea weichen; Hugos Sohn Lothar aber, welcher nach dem Tod seines Vaters den Namen eines Königs von I. fortführte, starb bereits 950 und hinterließ eine Witwe, Namens Adelheid, welche bestimmt war, einen tiefen Einfluß auf die Geschichte Italiens sowie Deutschlands auszuüben. Denn während Berengar II. sich bemühte, Adelheid mit seinem Sohn Adelbert zu vermählen, und vor keiner Gewaltthat zurückschreckte, um dieses Ziel zu erreichen, fand jene Gelegenheit, nach Canossa zu entkommen und mit dem deutschen König Otto I. Verbindungen anzuknüpfen. Dieser, eben damals Witwer geworden, zog 951 nach I. und erwarb sich mit Adelheids Hand auch die langobardische Krone. Zwar sah er sich 952 genötigt, Berengar, der weniger besiegt als verdrängt war, I. als Lehnskönigreich zu übertragen. Doch zeigte sich bald, wie wenig Dauer dieses Verhältnis versprach. Ottos Macht in I. beruhte wesentlich auf den Immunitäts- und Exemtionsbestrebungen der geistlichen Besitzer, welche dem lombardischen Adel gegenüber eine unabhängige Stellung beanspruchten. Hand in Hand mit der Entwickelung dieser geistlichen Fürstentümer ging das Streben nach städtischer Freiheit. Otto I. kam diesen beiden Richtungen in I. auf das förderndste entgegen. Wie er sich den weltlichen Großen gegenüber auf die Macht der hochbegünstigten Bischöfe stützte, so wurde er auch der eigentliche Begründer der italienischen Städtefreiheit, insbesondere im Norden des Königreichs. Denn wenn auch nach der Lage und Geschichte der aus dem Altertum stammenden zahlreichen Orte I. ganz besonders geeignet war, städtisches Wesen hervorzubringen, so war doch das alte Munizipalrecht völlig zu Grunde gegangen und der Gerichtshoheit der langobardischen Grafen und Herzöge zum Opfer gefallen. Erst durch den Schutz, welchen die deutschen Kaiser dem bürgerlichen Gemeinwesen gewährten, vermochte die neue Städtefreiheit auf den vorzugsweise von der Kirche erworbenen Besitzungen wieder zu erstehen. Nur durch innere Unruhen in Deutschland und neue Einfälle der Magyaren wurde Otto I. längere Zeit verhindert, gegen die Anmaßung Berengars, der sich vom deutschen Lehnsverband losriß, einzuschreiten. Als dieser sogar den weltlichen Besitz der römischen Kirche angriff, wandte sich der Papst an den deutschen König um Hilfe. Otto überschritt 961 zum zweitenmal die Alpen, eroberte ganz Norditalien und eilte nach Rom, wo er die Zerwürfnisse zwischen dem Stadtadel und dem Papsttum benutzte, um die Schutzhoheit des Deutschen Reichs gegenüber der Kirche geltend zu machen und die römische Kaiserwürde zu erneuern (2. Febr. 962). Hiermit stiftete er das Heilige römische Reich deutscher Nation, von dem das Königreich I., das nach Berengars völliger Unterwerfung (964) in ungestörtem Besitz Ottos war, fortan einen Teil bildete.

Italien ein Teil des römisch-deutschen Reichs.

Je mehr sich die deutsche Herrschaft in I. auf die kirchlichen Gewalten und die geistlichen Lehnsbesitzer stützte, desto notwendiger war es, bei der Besetzung der Bistümer und vor allen des päpstlichen Stuhls einen ausreichenden Einfluß zu üben. Otto I. dehnte daher das Anerkennungs- und Bestätigungsrecht, welches seit den römischen Kaisern alle Machthaber Italiens geltend machten, dem päpstlichen Stuhl gegenüber bedeutend aus und erwarb sich und seinen Nachfolgern auch bei der römischen Kirche das Recht thatsächlicher Ernennung des obersten Bischofs. Mittels des Papstes sollte sodann die katholische Kirche überall dem Kaisertum und seinen Zwecken dienen. Aber wie schon jener Papst, welcher Otto I. zum Kaiser gekrönt hatte, Johann XII., sich den Deutschen untreu erwies, sobald dieselben der Stadt Rom den Rücken gekehrt hatten, so blieb auch später das Verhältnis des Kaisertums zum Papsttum und zur Kirche ein höchst unsicheres, und nur in den wenigsten Fällen gewährten persönlich gute Beziehungen zwischen den beiden Oberhäuptern der abendländischen Welt zugleich eine sachlich begründete Basis der deutschen Kaisermacht in I. Als Otto I. 966 abermals in I. erschien, um den zahlreichen Widersachern entgegenzutreten, waren Maßregeln äußerster Strenge nicht zu vermeiden.

Als Otto I. 973 starb, blieb die deutsche Kaiserherrschaft in Ober- und Mittelitalien in der That unangefochten. Unteritalien dagegen war unbezwungen geblieben; die Versuche des Kaisers, es durch Verhandlungen mit dem griechischen Kaiserreich oder durch Waffengewalt zu gewinnen, waren mißglückt, Griechen und Araber teilten sich in die Herrschaft der schönen Länder, welche nach Art und Charakter in ihren staatlichen Institutionen sowie in ihrem Volkstum sich mehr und mehr von dem übrigen I. zu unterscheiden begannen. Otto II., der durch seine Vermählung mit der griechischen Prinzessin Theophano ein Anrecht auf Unteritalien erworben zu haben glaubte, erneuerte den Versuch, sich desselben zu bemächtigen. Aber der griechische Kaiser Basilius verband sich mit den Sarazenen, um Ottos II. Versuche auf Unteritalien zu vereiteln und die deutsche Herrschaft in I. überhaupt zu erschüttern. 982 erlitt Otto II. eine Niederlage in Unteritalien, worauf er in Rom erkrankte, in seinem 28. Jahr starb und nur einen unmündigen Sohn, Otto III., hinterließ, dessen Regierung in I. eingreifender geworden wäre, wenn nicht auch er schon in früher Jugend 1002 gestorben wäre. Aber in der Zeit Ottos III. war zuerst der Gedanke aufgetaucht, eine strengere Einheit Italiens herzustellen, den Sitz des Kaisertums nach Rom zu verlegen und von dem alten Mittelpunkt der Welt aus die neue römisch-deutsche Herrschaft zu verwirklichen. In Rom selbst hatten die Adelsparteien