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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kanäle

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Kanäle (Technik des Kanalbaues).

besser entsprachen. Seit 1830 sind überhaupt erhebliche Kanalbauten nur insoweit noch unternommen worden, als in Newcastle am Clyde und für andre Häfen Wasserverbindungen zur Aufnahme von Seeschiffen hergerichtet wurden.

In Amerika hat Witt Clinton 1817-25 den Eriekanal als ein angestauntes Werk ausgeführt, dem New York seine Blüte und die schnelle Überflügelung Philadelphias verdankte. Seitdem entstand rasch ein ausgebreitetes Kanalnetz, welches alle größern Stromgebiete der Vereinigten Staaten mit der atlantischen Küste und der Region der Kanadischen Seen verbindet. Viele dieser K. sind indes gleichfalls nur auf das notdürftigste und mit so mangelhafter Ausrüstung hergestellt worden, daß sie der Konkurrenz der Eisenbahnen unterlagen. Immerhin bestehen noch viele K., namentlich die, welche die reichen Kohlenfelder, Bergwerke und Wälder mit den Handelsplätzen an der Küste verbinden, in früherer Blüte fort und ergeben auch heute noch, ungeachtet der Konkurrenz der Eisenbahnen, eine gute Rente.

In Deutschland war der erste Kanal derjenige, welcher die Elbe mit der Ostsee durch die Trave verband. Verhältnismäßig am meisten ist für K. in der Mark Brandenburg geschehen. Der Finowkanal (s. Finow) und der Müllroser Kanal, an denen das 17. und 18. Jahrh. gearbeitet haben, verbinden das Stromgebiet der Elbe mit dem der Oder, aber in einer für die heutigen Anforderungen des Verkehrs ungenügenden Weise. Der Bromberger Kanal (s. Bromberg) setzt wiederum das Stromgebiet der Oder mit demjenigen der Weichsel in Verbindung. Was sonst bis Anfang dieses Jahrhunderts von Kanälen bestand, war von rein lokaler Bedeutung, wie der Stecknitzkanal, die Verbindung des Pregels mit dem Kurischen Haff und der Gilge etc. Napoleon faßte zur Zeit seiner Weltherrschaft den Gedanken, ein umfassendes Kanalnetz anzulegen, das sich von der Maas bis zur Ostsee erstrecken sollte. Er kam aber nicht über die Vorarbeiten zum Rhein-Maaskanal (sogen. Nordkanal) hinaus. Als im zweiten Viertel dieses Jahrhunderts das Eisenbahnwesen sich zu hoher Bedeutung entwickelte, gab man sich wie in andern Ländern, so auch in Deutschland vielfach dem Glauben hin, daß die Zeit der K. vorüber sei. Es kam nur ein bedeutendes Unternehmen zu stande, der Donau-Mainkanal, auch Ludwigskanal (s. d.) genannt, von Bamberg nach Kelheim, dessen praktische Bedeutung indessen wegen seines geringen Tiefganges hinter den daran geknüpften Erwartungen zurückblieb. Von weniger umfangreichen Unternehmungen, die im Lauf des Jahrhunderts zu stande kamen, nennen wir zwei, den Schiffahrtskanal bei Berlin, welcher der Handelsbedeutung dieses Platzes in erheblicher Weise zu gute kam, und den Elbing-Oberländischen Kanal (s. d.), der mehreren Binnenseen Abfluß schafft und durch die Anwendung des neuen, zukunftsreichen Konstruktionsprinzips der schiefen Ebene für die Überwindung von Niveau-Unterschieden (als Ersatz für die Schleusen) die Aufmerksamkeit der Techniker verdient. Wenn Deutschland in der Ausbreitung des Kanalnetzes noch hinter andern Staaten, namentlich Frankreich und England, zurücksteht und erst jetzt im Begriff ist, den durch die Periode des Aufschwungs der Eisenbahnen unterbrochenen Ausbau der K. fortzusetzen, so ist dieser Rückstand im Interesse einer gesunden Entwickelung der deutschen Binnenschiffahrt nicht zu bedauern, weil man, die Erfahrungen in andern Ländern benutzend und die durch die Eisenbahnen geschaffene Veränderung der Verkehrsverhältnisse berücksichtigend, jetzt die Vervollständigung des Kanalnetzes in weit vorteilhafterer Weise zur Ausführung zu bringen vermag, als dies noch vor wenigen Jahrzehnten möglich war. Das Interesse für den Kanalbau ist daher in Deutschland in rascher Zunahme begriffen. 1868 bildete sich der Zentralverein für Hebung der deutschen Fluß- und Kanalschiffahrt mit dem Sitz in Berlin, welcher für die Aufklärung über den Nutzen der weitern Herstellung künstlicher Wasserwege erfolgreich gewirkt hat. Eine umfassendere Thätigkeit zur Wiederaufnahme des Kanalbaues ist 1886 durch ein Reichsgesetz, betreffend die Herstellung des Nord Ostseekanals (s. d.) zur direkten Verbindung des Kieler Kriegshafens mit der westholsteinischen Küste, sowie durch ein preußisches Gesetz vom 9. Juli 1886 eingeleitet worden, welches die schon im J. 1883 ohne Erfolg vorgeschlagene Anlage eines Kanals von Dortmund nach den Emshäfen unter zweckmäßiger Erweiterung des Projekts und zugleich den dem Verkehrsbedürfnis entsprechenden Ausbau der Wasserstraße von der mittlern Oder nach Berlin anordnet. Diese Kanalanlagen bilden einen Teil des geplanten umfassenden Kanalnetzes zur Verbindung der deutschen Ströme, auf dessen Projekt im nachstehenden noch näher eingegangen ist, und den Beginn zur Ausführung dieses Projekts.

Auch im internationalen Verkehr bricht sich die Erkenntnis von der wirtschaftlichen Bedeutung der K., deren Überlegenheit über die Eisenbahnen für den Transport von minderwertigen Massengütern und der Zweckmäßigkeit einer erneuten Aufnahme des Kanalbaues Bahn. 1885 tagte in Brüssel ein erster internationaler Kongreß für Binnenschiffahrt, dessen Arbeiten durch eine von demselben ernannte internationale Kommission fortgesetzt werden.

Technik des Kanalbaues.

Bei Anlage von Kanälen handelt es sich zunächst um die Feststellung ihrer Situation und ihres Längenprofils sowie ihres Querprofils auf Grund sorgfältiger Vermessungen, Nivellements und Bodenuntersuchungen. Den Eingang des Kanals (Kanalmund) legt man an einem Punkt an, wo die Strombahn des Flusses, dessen Wasser man benutzen will, nahe am Ufer liegt, während das Ende oder der Ausfluß so angelegt wird, daß die Strombahn des Flusses, in den man einmündet, thunlichst wenig Veränderung erleidet, also unter möglichst spitzem Winkel stromabwärts. Was den Kanalbau betrifft, so richtet man den Lauf desselben (Kanalzug) so ein, daß der erforderliche Erdabtrag und der nötige Erdauftrag sich möglichst ausgleichen, und daß der Querschnitt des Kanals (Kanalgröße) möglichst unverändert bleibt. Der Kanalzug muß bisweilen, um das Gefälle zu vermindern, so gekrümmt werden, daß das Wasser nicht zu schnell abfließt und dann fehlt; auch empfiehlt es sich, einen Kanal wegen des bei starkem Wind leicht entstehenden schädlichen Wellenschlags nicht über 300 m ganz gerade zu führen. Bei Krümmungen des Kanals, welche von der Breite und Länge der ihn befahrenden Schiffe abhängen, soll dessen Krümmungsradius nicht unter 40 m angenommen werden. Die Breite der Kanalsohle beträgt bei geböschten Ufern etwa 1-1,25 m, bei gemauerten Seitenwänden etwa 2-2,5 m über zwei Schiffsbreiten von 4-14 m. Die Tiefe des Wassers muß den Tiefgang beladener Schiffe um 0,3-0,5 m übertreffen, also zwischen 1,5 und 2,5 m betragen. Das Gefälle muß stets so stark sein, daß der Kanal sich selbst reinigt; bei zu viel Gefälle gibt man dem Kanalbett eine Ausweitung