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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Juden

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Juden (Geschichte: David und Salomo, die getrennten Reiche Israel und Juda).

acht Jahre lang nur den Stamm Juda beherrschend (denn Sauls Sohn Isboseth herrschte durch des Feldherrn Abner Einfluß zu Machanajim über die übrigen Stämme), befestigte den Staat, entfaltete seine Macht und dehnte das Land nach Kriegen über innere (Jebusiter) und äußere Feinde (Philister, Moabiter, Edomiter, Ammoniter u. a.) von Ägypten und dem Arabischen Meerbusen bis Thapsakos, vom Mittelmeer bis zum Euphrat aus. Unter ihm ward Jerusalem, das frühere Jebus, Mittelpunkt des gottesdienstlichen Lebens; er führte von Kirjath-Jearim die Bundeslade dorthin über, bereitete den Bau eines Tempels vor, richtete einen regelmäßigen Gottesdienst ein, den er durch Musik und Gesang hob, und pflegte die Dichtkunst. David brachte den hebräischen Staat, den er, mit Umgehung seines ältesten Sohns, Adonia, seinem Sohn von der Bathseba, Salomo (993-953), vererbte, durch Einigung der Stämme und Pflege des religiösen Lebens zur höchsten Blüte. Salomos Regierung war eine friedliche; er, der wissende und weise Regent, förderte Kunst und Bildung, verschönerte Jerusalem, baute den prachtvollen Tempel, befestigte das Land, erweiterte den Heerbann und schloß verwandtschaftliche Beziehungen mit Ägypten sowie Handelsverbindungen mit Phönikien. Mit dem Wohlstand wuchs aber der Luxus, mit diesem die drückende Steuerlast des Volkes. Das mosaische Gesetz fand keinen kräftigen Boden mehr, heidnische Frauen entfremdeten den König dem Volk, und allmählich bereitete sich die Auflösung vor, die nach Salomos Tod naturgemäß eintreten mußte. Diese Auflösung mußte kommen trotz der gesunden Verhältnisse des Volkes, dessen politische und soziale Zustände im folgenden skizziert sind. Unbedingte persönliche Freiheit, die Würdigung des Verdienstes ohne Standesunterschied, Unverletzlichkeit der Bürger, Verantwortlichkeit eines jeden Unterthanen vor dem Gesetz, der Genuß der Freiheit allen, auch den Fremden, gewährt, ein bis in die kleinsten Verhältnisse geregeltes Staatswesen sind sittliche Merkmale der Blütezeit des israelitischen Volkes. Gemeinsinn und Verkehr beförderten die Wallfahrten nach Jerusalem an den drei Festen (s. Feste, S. 171); Sprache und Gesetz schieden das Volk von den benachbarten Nationen und erhielten ihm seine Eigentümlichkeiten. Außer den Prophetenschulen gab es keine eigentlichen Pflanzstätten des Wissens, doch war Lesen und Schreiben allgemein verbreitet; Dicht- und Tonkunst wurden, besonders zu gottesdienstlichen Zwecken, ausgebildet. In andern Künsten konnten sie mit den übrigen Völkern nicht wetteifern: den Palast Davids und den Tempel Salomos errichteten phönikische Meister, Bildhauerkunst und Metallstecherei fanden nur vereinzelt Anwendung. Das bürgerliche Leben ward, wie das religiöse, nach mosaischem Gesetz geordnet. Die Berufsarten der Hebräer waren Ackerbau, Weinbau und Viehzucht, weniger Fischerei, die im Norden und am See Genezareth betrieben wurde. Das Gewerbe, nur für die alltäglichen Bedürfnisse geübt, entwickelte sich nicht; die meisten Hebräer waren ihre eignen Weber (besonders die Frauen), Schneider und Schuhmacher; die eigentlichen Luxus- und Putzartikel, die großen Absatz fanden, wurden aus Babylon, Phönikien und Ägypten eingeführt.

Die Unzufriedenheit des Volkes in den letzten Regierungsjahren Salomos, der verschärfte Steuerdruck seines Sohns und Nachfolgers Rehabeam führten 953 zur Auflösung des vereinigten Reichs. Die Stämme Juda, Benjamin und die Leviten blieben Rehabeam treu und bildeten das Reich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem; die übrigen Stämme wurden mit dem tributpflichtigen Moab unter Jerobeam zu dem Reich Israel vereinigt, dessen Haupt- und Residenzstadt anfangs Sichem, dann Thirza und später Samaria war.

Das Reich Israel bis zur assyrischen Gefangenschaft.

Israel gelangte nie zu innerer Festigkeit. Bedrängt von Feinden, vermochten die schwachen, oft verbrecherischen Regenten nicht, es zu schützen; ja, sie störten den Frieden im Innern durch Bilderdienst und Begünstigung des Baalskultus. Stete Parteikämpfe, unkluge politische Verbindungen rüttelten an dem Bestand des Landes und untergruben den Wohlstand. Begeisterte Propheten konnten trotz größern Anhanges dem Sittenverderben nicht steuern, und nach ca. 250 Jahren unterlag Israel den Angriffen der Assyrer. Jerobeam I. (953-927), der schon vor dem Tod Salomos die erregten Stämme zu einem Aufstand anreizte und beim Regierungsantritt Rehabeams, welcher die verlangten Reformen schnöde zurückwies, die Trennung ausführen konnte, ein kraftvoller Regent aus dem Stamm Ephraim, führte Götzendienst ein, verwarf viele mosaische Einrichtungen und lebte im steten Kampf mit Juda. Sein Sohn Nadab (927-925) ward von dem Heerführer Baesa ermordet, der nun den Thron bestieg und ihn seinem Sohn Elah (901-899) hinterließ. Diesen erschlug im zweiten Regierungsjahr der Feldherr Simri. 899 ward Omri (Erbauer Samarias) vom Heer zum König erhoben. Dessen Sohn und Nachfolger Ahab (875-853), Gemahl der phönikischen Prinzessin Isebel, führte den Baals- und Astartekultus ein und rief dadurch einen harten Kampf mit dem Prophetentum (Elias und Elisa) hervor. Er besiegte die Syrer, fiel aber im Kampf gegen Damaskus. Ihm folgte sein Sohn Ahasja (853-851), diesem sein jüngerer Bruder, Joram (851-843). Jehu (843-815), von Elisa zum König gesalbt, erschlug Joram, rottete dessen ganze Familie aus und ließ die Baalspriester hinrichten. Unter seinen Nachfolgern Joahas (815-798) und Joas (798-790) sank die Macht des Reichs, welche Jerobeam II. (790-749) wieder zu kurzer Blüte entfaltete. Die nach Jerobeams Tod eintretende zehnjährige Anarchie, die Zunahme der Sittenlosigkeit unter seinen Nachfolgern Secharja, Schallum, Menachem, die unter Pekah (736-734) erfolgte Niederlage gegen Tiglath Pilesar von Assyrien (734), die Fortführung eines großen Teils des Volkes in die Gefangenschaft bereiteten die Auflösung des Reichs vor, die 719 unter Hosea (728-719), dem letzten König, durch den König Salmanassar von Assyrien, nachdem alle Festungen und nach dreijähriger harter Belagerung durch Sargon die Hauptstadt Samaria genommen waren, erfolgte (prophetische Thätigkeit Jesaias'). So siedelte sich das Volk, das später vollständig in andern Nationen aufging, in medischen und persischen Landschaften an, und Assarhaddon sandte neue Kolonisten aus Babel, Kuta u. a. O. in das Land, aus deren Vereinigung mit den Israeliten die Samaritaner (Kutäer) entstanden sein sollen.

Das Reich Juda bis zur babylonischen Gefangenschaft (586).

Das Reich Juda, bevorzugt durch den Besitz Jerusalems, des Nationaltempels und einer gesetzlichen Priesterschaft, nach außen durch natürliche Festigkeit geschützt, pflegte mehr das reine Israelitentum, ward von der Davidschen Dynastie beherrscht (mit wenigen Ausnahmen vererbte sich das Reich vom Vater auf den Sohn) und behauptete seine Selbstän-^[folgende Seite]