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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Jüdische Litteratur

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Jüdische Litteratur (11.-14. Jahrhundert).

thätig und dichtete nach dem Vorbild der Psalmen, der Sprüche und des Predigers Salomo "Ben Thillim", "Ben Mischle" und "Ben Kohelet". Während noch Samuel den Spuren althebräischer Dichter folgt, tritt Salomo ihn Gabirol, der tiefe Denker, als selbständiger Dichter auf (s. Gabirol), und wie er auf dem Grunde des Neuplatonismus philosophiert, so hat nach arabischem Vorbild sein Zeitgenosse Bachja ibn Bakoda in arabischer Sprache eine Moralphilosophie: "Chobot ha-lebabot" ("Pflichten der Herzen"), geschrieben. Der Dichter Joseph ben Chisdai und der Bibelkritiker Jizchaki gehören seiner Zeit an. Dichtung, Exegese und Philosophie drängten die talmudischen Studien nicht zurück, und diese nahmen einen Aufschwung durch fünf Gelehrte, Namens Isak, so durch den Astronomen Isak ben Baruch Albalia (1035-94), den poetischen, 1089 gestorbenen Isak ben Juda ibn Giat, Isak ben Reuben aus Barcelona, Isak ben Moses ibn Sakni, den spätern Gaon von Pumbedita, vorzüglich aber durch Isak ben Jakob Alfasi (aus Fes, gest. 1133), dessen unter dem Titel: "Halachot" bekanntes Talmudkompendium nach ihm "Alfasi" oder "Rif" genannt wird und in hohem Ansehen steht. Der von 1065 bis 1136 lebende Polizeimeister Abraham bar Chija in Barcelona zeigte in einem großen Werk über Mathematik, Optik und Astronomie bedeutendes Wissen. Talmudische Gelehrsamkeit verbreiteten auch Juda ben Barsillai, der Rabbiner in Lucena, Joseph ibn Migasch, und Joseph ibn Zaddik (gest. 1049). Das Lied, das Gabirol angestimmt, verhallte nicht mit dem Tode des Meisters, der scharfsinnige Moses ibn Esra (gest. 1138), der in einem Buch über jüdische Dichter und jüdische Dichtkunst sich verewigte, schuf neue religiöse und weltliche Poesien, bis Juda ha Levi (s. d.) den Preis religiösen Gesanges erwarb. Der kühne Forscher und scharfsinnige Kritiker Ibn Esra (s. d.) übertrifft beide durch ein eminentes Wissen in Philosophie, Philologie, Exegese und Mathematik.

Auch der Geschichte und Geographie wenden spanische Gelehrte ihren Eifer zu, so: Abraham ben David (gest. 1180), bekannt durch sein arabisch geschriebenes philosophisches Werk "Emuna rama", welcher in dem "Sefer (oder Seder) ha-Kabbala" die Kette der prophetischen Überlieferung bis auf seine Zeit nachwies; Benjamin ben Jona aus Tudela (gestorben um 1175), Verfasser eines Itinerariums ("Massaot"). Ihren Höhepunkt erreicht die j. L. in Moses ben Maimon (gest. 1204, s. Maimonides). Der Kampf zwischen dem an der Halacha festhaltenden Glauben und der freiern philosophischen Richtung kam zuerst in der Provence, wo sich gegen das bedeutende Werk der jüdischen Religionsphilosophie des Maimonides, "Moreh hanebuchim" ("Führer der Verirrten"), Widerspruch erhob, zum Ausbruch. Es entspann sich ein heftiger Gelehrtenstreit, der zu einem größern Kampf gegen die Philosophie überhaupt Veranlassung gab, und in welchen hinein später auch die Kabbala (s. d.) spielte. Unter dem Druck der Almohaden ging das geistige Leben in Südspanien zurück, während von Kastilien und Katalonien aus ein reger litterarischer Verkehr mit der Provence unterhalten wurde. In Narbonne hatte schon im 10. Jahrh. Machir aus Babylonien eine talmudische Akademie gegründet, an welcher um 1140 Abraham ben Isak, Verfasser des "Eschkol", lehrte, während in Lunel Meschullam, Jonathan Hakohen (ca. 1200), Serachja ben Isak Halevi (gest. 1185), Verfasser des "Maor", die Übersetzerfamilie Tibbon, Abraham ben Natan, Verfasser des Ritualwerkes "Manhig", in Marseille Isak ben Abba Mari, der über talmudisches Recht schrieb ("Ittur"), und in Narbonne die Familie Kimchi (s. d.), welche sich vorwiegend der Grammatik, Lexikographie und Exegese zuwandte, wirkten.

David Kimchi nahm noch im hohen Alter für Maimonides, wie später Abraham ben Chisdai aus Barcelona, der Dichter von "Ben hamelech we hanasir" ("Prinz und Derwisch"), gegen dessen Gegner, den Talmudisten und Masoreten Meir ben Todros Halevi Abulasia aus Toledo und den Arzt Juda ibn Alfakar, Salomo ben Abraham aus Montpellier, David ben Saul und Jona aus Gerona, eifrig Partei. Dieser ernsten Zeit fehlte es nicht an Gelehrten, welche in satirischer Dichtung der Mitwelt einen Spiegel vorhielten: Juda ibn Sabbatai dichtete einen "Wettstreit zwischen Weisheit und Reichtum", Joseph ibn Sahara "Das Buch der Tändeleien" ("Sefer schaaschuim"), Juda ben Salomo Charisi (Alcharisi) das witzsprudelnde "Tachkemoni". In dem Kampf um die Philosophie nahm Moses ben Nachman (s. Nachmanides), der geistvolle Bibelerklärer und Talmudist, einen vermittelnden Standpunkt ein. Sein Schüler Salomo ben Abraham ben Aderet (geboren um 1235) in Barcelona erfreute sich hohen Ansehens als rabbinische Autorität. Die in seinem Buch über die Ritualgesetze ("Torat habajit") ausgesprochenen Ansichten versuchte Ahron Halevi, vielleicht Verfasser von "Sefer hachinnuch", in seinem "Bedek habajit" zu widerlegen. Mehr oder minder beteiligten sich in dem Kampf zwischen Glauben und Philosophie: Jakob Anatoli aus der Provence ("Malmad hatalmidim"), der Arzt und Philosoph Jakob ben Machir, Menachem ben Jakob Meiri oder Vidal Salomo (Kommentare zu Talmudtraktaten und zu den Sprüchen Salomos) in Perpignan, Levi ben Abraham aus Villefranche, Isak Albalag, Schemtob ben Joseph Falaquera, Abba Mari ben Moses ben Joseph Hajarchi, d. h. aus Lunel ("Minchat kenaot"), Jedaja ben Abraham Bedarschi, d. h. aus Béziers, Verfasser des "Bechinat Olam", Eftori Haparchi ("Kaftor wapherach") und Ahron Kohen aus Lunel, dessen Ritualwerk "Orchot chajim" in seiner Überarbeitung als "Kol bo" weit verbreitet ist. Um 1300 stellte Isak Aboab in seinem "Menorot hamaor" Haggadas zum Zweck der Erbauung zusammen, schrieb ein Ritualwerk u. a. Wissenschaftlicher Streit zerstört nicht, sondern baut auf, und so rief die durch Maimonides' Schriften erregte Bewegung von neuem die Kräfte wach. Der aus Deutschland eingewanderte wissensreiche Oberrabbiner von Toledo, Ascher ben Jechiel, Rosch genannt (1306-27 blühend), faßte ein Kompendium zum Talmud ("Ascheri") ab, regte Isak Israeli (1300) an, Geometrie und Kalenderwesen zu bearbeiten, und sah den Samen seiner Lehre bei Söhnen und Enkeln reifen, beteiligte sich aber als Feind der Philosophie nicht am Kampf. Aschers Sohn Jakob kodifizierte in "Arba Turim" das gesamte Rechtsgebiet der Israeliten, ein Enkel, Meir Aldabi aus Toledo, stellte "Schebile Emuna", eine Encyklopädie des Wissenswertesten aus Theologie, Astronomie und Medizin, zusammen. Freund und Verteidiger der Philosophie war Gerson ben Salomos (schrieb "Schaar haschamajim" über Naturgeschichte) Sohn Levi ben Gerson Gersonides, Ralbag genannt, was sein "Milchamot adonai" und seine Bibelkommentare bezeugen. Moses Narboni und Joseph Kaspi wollten im Sinn Levis wirken, gelangten aber zu keiner größern Bedeutung. Der Provençale Jerucham ben