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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Japan

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Japan (Geschichte).

Hof- und Zivildienstes der Hofadel oder die Kuge standen. Unter letztern spielte die angesehene, sehr alte Familie der Fujiwara von der Mitte des 7. Jahrh. ab die erste Rolle, welche im 12. Jahrh. an die hervorragendsten Familien der Buke, die Taira und Minamoto überging. Im J. 888 nahm der Daijo-Daijin (spr. daitscho-daitschin) oder Ministerpräsident Fujiwara Motatsune die erbliche Würde des Kambaku (d. h. Regierungsleiters und Berichterstatters) an. Die Fujiwara hatten viele Jahrhunderte hindurch fast alle höhern Zivilämter inne. Hier und in Hofintrigen entwickelten sie ihre Hauptthätigkeit um so erfolgreicher, als die Mütter und Frauen der Mikados alle Fujiwara und ihre Schwestern an Fujiwara verheiratet waren. Von den 155 Kugefamilien leiten sich 95 von Fujiwara ab. Auch die jetzige Kaiserin sowie der Daijo-Daijin Sanjo Saneyoshi gehören diesem alten Geschlecht an.

Das Geschlecht der Taira (chin. Hei, spr. hé; d. h. Friede) wurde von Taira Takamochi, einem Großenkel des Kammu Tennô, abgeleitet. Seine große politische Rolle fällt in die Mitte des 12. Jahrh. zwischen die der Fujiwara und der Minamoto. Als Rivalen der Taira traten die Minamoto (chin. Gen oder Genji, d. h. Ursprung der Quelle) auf. Dieses hochangesehene Geschlecht, das dem Land seine berühmtesten Helden lieferte, leitet sich von Saga Tennô, dem 52. Mikado, ab. Das Amt des Sei-i-tai-shogun, abgekürzt Shogun (auch wohl Taikun genannt), d. h. des großen Generals, der die Barbaren züchtigt, wurde ihre besondere Domäne. Die spätern Shogunfamilien Ashikaga und Tokugawa waren nur Zweige der Minamoto. Sieben Jahrhunderte und viele Wechselfälle hindurch hat diese Familie bis zum Jahr 1868 die weltliche Macht über J. behauptet. Zu den gefeierten Thaten der Minamoto gehört die Expedition des Yoriyoshi in der Mitte des 11. Jahrh. nach dem Norden von Hondo und die Unterwerfung der hier wohnhaften Emishi (Verwandte der Aino), wobei sich schon sein Sohn Yoshiiye auszeichnete, der später als Held noch mehr hervortrat und von seinem Heer und in vielen Sagen unter dem Namen Hachiman Taro, d. h. erstgeborner Sohn des Hachiman, gefeiert wurde. Von einem Bruder desselben stammen die Ashikaga.

Mit dem Anfang des 12. Jahrh. tritt der Feudalismus und Militärdespotismus in den Vordergrund. Statt der frühern Hofintrige entscheidet von jetzt ab das Schwert. Der Krieger spielt die erste Rolle, der Bauer zahlt die Zeche. Bedrückung, verwüstete Felder, Verarmung sind seines Fleißes Lohn. Der lange vorbereitete Kampf zwischen den Taira und Mina-moto um die höchste weltliche Macht, die Feudalherrschaft, welche sich allmählich herausgebildet hatte, und zwar über die Häupter der Herrscherfamilie und Fujiwara hinweg brach aus. Er führt in der japanischen Geschichte den Namen Gen-Pei-Kassen, d. h. Kampf zwischen den Gen (Minamoto) und Pei (Taira). Toba Tennô, der 74. Mikado, war mit fünf Jahren auf den Thron gekommen und hatte mit 20 Jahren abgedankt. Sein Nachfolger Shutoku Tennô war drei Jahre alt, als er den Thron einnahm, und ebenfalls 20 Jahre alt, als er depossediert wurde und gleich seinem Vorgänger das Kloster wählte. Ihm folgte ein dreijähriger Stiefbruder als Konoye Tennô, der 14 Jahre später plötzlich starb. Nun wollte Shutoku Tennô das Erbe seinem Sohn sichern und wurde von den Minamoto unter Führung von Tametomo unterstützt, während der Kambaku und die Taira, geleitet von Taira Kiyomori, einen der vielen Söhne des Toba zum Kaiser machten, der unter dem Namen Go Shirakawa Tennô von 1156 bis 1159 die fingierte Herrschaft führte, welche ihm Kiyomori durch seinen Sieg über die Gegner sicherte. Kiyomori wurde Daijo-Daijin, führte eine Nebenwirtschaft ein, machte und depossedierte Mikados nach Gutdünken, verfolgte seine Gegner und selbst solche Minamoto, die auf seiner Seite gestanden hatten, mit unerbittlicher Grausamkeit, so auch Yoshitomo, den Bruder von Tametomo und Führer der Minamoto, nach des letztern Verbannung. Kiyomori schlug 1159 seine Gegner abermals vor den Thoren von Kioto und ließ den flüchtigen Yoshitomo ermorden. Dessen Söhne Yoritomo und Yoshitsune rächten ihren Vater. Insbesondere entwickelte letzterer in den Kämpfen viel Heldenmut und Geschick. Er und sein Diener Benke, der Riese Goliath der Japaner, wurden ihrer Tapferkeit und erfolgreichen Thaten wegen die gefeiertsten Männer, kamen aber durch die Eifersucht Yoritomos um, wie noch andre tapfere Glieder der Familie.

Yoritomo hatte sich, während sein jüngerer Bruder, Yoshitsune, im Süden für ihn gegen die Taira kämpfte, zum Herrn des Kuwanto (der acht Provinzen der Ebene von Jedo) aufgeschwungen und Kamakura im Westen von Jokohama im J. 1192 zur Residenz gemacht. (Von da ab bis zur Mitte des 15. Jahrh. war dies die Hauptstadt, erst der Minamoto, dann der Hojo, und hatte über 200,000 Einw.) Er hatte sich zum Shogun emporgeschwungen, dem Land nach Besiegung der Taira Ruhe und Ordnung gebracht, den Landbau gefördert und beschützt, das Verhältnis zum Hofe freundlich gestaltet und den Feudalismus fest begründet, indem seine Heerführer Daimios wurden und größere von ihm abhängige Lehen erhielten. Seine Selbstsucht, Arglist und Grausamkeit werfen einen Schatten auf sein sonst gepriesenes Leben und Wirken. Yoritomo starb, 53 Jahre alt, 1199 infolge eines Sturzes vom Pferd. An seinen Nachkommen rächte sich bitter, was er an seinen Geschwistern und sonstigen Verwandten verbrochen hatte. Schlecht erzogen, entnervt und niedergehalten durch seinen Schwiegervater und dessen männliche Nachkommen, die Familie der Hojo, gingen sie elend zu Grunde. Die eigentliche Gewalt übten diese als Regenten oder Shukken. Mit Recht nennt man daher diese lange Periode der Hojo-Herrschaft von 1199 bis 1334 die Zeit der Schatten-Shogune. Kinder nahmen als Mikados in Kioto den Thron ein, Kinder übten als Shogune nominell in Kamakura die weltliche Gewalt, faktisch an ihrer Stelle aber die Shukken der Hojo oder ihre Vertreter. Unter diesen verwirrten Verhältnissen entfaltete der entartete Buddhismus seine größte Macht. Von den zwölf Shukken haben sich einige ausgezeichnet, aber die Ehre der Familie nicht zu retten vermocht. Das wichtigste Ereignis in dieser langen Periode ist die Invasion der Mongolen unter Kublai Chan oder Kopitsuletsu, wie ihn die Japaner nennen. Dem Shukken Hojo Tokimune gehört das Verdienst, sie 1281 von Kiushiu zurückgeschlagen und das Land von ihnen befreit zu haben. Das Ereignis ist für uns deshalb von besonderm Interesse, weil um jene Zeit Marco Polo am Hof Kublai Chans lebte, von dem östlichen Inselreich "Zipangu" hörte und später darüber die erste Kunde nach Europa brachte. Im J. 1334 vernichtete Nitta Yoshisada, ein weiterer, vielgepriesener Held aus dem Haus Minamoto, der als Vignette auf dem japanischen Papiergeld erscheint, die Herrschaft der Hojo in Kamakura, während Ashikaga Taka-uji u. a. ihr in Kioto ein Ende