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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Italienische Litteratur

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Italienische Litteratur (17. und 18. Jahrhundert).

auch mittelmäßige Komödien in Venedig eine Zeitlang Glück machten. Aber alle diese und noch andre wurden verdunkelt durch Carlo Goldoni (1707 bis 1793), den Meister des nationalen Charakterlustspiels und Reformator der komischen Bühne in Italien, dessen Sprache zwar nachlässig, aber selbst nach dem Zeugnis neuerer Italiener natürlicher und wahrer ist als die aller spätern komischen Dichter. An Geist und Poesie übertraf ihn zwar der Graf Carlo Gozzi aus Venedig (1718-1806), der Schöpfer der phantastischen Komödie; doch wetteiferte dieser vergeblich mit Goldoni, und seine an Laune, Poesie und bizarren Einfällen reichen Stücke ("fiabe teatrali") vermochten nur einen vorübergehenden Erfolg zu erringen. Noch zahlreiche andre Schriftsteller haben für das Theater gearbeitet; aber obgleich man bald das französische, bald das deutsche Theater nachzuahmen, bald einen eignen Weg einzuschlagen suchte, hat sich kein einziges wahrhaft bedeutendes Talent mehr hervorgethan. Antonio Avelloni (gest. 1837), Gualzetti aus Neapel, Carlo Greppi aus Bologna (gest. 1811) haben nach den Vorbildern von Beaumarchais, Mercier und Kotzebue gearbeitet. Die weinerliche Komödie ("il genere piagnoso") hat eine Zeitlang Beifall gefunden in den zahlreichen Stücken von Camillo Federici (gest. 1802). Gherardo de' Rossi (gest. 1827) war glücklicher in der Anlage der Stücke als im Dialog. Italienischer, aber von geringerer Bedeutung sind die Arbeiten des Marchese Albergati-Capacelli (gest. 1806), Napoli Signorellis (gest. 1815), von welchem man außerdem eine Geschichte des Theaters besitzt, des Grafen Alessandro Pepoli (gest. 1796) u. a. Sonst verdienen die meiste Auszeichnung der Graf Giov. Giraud (gest. 1834), ein Römer, und der Piemontese Alberto Nota (gest. 1847), dem zwar alle eigentliche komische Kraft abgeht, der aber hinsichtlich seiner Sprache großes Lob verdient. Bei der Oper, dem Lieblingsspiel der Italiener im 17. und 18. Jahrh. wie auch jetzt noch, ward unter dem gewaltigen Aufwand von Dekorationen und Maschinerien, Musik und Tanz die Poesie ganz in den Schatten gestellt. Der einzige Fortschritt, welchen die Oper in dieser Zeit machte, bestand darin, daß seit etwa 1613, vorzüglich durch den Grafen Fulvio Testi, die Monotonie der Recitative durch den künstlichern Ariengesang gehoben wurde. Dagegen erreichte diese dichterische Gattung ihren Gipfel im 18. Jahrh. und erlangte eine solche Berühmtheit, daß sie nach vielen ausländischen Höfen verpflanzt wurde. Sie verdankte dies Apostolo Zeno (gest. 1750) und Pietro Trapassi, genannt Metastasio (gest. 1782), von denen der letztere noch jetzt als das unerreichte Muster in dieser Gattung betrachtet wird. Von seinen Zeitgenossen Rolli, Frugoni, Olivieri, Cigna, Damiani, Fattiboni, Ragati etc. kann keiner sich mit ihm messen.

Erfreulicher als der Zustand der schönen Litteratur ist in dieser Periode der der ernsten und strengen Wissenschaft. Was zunächst die Geschichtschreibung betrifft, so hat dieser Zeitraum trotz der jeder freien Forschung und freien Rede sehr ungünstigen Verhältnisse einige der wichtigsten Leistungen aufzuweisen. Die Kirchengeschichte Italiens fand einen einsam stehenden Bearbeiter in dem Serviten Pietro Sarpi (gest. 1623), dessen aus Originalurkunden geschöpfte Geschichte des tridentinischen Konzils ein Meisterwerk ist, in mehrere Sprachen übersetzt, aber von den Anhängern der römischen Kurie auch heftig bekämpft ward. Als Geschichtswerke, welche einzelne Ereignisse behandeln, sind gleich im Anfang dieser Periode zu nennen: Arrigo Caterino Davilas "Storia delle guerre civili di Francia" (von 1547 bis 1598) und Guido Bentivoglios "Storia della guerra di Fiandra" (von 1559 bis 1607). In lateinischer Sprache schrieb die Geschichte fast des nämlichen Zeitraums (von 1557 bis 1590) der Jesuit Famiano Strada (gest. 1649). Als Werke gelehrten Fleißes sind zu erwähnen: Die Geschichte von Neapel (von Roger I. bis zum Tod Friedrichs II.) von Francesco Capecelatro. Sehr geachtet ist die Geschichte von Venedig von Battista Nani (den Zeitraum von 1613 bis 1671 umfassend). Durch Wahrheitsliebe zeichnet sich aus die Geschichte seiner Zeit (eine Art Chronik von 1613 bis 1650) von Pietro Giovanni Capriata aus Genua (gestorben um 1650). Berühmter als die Werke der letztern, aber von keinem Wert sind die äußerst zahlreichen Kompilationen des seichten Vielschreibers Gregorio Leti aus Mailand (gest. 1701). Je weiter wir vorschreiten in dieser Periode, desto mehr treten Sammlerfleiß und Erudition, das einzige, was unter dem Druck des damaligen politischen Systems übrigblieb, an die Stelle der großherzigen Gesinnung und des politischen Scharfsinns der Historiker früherer Jahrhunderte. Als ein Wunder von vielseitiger Thätigkeit ist zu nennen Lodovico Antonio Muratori (gest. 1750), von dessen überaus zahlreichen historischen, antiquarischen und philosophischen Schriften hier besonders seine trefflichen "Annali d'Italia" zu erwähnen sind. Ihm nicht unähnlich war sein Freund, der bereits oben unter den Dichtern angeführte Marchese Scipione Maffei (gest. 1755), durch seine historisch-antiquarischen Arbeiten ("Storia diplomatica" und "Verona illustrata"). Der bedeutendste Geschichtschreiber dieser Zeit aber ist Pietro Giannone (gest. 1748), welcher in seinem Werk "Dell' istoria civile del regno di Napoli" vorzüglich den Zustand der Gesetze, der Sitten und der Administration berücksichtigt und als ein entschiedener Feind der Hierarchie auftritt. Unter ihm steht der Vielschreiber Carlo Denina (gest. 1813), von dessen zahlreichen Werken nur seine "Rivoluzioni d'Italia" heute noch einen gewissen Wert haben. Nicht unerwähnt darf auch des Grafen Pietro Verri (gest. 1797) geschätzte "Storia di Milano" bleiben. Kunsthistoriker sind: Filippo Baldinucci aus Florenz (gest. 1696), welcher in seinem Hauptwerk: "Notizie de' professori del disegno da Cimabue in quà", Vasari zu berichtigen suchte, und Carlo Datia (gest. 1675), der das Leben einiger Maler des Altertums beschrieben hat. Auch sind hier noch die "Vite de' pittori, scultori, architetti ed intagliatori" von G. Baglione, den Zeitraum von 1572 bis 1642 umfassend, zu nennen. Aus späterer Zeit sind Hauptwerke für die Kunstgeschichte: die "Storia pittorica d'Italia" von Luigi Lanzi (gest. 1810), der sich vorzüglich auch mit den etruskischen Altertümern beschäftigte und die "Storia della scultura" des Grafen L. Cicognara (gest. 1834), die bis auf Canova reicht. Die Oper hat an dem Spanier Arteaga und das Theater überhaupt an Pietro Napoli Signorelli Geschichtschreiber gefunden. Einer der geachtetsten Feldherren seiner Zeit, Raimondo Montecuccoli aus Modena (gest. 1681), ist auch durch seine "Aforismi dell' arte bellica" der erste Militärschriftsteller seines Vaterlandes geworden. Die Geschichte der eignen Litteratur ist von keinem Volk mit so großem Eifer bearbeitet worden wie von den Italienern. Gianvittorio Rossi aus Rom (gest. 1647) gab unter dem Namen Janus Nicius Erythreus in seiner "Pinacoteca" eine Geschichte vieler zu seiner Zeit leben-^[folgende Seite]