Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kairo

365

Kairo.

äußerst baufällig. Die Moschee des Sultans Kalaun (1287 erbaut) wird auch Muristân (Hospital) genannt, weil sie mit einem von demselben Sultan erbauten großen Hospital zusammenhängt. Doch ist ein großer Teil des Baues verfallen. Die Moschee Hassanên, zu Ehren von Hassan und Hussen, den beiden Söhnen Alis, des Schwiegersohns des Propheten, benannt, gehört zu den heiligsten Kairos. Am berühmtesten ist die Moschee El Azhar ("die Blühende"), gleichzeitig mit der neuen Hauptstadt unter dem Kalifen Muiz (um 970 n. Chr.) gegründet und von spätern Herrschern vergrößert. Sie enthält eine der ersten Hochschulen des Morgenlandes (mit wertvoller Bibliothek von ca. 25,000 Bänden), die von Tausenden von Schülern aus allen mohammedanischen Ländern besucht wird. Lehrgegenstände sind: Grammatik, Arithmetik, Logik und insbesondere Religions- und Gesetzeswissenschaften; der Unterricht wird unentgeltlich von 200 Professoren erteilt. Besondere Stiftungen bestehen für unbemittelte Studenten, deren es an 8000 gibt, und ein Teil des Gebäudes ist zur Aufnahme von 300 Blinden eingerichtet. Unter den übrigen Moscheen nennen wir noch El Môjed (1412-21 vom gleichnamigen Sultan erbaut), eine der schönsten der Stadt, und die in malerischen Ruinen liegende Hâkim-Moschee (erbaut 1003 vom Gründer der Drusensekte, Sultan Hâkim). Sehenswert sind die außerhalb der Stadt gelegenen kleinen Grabmoscheen auf den Friedhöfen, die als Muster arabischer Architektur gelten können. Die Gräber der tscherkessischen Mameluckensultane (irrigerweise Kalifengräber genannt) liegen im O. der Stadt. Die erste dieser Grabmoscheen, El Aschraf, wird gegenwärtig als Pulvermagazin benutzt; ihr zunächst steht die des Sultans Barkuk, des Gründers der zweiten Mameluckendynastie (1382), ein stattlicher Bau mit zwei schönen Minarets und zwei Kuppeln; weiter südlich die Moschee Kait Bei, das Grabmal des 19. Tscherkessensultans Abel Nusr Kait Bei (1496), ein wahres Kleinod, in dem der Geist der arabischen Kunst zum vollen Ausdruck gelangt. Ein zweiter Friedhof liegt im S. der Stadt und enthält die malerischen Ruinen der sogen. Mameluckengräber, kleiner Moscheen, die den eben erwähnten in architektonischer Beziehung kaum nachstanden. Noch weiter südlich liegt die Grabmoschee der Familie Mehemed Alis, ein im türkischen Stil gehaltener Bau.

Von den alten Mauern, welche Saladin zum Ersatz für die frühern Erdwälle um die Stadt ziehen ließ, ist nur ein kleiner Teil an der Nordseite erhalten, wo auch noch zwei schöne Stadtthore, Bab el Futûch und Bab en Nasr, vorhanden sind. Von den übrigen Thoren ist noch das Bab Zulieh bei der Moschee El Môjed mitten in der Stadt vorhanden, während es zu Saladins Zeiten das südlichste Thor war. Hier wurde 1518 der letzte Mameluckensultan geköpft. Die Paläste Kairos sind Werke der jüngsten Zeit und meist unter europäischem Einfluß entstanden. Das vizekönigliche Palais liegt in der Citadelle; das schönste Schloß ist das von Gesîreh (erbaut 1863-68), Bulak gegenüber, umgeben von einst prächtigen, jetzt aber verwahrlosten Gärten. Am südlichen Ende von Bulak steht der Palast von Kasr en Nil, und neben demselben befindet sich die neuerbaute, auf steinernen Pfeilern ruhende eiserne Gitterbrücke, welche über den Nil nach der Insel Gesîreh führt. Inmitten der Stadt endlich liegt der Palast Abdin, welchen der Chedive gewöhnlich bewohnt. Nur durch einen schmalen Arm des Nils vom Land getrennt, liegt westlich von K. die Insel Roda, an deren Südspitze der berühmte Nilmesser (Mikyâs) steht. Es ist eine achteckige, mit einer Skala versehene Säule inmitten eines viereckigen Brunnens, errichtet 761 vom Kalifen Sulejmân. Die Skala ist in Ellen zu 54 cm, jede Elle in sechs Teile zu 9 cm geteilt; der tiefste Wasserstand, den der Nil für eine günstige Überschwemmung erreichen muß, beträgt 18 Ellen; übersteigt er 22 Ellen, so wird die Überschwemmung verderblich. - K. besitzt zwei Vorstädte: Bulak und Altkairo. Bulak (s. d.) ist der lebhafte Hafen der Stadt am Nil, berühmt durch sein Museum, eine der reichsten und merkwürdigsten Sammlungen ägyptischer Altertümer. Da die bisherigen Räume für die Schätze nicht ausreichen, so wird auf Gesîreh, gegenüber Bulak, ein neues Museum gebaut. Altkairo (Fostât oder Masr el Atîka) liegt im S. der Stadt, von dieser durch die 2000 m lange steinerne Wasserleitung getrennt, welche 1518 erbaut wurde und die Citadelle mit Nilwasser versieht. Es steht auf der Stelle des ägyptischen Babylon, jener Stadt, welche von Ramses II. (1400 v. Chr.) assyrischen Gefangenen zum Wohnsitz angewiesen wurde. Sehenswert sind die Überreste des römischen Kastells, die koptische Kirche Abû Serge, welche der heiligen Familie bei der Flucht nach Ägypten als Zufluchtsstätte gedient haben soll, und die bereits 643 n. Chr. erbaute Amru-Moschee, an der Stelle gelegen, wo der Eroberer Amru sein Zelt bei der Belagerung Altkairos aufgeschlagen haben soll, und die, einer alten Sage nach, mit dem Bestand des Islam verknüpft ist.

K. zählt (1882) 374,838 Einw., darunter 21,650 Fremde (besonders im Winter), die hier zur Kur weilen, denn K. ist ein klimatischer Kurort ersten Ranges für Brustkranke. Es ist Residenz des Chedive, Sitz der Ministerien, obersten Behörden sowie aller für den Wirkungskreis der Zentralgewalt nötigen Ämter und untersteht einem eignen Generalgouverneur. Konsulate (zugleich als Postämter für das Ausland) vertreten die fremden Mächte. Den Bedürfnissen seiner gemischten Bevölkerung entsprechend, besitzt K. mohammedanische und europäische Schulen, darunter solche französischer, amerikanischer und englischer Missionäre und französischer Frauenorden. Unter dem Chedive Ismail Pascha wurden eine Rechtsakademie, ein ägyptologisches Institut, eine nach europäischer Weise eingerichtete Bibliothek (1870), Schulen für Medizin, Pharmazie, Rechts- und Ingenieurwissenschaft sowie neuerdings (1875) eine Geographische Gesellschaft gegründet. Hospitäler für Mohammedaner und Christen, Armenversorgungsanstalten, Gotteshäuser für alle Konfessionen, Bankinstitute, europäische Vereine und Klubs, ein Opernhaus, verschiedene Theater, meist unter französischer Leitung, sind ausreichend für die Bedürfnisse der Eingebornen wie der Fremden. Eisenbahnverbindung findet statt mit Alexandria, Suez und nilaufwärts mit Siut.

K. ist hervorgegangen aus Altkairo oder Fostât, welches 640 n. Chr. von Amru, dem Eroberer Ägyptens, gegründet wurde, der rings um sein bei der Belagerung von Babylon (s. oben) benutztes Zelt den neuen Ort entstehen ließ, zu welchem das benachbarte Memphis das beste Baumaterial lieferte. 969 gründete Gauhar el Kaid, der Feldherr des Fatimiden Moez Eddin, nördlich von Fostât eine neue Stadt, in welcher der Kalif später sein Lager aufschlug. Sie wurde Masr el Kahira ("siegreiche Hauptstadt") genannt, weil, wie Moez Eddin schrieb, "der Augenblick der Gründung zusammenfiel mit dem Aufgang des Mars, des Bezwingers der Welt". 1176 baute der große Saladin die Citadelle, vergrößerte K. und umgab es mit teilweise noch erhaltenen Mauern. Seine