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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Karthago

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Karthago (Geschichte).

sie über die Oasen Augila und Ammonion (Siwah) gehen mochten. Außerdem bezogen sie von den Garamanten, den Bewohnern des heutigen Fezzan, Negersklaven und Edelsteine; wahrscheinlich gelangten sie dahin auf der Straße, die noch heute von Tripolis nach Fezzan führt.

Die Religion der Karthager war im wesentlichen die phönikische, welche selbst wieder mit den Religionen Asiens, besonders Vorderasiens, eng zusammenhängt. Als die Hauptgottheiten werden Baal, Moloch, Melkarth und die Göttin Astarte genannt; die beiden ersten führen bei den Griechen den Namen Kronos, Melkarth ist der griechische Herakles (Herkules), Astarte die griechische Aphrodite (Venus). Baal und Melkarth erscheinen beide meist als Sonnengott, Moloch als Feuergott, Astarte als die Mondgottheit, und die Religion der Karthager gibt sich hierdurch als Natur- und überwiegend als Sternreligion zu erkennen, obwohl hiermit das (bei unsern spärlichen Nachrichten schwer zu erkennende) Wesen derselben keineswegs erschöpft ist. Von dem Kultus ist nur der in ähnlicher Weise auch anderwärts vorkommende Gebrauch zu bemerken, dem Moloch (statt dessen aber auch oft Baal genannt wird) Menschenopfer darzubringen. Es war üblich, jedes Jahr ein Kind und zwar das einzige Kind vornehmer Eltern in die Arme des ehernen, über einem glühenden Ofen stehenden Standbildes des Gottes zu legen, von wo es in den Ofen herabglitt. Außerdem geschah dies auch noch bei besondern Gelegenheiten, oft mit einer großen Menge von Kindern, wie denn z. B., als K. durch Agathokles schwer bedroht war, deren 200 geopfert wurden. - Über die Litteratur ist nichts Näheres bekannt. Es wird indes berichtet, daß bei der Zerstörung der Stadt mehrere Bibliotheken vorgefunden wurden, welche die Römer, mit Ausnahme des Werkes eines Mago über den Ackerbau, verschenkten; dieses letztere eigneten sie sich an, und es wurde von D. Silanus ins Lateinische übersetzt. Ferner ist zu bemerken, daß von einem Reisebericht (Periplus) Hannos, welcher eine Entdeckungsreise an der Westküste von Afrika machte, noch eine griechische Bearbeitung erhalten ist. Die Sprache der Karthager war die phönikische.

Geschichte.

Wir kennen die Geschichte Karthagos nur aus fremden Schriftstellern und zwar solchen, die nicht zur Blütezeit des Staats gelebt haben. Nach der Sage gründete Dido (s. d.) oder Elissa, eine tyrische Königstochter, die Stadt und zwar nach Angabe der meisten alten Schriftsteller 814 (vielleicht auch 846) v. Chr. Als von den Phönikern abstammend, hießen die Bewohner der neuen Stadt Pönier oder Punier, und immer herrschte zwischen ihnen und den Tyriern ein Gefühl der Verwandtschaft. Die Karthager entrichteten anfangs an die Libyer, von denen sie die Erlaubnis zur Niederlassung erkauft hatten, einen Tribut und traten mit den Eingebornen bald in lebhaften Verkehr, infolge dessen sich viele der letztern in K. niederließen, welchem Beispiel auch benachbarte phönikische Kolonisten, durch Karthagos günstige Lage angelockt, gefolgt sein mögen. Bald fühlten sich aber die Karthager stark genug, nicht nur den Libyern den Tribut zu verweigern, sondern sich dieselben durch Bekriegung auch dienstbar zu machen. So wurde das Gebiet Karthagos südlich bis an den Tritonsee, die Grenzmarke zwischen dem fruchtbaren Land und der Wüste, östlich bis zum Turris Euprantus und bis zu den Arae Philaenorum ausgedehnt, während es sich im W. bis in die Gegend von Hippo Regius (Bona), der Residenz der numidischen Könige, erstreckte. Die bis an den Tritonsee und bis an die numidische Grenze wohnenden Libyer oder Libyphöniker waren Unterthanen der Karthager, mit Ausnahme der altphönikischen Städte Utica, Groß-Leptis, Hadrumetum, Klein-Leptis, Hippo Zarytos, welche in einem (jedoch meist untergeordneten) Bundesgenossenverhältnis zu K. standen; das weiter östlich gelegene Land war von nomadischen Völkerschaften bewohnt, weshalb daselbst keine feste Herrschaft der Karthager begründet werden konnte. Von diesem ihrem Gebiet aus breiteten sie ihren Handel und ihre Herrschaft immer weiter aus. So war die Küste von Numidien und Mauretanien bis zu den Säulen des Herakles (nach den Nachrichten der Alten) mit ihren Kolonien besetzt, desgleichen die Westküste von Spanien; insbesondere aber war ihr Augenmerk schon sehr früh auf Sizilien und Sardinien gerichtet. Es wird berichtet, daß zwischen 600 und 550 bereits ein Malchus und nach ihm, zwischen 550 und 500, Mago und seine Söhne und Enkel auf diesen Inseln Eroberungen gemacht hätten. Außerdem wird aus dieser frühsten Zeit noch einer Seeschlacht gedacht, welche die Karthager in Verbindung mit den Etruskern 544 den Phokäern lieferten, die sich auf Kyrnos (Corsica) niedergelassen hatten. Ferner berichtet Polybios von einem Handelsvertrag mit Rom, durch welchen die Karthager 509 die Ausschließung der Römer von den fruchtbaren Gegenden südlich vom Schönen Vorgebirge, wo die Hauptemporien der Karthager lagen, bezweckten. Um dieselbe Zeit beschiffte Hanno die westafrikanische Küste und legte Kolonien daselbst an; dasselbe that Himilko an der Westküste Spaniens und Galliens.

Der Kampf um den ausschließlichen Besitz Siziliens nahm zwei Jahrhunderte lang die angestrengteste Thätigkeit des Handelsstaats in Anspruch. Zuerst setzten sich die Karthager auf dem westlichen Teil der Insel fest, bemächtigten sich der phönikischen Niederlassungen zu Motye und Panormos und dehnten sodann, die fortwährenden Streitigkeiten unter den griechischen Städten ausbeutend, ihre Herrschaft weiter nach Osten aus. Nach Herodot rief der durch Theron von Agrigent vertriebene Tyrann Terillos von Himera die Karthager zu Hilfe, und diese sollen 480 unter Hamilkars Anführung ein 300,000 Mann starkes Heer nach Sizilien gesandt haben; Theron ward jedoch von Gelon von Syrakus unterstützt, und dieser brachte den Karthagern bei Himera eine völlige Niederlage bei, in der ihr ganzes Heer vernichtet wurde. Von nun an scheinen die Karthager den Krieg um Sizilien eine geraume Zeit ganz aufgegeben zu haben. Erst als die Segestäer, nach dem unglücklichen Ausgang der sizilischen Expedition der Athener von den Selinuntiern hart bedrängt, bei ihnen um Hilfe baten, schickten sie 408 Hannibal, den Enkel des bei Himera gefallenen Hamilkar, wieder mit einem großen Heer nach Sizilien. Dieser eroberte Selinus, Himera, Agrigent (406), Gela (405), wurde aber durch eine Pest, welche in seinem Heer große Verheerungen anrichtete, genötigt, mit Dionysios, dem Tyrannen von Syrakus (406-367), welcher die Verteidigung der griechischen Städte gegen K. übernommen hatte, um sie sich selbst zu unterwerfen, einen Vertrag abzuschließen, durch welchen den Karthagern der Besitz der gemachten Eroberungen zugestanden wurde. Dionysios erneuerte darauf den Krieg dreimal, um den Karthagern ihre Besitzungen auf der Insel zu entreißen. Im ersten Krieg (398-392) drang Himilko, nachdem er die ganze Insel erobert, bis vor Syrakus, welches er hart bedrängte. Da aber sein Heer erst