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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kaffern

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Kaffern.

gemein nimmt man an, daß die K. in das Gebiet, welches sie jetzt innehaben, von N. eingewandert sind. Gegenwärtig kann man für die vielen Kaffernstämme fünf größere Abteilungen annehmen: die Amatonga, Amaswazi, Amazulu, Amaponda und Amakosa. Die Stämme der östlichen Gruppe werden nach ihren Repräsentanten gewöhnlich als Amazulu und Amakosa oder als eigentliche K. bezeichnet, jene der mittlern als Betschuanen und die westlichen als Herero oder Dama. Die Amaswazi stehen ihrer Geschichte nach im gleichen Rang mit den Zulu und Kosa, sind aber gegenwärtig viel geringer an Macht und Ansehen, und das Gleiche gilt von den Amaponda und andern Stämmen. Die Namen der Stämme werden gebildet durch die Vorsetzung der Silbe Ma (z. B. Ma-tebele) oder durch das Doppelpräfix Ama (Ama-Kosa, Ama-Zulu, "Leute des Kosa, des Zulu"). Die K., wie alle Bantustämme, haben eine dunkle, schwärzlich pigmentierte Haut und wolliges Haar, dessen Länge und Beschaffenheit sehr wechselt, aber niemals schlicht oder straff ist. Die ebenfalls sehr veränderliche Hautfarbe geht durch die verschiedensten Abstufungen vom tiefen Sepia bis zum Blauschwarz, wie man aus den von Fritsch ("Die Eingebornen Südafrikas") mitgeteilten Farbenproben sehen kann. Fahle, matte und rötliche Pigmentierungen kommen häufig vor, sind aber als abnorm zu bezeichnen. Der Körper ist meist kräftig und schön entwickelt, der Schädelbau dolichokephal und hoch, die Gesichtsbildung bei reiner Rasse selten der europäischen gleichend. F. Müller ist der Ansicht, daß, da physischer Typus und Sprache vielfach an Hamitisches und Semitisches erinnern, in unvordenklicher Zeit eine Mischung der Urnegerrasse mit hamitischen Stämmen stattgefunden haben müsse. Der Charakter der K. gilt im allgemeinen für viel weniger empfehlenswert als der der stammverwandten Betschuanen, indem besonders die Männer träge, rachsüchtig, verräterisch und grausam gegen ihre Feinde sind. Gleichzeitig sind sie jedoch mit vielem Scharfsinn begabt, mutig, tapfer und ausdauernd. Eine wollene Decke oder ein Karoß oder Fellmantel, den sie über den Rücken hängen, ist meist die einzige Bekleidung der K. Auch die Frauen und Mädchen tragen eine braune, oben eingeschlagene Decke rings um den Leib, die Brüste verhüllen sie mit einem Gehänge weißer und schwarzer Perlen. Schultern und Arme sind frei und bloß. Sie haben für die Hütte und Nahrungsmittel zu sorgen und nehmen eine höchst untergeordnete Stellung ein. Vielweiberei ist sehr verbreitet; auch die Beschneidung ist bei den K. eingeführt. Alle K. leben meist von Milch und Hirse oder Durra und essen Fleisch nur, wenn sie Vieh erbeuten. Ihre bienenkorbartigen, kleinen Häuser, die mit Lehm überschmiert werden, bauen sie meist in einem Kreis, der dann Kral (Dorf) heißt. Der unter dem Kral ausgehöhlte Grund dient als Vorratskammer. Ihr Reichtum besteht in Rindern. Die Sprache der K., welche den südöstlichsten Zweig des Bantusprachstamms repräsentiert, zerfällt in das Kafir im engern Sinn und das Zulu, die Sprache der Zulukaffern. Vgl. Appleyard, The Kafir language (King Williams' Town 1850); Grant Lewis, A grammar of the Zulu language (Natal 1859); Dohne, A Zulu-Kafir dictionary (Kapst. 1857).

Die von den Europäern noch unabhängigen eigentlichen K., deren Zahl allerdings immer geringer wird, leben unter erblichen Häuptlingen, Inkose genannt, die mit mehr oder weniger absoluter Gewalt über ihren Stamm regieren, jedoch ihrerseits unter dem Einfluß der Amapahati oder hohen Räte stehen. Letztere, gewissermaßen die Vorstände der einzelnen Gemeinden (Krale), werden namentlich zur Beratung über Krieg und Frieden zusammenberufen. Bei den südlichen K. sind mannshohe, aus Ochsenhäuten gemachte Schilde, Keulen (Kirri) und leichte Wurfspieße (Assagaie) im Kampf gebräuchlich, nicht aber Bogen und Pfeile. Sie fechten deshalb zerstreut, während die Zulu sich kurzer Speere zum Stoß bedienen und in geschlossenen Heerhaufen angreifen. Diese haben denn auch durch ihre Kriegszucht ihre Herrschaft sehr weit, nordwärts bis zur Delagoabai und südwärts bis in das Gebiet der unkriegerischen Amaponda, ausgebreitet, aber auch das eroberte Land zu einer menschenleeren Wüste gemacht. Die K. glauben an ein höchstes Wesen und an einen bösen Geist, haben aber weder Götzen noch Priester; dagegen sind sie überaus abergläubisch und halten viel auf Zauberer, deren es drei Arten gibt, und deren übelwollender Einfluß oft zu Metzeleien und Greuelthaten aller Art treibt. Die einen sind die Umtakati, die Menschen und Vieh Böses anzuthun verstehen; die andern die Tsanusen oder Doktoren, die nur zur Heilung der Menschen zaubern; die dritten die Bula N'Gatu oder Regenmacher, die als scharfe Beobachter der Natur das Wetter mit ziemlicher Bestimmtheit voraussagen. Mohammedaner gibt es nur wenige in der Nähe des Kap Delgado; die Bekehrung der K. zum Christentum, an der seit einem halben Jahrhundert verschiedene (besonders englische) Missionsanstalten arbeiten, schreitet sehr langsam vor. Der Landbau wird bei den meisten Stämmen der K. von den Weibern betrieben, während der Mann sich allein um die Jagd und die Herde bekümmert. Man baut als Hauptfrucht Kafferkorn, dann Mais und Tabak, der in unglaublichen Mengen konsumiert wird. Die Viehzucht beschränkte sich bisher auf Rindvieh, jetzt besitzen die K. große Herden von Ziegen, Schafen und Pferden. Auffallend ist es aber, daß die K. weder das Meer noch ihre Flüsse befahren. Auch ihre technische Geschicklichkeit steht auf einer sehr niedrigen Stufe der Entwickelung. Die Amaswazi schnitzen in Holz und Elfenbein und verarbeiten, wie auch die Sulu (Zulu), die Eisenerze ihres Landes zu Waffen und Geräten; ausgezeichnet ist ihre auf arabische Einflüsse zurückzuführende Erzgießerei, wozu sie Messing und Kupfer zuerst von den Portugiesen in Goa, dann aus Natal erhielten, und die Amakosa flechten aus Gras vortreffliche wasserdichte Gefäße, Matten, Körbchen etc. Das ganze heute von K. bewohnte Gebiet zerfällt in mehrere politisch getrennte Bestandteile: Britisch-Kaffraria (s. d.), Kaffraria (s. d.), Natal (s. d.), Zululand (s. d.), Swasiland, Transvaal (s. d.), Umzilas Reich, Sofala, Matebele u. a. bis zum Sambesi.

Die ersten Aufschlüsse über die K. gaben uns die Reisenden John Barrow (1796) und Lichtenstein (1805); Campbell (1819) und Smith (1835) bestätigten sie. Das Verhältnis der K. zu der Kapkolonie war bis in die neueste Zeit ein feindseliges, wie noch 1875 der Aufstand Longalibaleles in Natal bewiesen hat. Lord Macartney bestimmte 1798 den Fischfluß zur Grenze des Kaplandes. Als 1817 Lord Somerset einen Häuptling, Gaika, zum Oberkönig aller Kaffernstämme machte, um mit dessen Hilfe das unglückliche Volk zu unterdrücken, erhoben sie sich unter dem Häuptling Makarna und besiegten Gaika, mußten aber bald der Übermacht der Briten weichen. Gaika wandte sich nun gegen die Briten und erregte einen Kampf, der bis an seinen Tod (1829) fortdauerte. Durch Ver-^[folgende Seite]