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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Jagd

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Jagd (Geschichtliches; Jagdgesetzgebung, Jagdscheine, Wildstand in Preußen).

schäftigen. Dieselben müssen auch die Kenntnis des Fanges der Raubtiere, welche den Fasanen gefährlich sind, besitzen.

Die berufsmäßigen Jäger mußten in früherer Zeit es namentlich auch verstehen, große Jagden als besondere Hoffestlichkeiten zu veranstalten. Damit eine große Menge von Wild in kurzer Zeit sicher von fürstlichen Jagdherren erlegt werden konnte, wurde das Wild in beträchtlicher Zahl in eingestellten Jagen, die mit Jagdzeug (s. d.) umschlossen waren, sogen. Hauptjagen, zusammengetrieben. Als nach dem Beispiel des französischen Hofs der Luxus auch bei den übrigen Hofhaltungen sich verbreitete, boten mit besonderm Prunk veranstaltete Hauptjagen (Festinjagen) Gelegenheit zur Verherrlichung von Hoffesten und ersetzten die früher üblichen Turniere und Ritterspiele. Die Jägerei erschien dabei in Gala-Uniform, die Jagdschirme waren reich verziert, Musikchöre spielten dabei auf, die Herrschaft erschien in wunderlichen Verkleidungen, die Damen als Dianen und Nymphen auf Wagen, die von Hirschen gezogen wurden, und außerdem fanden dabei auch Kämpfe von fremden, dazu besonders herbeigeschafften Tieren, als Löwen, Bären etc., statt. Mehrere solcher Jagden, die bei Gelegenheit von Hochzeitsfesten etc. abgehalten wurden und die dabei mehr Maskeraden als eigentliche Jagden waren, sind uns von Schriftstellern der damaligen Zeit ausführlich beschrieben. Zur Ermäßigung der großen Kosten, welche solche Jagden erforderten, wurden Jagdfronen, Jagdtreibedienste, Wildbretfuhren, Jagdzeugfuhren etc. auferlegt. Ferner mußten entrichtet werden: Wolfsjagddienstgelder, Hecken-, Wald-, Wildhufenhafer. Einzelne Höfe hatten die Verpflichtung, die Hunde des Jagdberechtigten zu füttern, wenn sie nicht gebraucht wurden, oder auch die Jägerei bei sich einzuquartieren. Alle diese Lasten, welche im Lauf der Zeit schon weit weniger drückend geworden waren, sind in neuerer und neuester Zeit fast in allen deutschen Ländern aufgehoben, oder es ist deren Ablösung in den Gesetzen über die Ablösung derartiger Prästationen ausgesprochen worden. Selbstverständlich mußten diese besonders den Besitzern ländlicher Grundstücke auferlegten Lasten in jener Zeit um so mehr große Erbitterung hervorrufen, als außerdem der in großer Menge gehegte Wildstand bedeutenden Schaden an den Feldfrüchten verursachte. Bei solchen fast unerträglichen Verhältnissen mußte durch gesetzliche Bestimmungen Wandel geschaffen werden. Dies geschah zuerst in Frankreich, wo durch das Gesetz vom 26. März 1798 die Befreiung des Grund und Bodens von fremden Jagdrechten ausgesprochen wurde; diesem Beispiel folgten die Gesetzgebungen mehrerer deutscher Einzelstaaten, und 31. Okt. 1848 wurde in Preußen unter Aufhebung aller privatrechtlichen Beziehungen zu ältern oder neuern Eigentumserwerbungen das Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden ohne jede Entschädigung aufgehoben und eine Trennung jenes dinglichen Rechts von letzterm für die Zukunft als nicht statthaft erklärt. Infolge eingebrachter Reklamationen ehemaliger Jagdberechtigten ist in einzelnen deutschen Staaten (Kurhessen, Württemberg, Hannover, Sachsen, Altenburg) zum Teil eine Entschädigung teils aus der Staatskasse, teils durch Aufbringung der früher Verpflichteten gewährt worden. Die neuere Jagdgesetzgebung bezweckt besonders den Schutz des Feldes und des Waldes gegen Beschädigung von seiten des Wildes; daher die gesetzlichen Bestimmungen über Beschränkung des Wildstandes, über Vergütung des Wildschadens und über Aufgang und Schluß der J. Namentlich suchte man auch die Gesetze über Wilddieberei, welche trotz der strengen Strafen in manchen Gegenden Deutschlands mit großer Frechheit betrieben ward und hier und da einen förmlichen Kriegszustand zwischen Forstbeamten und Wilddieben zur Folge hatte, mit den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen in Einklang zu bringen. Die Aufhebung des Jagdrechts auf fremdem Grund und Boden mußte außerdem zu Beschränkungen rücksichtlich der Ausübung desselben führen, weil sonst voraussichtlich Ausrottung des Wildes und Unfälle durch unvorsichtige Handhabung der Schußwaffen seitens Unkundiger die unausbleiblichen Folgen gewesen wären. In Preußen wurde die Ausübung der J. durch das Jagdpolizeigesetz vom 7. März 1850 und das Wildschongesetz vom 26. Febr. 1870 geregelt, und dadurch kamen die frühern Forst-, Mast- und Jagdordnungen für die einzelnen Provinzen, deren Bestimmungen außerdem teilweise veraltet und unzeitgemäß geworden waren, meist in Wegfall. Bearbeitungen der Jagdgesetzgebung lieferten unter andern: für Preußen Kohli (Berl. 1884), R. Wagner (das. 1883) und Grunert (Trier 1885), für Bayern Feßmann (Ansb. 1880) und Trunk (Eichstätt 1880), für Sachsen Einsiedel (Leipz. 1885), für Hessen Haller (3. Aufl., Darmst. 1884), für Baden Schenkel (Tauberbischofsheim 1886), für Elsaß-Lothringen Huber (Straßb. 1881) etc. Für Österreich vgl. Anders, Das Jagd- u. Fischereirecht (Innsbr. 1885).

Jeder, der die J. ausüben will, muß einen Jagdschein lösen, und es läßt sich daher aus der Zahl solcher Jagdscheine leicht ersehen, in welchem Verhältnis sich die Zahl der Personen vermehrt hat, welche die J., die jetzt meist zum Vergnügen und zur Erholung der wohlhabendern Bevölkerung dient, ausüben. Nach v. Hagen ist die Zahl der ausgegebenen Jagdscheine in Preußen von 80,559 im J. 1850/51 auf 154,094 im J. 1880/81 angewachsen (im Durchschnitt 21,3 auf 1000 männliche Bewohner über 20 Jahren). Letztere verteilten sich auf die einzelnen Provinzen wie folgt:

^[Liste]

Scheine Durchschnitt

Ostpreußen 9994 20,8

Westpreußen 6327 18,3

Brandenburg 17002 17,4

Pommern 8494 21,8

Posen 8621 21,6

Schlesien 18574 18,3

Sachsen 19526 31,5

Schlesw.-Holst. 10415 33,0

Hannover 12277 20,7

Westfalen 14849 26,6

Hessen-Nassau 7282 17,8

Rheinprovinz 21334 19,0

Hohenzollern 399 21,0

Zusammen: 154094 21,3

Der Wildstand wird von v. Hagen für den preußischen Staat wie folgt veranschlagt: 58,373 Stück Rotwild, 23,412 Stück Damwild, 174,511 Stück Rehwild, 9621 Stück Schwarzwild, 2358 Stück Auerwild, 149 Stück Elchwild. Der Abschuß wird durchschnittlich pro Jahr angegeben auf: 8777 Stück Rotwild, 2293 Stück Damwild, 24,818 Stück Rehwild, 5382 Stück Schwarzwild, 375 Stück Auerwild, 4 Stück Elchwild, 1,445,779 Stück Hasen, 1,734,544 Stück Rebhühner, 3818 Stück Fasanen, 1765 Stück Birkwild, 1053 Stück Haselwild, 12,946 Stück Schnepfen, 20,001 Stück Enten, 6140 Stück Kaninchen, 323,000 Stück Kramtsvögel, 14,242 Stück Füchse, 528 Stück Dachse. Die gesamte Fleischmasse dieses jährlichen Abschusses von eßbarem Wild wird auf 5,420,618 kg (pro Kopf 0,2 kg) und der Gesamtgeldwert einschließlich der Schwarten und Häute auf 6,470,502 Mk. veranschlagt. Hiernach ist also der Jagdertrag ein nicht unerheblicher Faktor für die Volksernährung und die Volkswirtschaft. Die Ausübung der J. auf dem fiskalischen Grundbesitz ist in Preußen so geregelt, daß gewöhnlich die niedere J. in den Staatsforsten und