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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Italienische Litteratur

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Italienische Litteratur (bis zum 14. Jahrhundert).

1863 (Zürich 1864); Nisco, Storia civile del regno d'Italia (Neapel 1885 ff., 4 Bde.); Corti, Das einige I. (deutsch, Hamb. 1885); d'Azeglio, L'Italie de 1847 à 1865, correspondance politique (2. Aufl., Par. 1867); La Porta, L'Italia nel mezzo del secolo decimonono, segnatamente nell' ultimo quinquennio del 1859 al 1864 (Velletri 1865); Coppi, Annali d'Italia del 1750, Bd. 15: 1860-61 (Rom 1868); Sirao, Storia delle rivoluzioni d'Italia del 1846 al 1866 (Mail. 1867, 2 Bde.); Bazancourt, La campagne d'Italie (deutsch, Naumb. 1860); Rüstow, Der italienische Krieg 1859 (3. Aufl., Zürich 1860); Derselbe, Der italienische Krieg 1860 (das. 1861); Duquet, La guerre d'Italie 1859 (Par. 1882).

Italienische Litteratur. Die ältesten Denkmäler der italienischen Nationallitteratur reichen in ihrem Lebensalter wenig über den Anfang des 13. Jahrh. hinaus. Nur langsam hatte sich das Material derselben, die italienische Volkssprache (lingua volgare), entwickelt; denn die lateinische Sprache erhielt sich in ihrer eigentlichen Heimat länger als in den Wohnsitzen der übrigen Romanen, und bis ins 13. Jahrh. behauptete sie jenseit der Alpen auf der Kanzel, im Gerichtssaal und zum Teil auch auf der Rednerbühne ihre Stätte. So kam es, daß das Italienische später als die übrigen südeuropäischen Idiome zu grammatischer Gliederung und syntaktischer Ausbildung gelangte und infolgedessen auch der Beginn der eigentlich italienischen Litteratur in eine verhältnismäßig späte Zeit fällt. Wir zerlegen dieselbe nach ihrer geschichtlichen Entwickelung in fünf Perioden, von denen die erste das Erwachen der Dichtkunst in I. (anfangs unter provençalischem Einfluß) und das Auftreten der ersten großen nationalen Dichter und Schriftsteller (13.-14. Jahrh.) umfaßt, die zweite durch die Herrschaft der altklassischen Studien (15. Jahrh.), die dritte durch glückliche Verschmelzung italienischer Bildung mit der antiken (16. Jahrh.) charakterisiert ist, während die vierte Periode (17. und 18. Jahrh.) die Zeiten des Verfalles, der sich unter französischem Einfluß vollzieht, die fünfte endlich die Epoche des modernen Aufschwunges der Litteratur im Dienst patriotischer Ideen (19. Jahrh.) begreift.

Erste Periode (13.-14. Jahrh.).

Wenn wir die i. L. noch in ihren Anfängen begriffen sehen zu einer Zeit, in der das örtlich unfern stehende Provençalische bereits seine völlige Entwickelung erreicht, ja überschritten hatte, so erklärt sich das mit aus der eigentümlichen Kulturentwickelung der italienischen Nation. Die feinen Formen mittelalterlicher Bildung, welche im südfranzösischen Rittertum ihre reichste Gestaltung gefunden hatten, faßten in Italien schwerer Fuß als im übrigen Abendland. In Oberitalien, wo der eigentliche Schwerpunkt des italienischen Nationallebens während des Mittelalters zu suchen ist, hatte man am wenigsten Neigung zur ritterlichen Phantastik; praktisch bürgerliche Richtung des öffentlichen Lebens waltete dort vor. Nur im Süden Italiens war das eigentliche Ritterwesen, eingeführt durch die eingewanderten Normannen, wahrhaft heimisch. Schon im 12. Jahrh. fing die provençalische Dichtung an, ihren Einfluß auf Italien zu äußern. Neben den in Oberitalien seit jener Zeit an den kleinen Höfen auftretenden Troubadouren erwarben sich dann allmählich auch Italiener durch kunstreichen Gesang in provençalischer Sprache gefeierte Namen. So vor allen Sordello von Mantua (13. Jahrh.), den selbst Dante rühmend nennt. Aber das Leben der echt italienischen Poesie hat seine Wiege in Sizilien gefunden, an dem Hofe Friedrichs II., des Hohenstaufen, der selbst mit seinem berühmten Kanzler Pier delle Vigne (Peter de Vineis) die Dichtkunst übte und an seinem Hof eine zahlreiche Schar von Dichtern sammelte, die im ganzen freilich erst bloße Nachahmer der Provençalen waren. Unter ihnen gilt als ältester Poet Italiens Ciullo d'Alcamo (gest. 1194), von dem uns ein einziges Gedicht, eine Kanzone, erhalten ist, das Gespräch eines Liebhabers und seiner Dame, in der Diktion noch äußerst roh, in der Sprache ein Gemisch von sizilischen, provençalischen, spanischen, französischen, lateinischen und griechischen Dialektelementen. Neben und nach ihm glänzten an Friedrichs Hof Guido delle Colonne, Jacopo da Lentino (genannt il Notajo), Mazzeo Ricco und die Sizilierin Nina, Italiens älteste Dichterin, berühmt nicht nur durch ihre Verse, sondern fast mehr noch wegen ihres poetischen Liebesverhältnisses zu dem toscanischen Dichter Dante von Majano, der um 1290 blühte.

Nach Auflösung des sizilischen Poetenkreises gewann die "heitere Wissenschaft" (gaia scienza) einen neuen Mittelpunkt in Bologna. Unter den Dichtern, welche im 13. Jahrh. sich nach der alten berühmten Universität gezogen hatten und von dort aus Ruf und Ehren erlangten, sind hervorzuheben: Guido Guinicelli (gest. 1276), durch ebenso anmutige Bilder wie tiefe Gedanken ausgezeichnet; Guido Ghislieri, Semprebene, Onesio, Folcacchiero de' Folcacchieri, der Sonettendichter Fra Guittone d'Arezzo (gest. 1294) u. a. m. Diese sämtlich gebrauchen noch die rohere sizilische Mundart. Nur weniges von ihren Dichtungen, und unter diesem nicht einmal alles unzweifelhaft von ihnen herrührend, hat sich erhalten. Alle Genannten übertrifft an Bedeutung Guido Cavalcanti aus Florenz (gest. 1300), ein Mann von umfassender Bildung, als Philosoph von Boccaccio und Dante (der ihn den ersten seiner Freunde nennt) gerühmt, wichtiger aber als Förderer der Entwickelung der italienischen Sprache und als Poet, der namentlich in kleinern anspruchslosen Gedichten Vortreffliches leistete. Die meisten Produkte der italienischen Dichtung des 13. Jahrh. bringen in den Formen der Kanzone und des Sonetts und in längern Gedichten formfreierer Art nur leere Liebesklagen ohne wahres Gefühl, ohne rechte Natürlichkeit; das Interesse, welches sie gewähren, ist ein vorzugsweise sprachliches. Im geringern Grade trifft dieser Tadel zu bei Fra Jacopone da Todi (gest. 1306), von dem wir eine große Zahl geistlicher Gedichte haben, die, in der Sprache roh, an Tiefe und Innigkeit des Gefühls sowie durch die Freimütigkeit, mit der sie die kirchlichen Gebrechen der Zeit rügen, alle andern poetischen Leistungen jener Epoche übertreffen. Auch schöne lateinische Lieder von ihm haben sich erhalten (darunter das ihm zugeschriebene "Stabat mater"). Mehr als Lehrer Dantes denn als Dichter berühmt ist Brunetto Latini (gest. 1294), dessen poetisches Hauptwerk: "Tesoretto", zeigt, daß er viel zu sehr Rhetoriker und viel zu sehr verstrickt in die Philosopheme der Scholastik war, als daß er wahrhaft Dichterisches hätte schaffen können. Sein Schüler Dante Alighieri (1265-1321) überragt nicht nur alle bereits erwähnten Dichter der Anfangszeit italienischer Poesie, er ist nicht nur weitaus der größte poetische Genius, den Italien hervorgebracht hat, sondern er ist auch einer der unsterblichen Dichter, welche allen Zeiten und Völkern angehören. Mit einer