Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kaulbach

637

Kaulbach.

neuern Kunstgeschichte seit dem Wiederaufblühen der Kunst zu Anfang dieses Jahrhunderts darstellen. K. gab nach seiner reflektierenden Art diesen Darstellungen, in denen er selbst mitspielt, eine von seinen Schöpfungen fast unzertrennliche Beimischung von Satire, welche bei Cornelius, Schnorr u. a. große Mißstimmung erregte. Der Fehler Kaulbachs lag darin, daß er Stoffe, die für den Holzschnitt oder kleine Staffeleibilder geeignet waren, in monumentalem Maßstab ausführte. 1847 ging K. nach Berlin, um die Ausmalung des Treppenhauses im Neuen Museum zu Berlin zu beginnen. Der umfangreiche, in stereochromischer Manier ausgeführte Bildercyklus besteht aus sechs großen kulturgeschichtlichen Darstellungen, einer vierfachen Reihe von Zwischen- und Nebenbildern und einem das Ganze krönenden Fries, einer arabeskenartig verschlungenen Zusammenstellung von Kinder- und Tierfiguren, worin der Künstler das Streben und Ringen des menschlichen Geistes, welches sich in jenen großen historischen Thatsachen manifestiert, in humoristisch-satirischer Weise abspiegelt. Die sechs großen Bilder stellen die Zerstörung des babylonischen Turms, die Blüte Griechenlands, die Zerstörung Jerusalems, die Hunnenschlacht (diese beiden nur Wiederholungen früherer Kompositionen), das Zeitalter der Kreuzzüge und die Epoche der Reformation dar. Die Zwischen- und Nebenbilder stellen dar: 1) Isis, Venus, Italien und Deutschland; 2) Moses, Solon, Karl d. Gr. und Friedrich d. Gr.; 3) Sage, Geschichte, Poesie und Wissenschaft; 4) Architektur, Plastik, Malerei und graphische Kunst. Wie groß auch der Aufwand an Gedanken und Darstellungskraft ist, der sich in diesen Kompositionen offenbart, so fehlt es dem ganzen Cyklus doch einerseits an einem logischen Zusammenhang; anderseits eignet sich diese Art geschichtsphilosophischer Symbolik überhaupt wenig für malerische Darstellung. 1859 entstand sein Wandgemälde im Germanischen Museum zu Nürnberg, Kaiser Otto III. in der Gruft Karls d. Gr. Außerdem schuf K. viele Porträte in ganzer und halber Figur in Öl sowie Kreide- und Kohlezeichnungen, ferner kleinere Illustrationen. Desgleichen komponierte er eine Reihe von Illustrationen zu Shakespeare und Goethe, welche unter dem Titel: "Shakespeare-Galerie" und "Goethe-Galerie" als Kupferstichwerke erschienen; sie geben jedoch trotz mancher feinen Züge die Charaktere der beiden großen Dichter in sehr oberflächlicher Weise wieder und lassen ein tieferes Verständnis der Originale vermissen. An sie schlossen sich ähnliche Illustrationen zu Schillers Dramen und zu Rich. Wagners Tondichtungen für König Ludwig II. von Bayern. Aus dieser Zeit stammt auch eine große Kohlezeichnung, die Ermordung Cäsars, gleich ausgezeichnet durch Abrundung der Komposition wie Schärfe der Individualisierung. Dieser folgte das Gemälde für das Maximilianeum in München, die Schlacht bei Salamis, welches nach Inhalt und Form nur eine schwache, phrasenhafte Nachahmung früherer Kompositionen und auch nicht frei von Spekulation auf Sinnenreiz ist. Gleichwertig ist die Komposition des Nero mit seinem Hofstaat, in welcher K. den Gedanken des moralischen Siegs des Christentums, der neuen über die alte Welt, zum Ausdruck brachte. Nebenbei zeichnete K. vier Blätter zu einem Totentanzcyklus und 1869 sein liebliches Tandaradei nach Walther von der Vogelweide. Damals machte K. seiner Erbitterung über die Heiligsprechung des Ketzerrichters Arbues in einer mit Kohle an die Wand seines Ateliers gezeichneten Komposition Luft, die er später in Öl auf die Leinwand übertragen ließ, wobei er jedoch nicht über die Karikatur hinauskam. Auch sein heiliger deutscher Michel erhob sich nicht über den Wert flüchtiger Tendenzmalerei: Er starb 7. April 1874 in München an der Cholera, nachdem er seit 1847 an der Spitze der dortigen Akademie gestanden. Ein im J. 1875 in München eröffnetes K.-Museum hat aus Mangel an Teilnahme des Publikums nur bis 1885 bestanden.

2) Friedrich, Maler, Neffe des vorigen, geb. 1822 zu Arolsen, kam mit 17 Jahren in dessen Atelier zu München, wo er sechs Jahre lang arbeitete. Sodann besuchte er Italien und kehrte von da nach München zurück, um selbständig seine Laufbahn zu beginnen. Mehrere Porträte und einige Historienbilder, darunter: Adam und Eva finden ihren Sohn Abel erschlagen, begründeten seinen Ruf. Er erhielt den Auftrag, für das Maximilianeum die Krönung Karls d. Gr. zu malen, vollendete dieses Bild jedoch erst in Hannover, wohin er berufen worden war, um Porträte der Königsfamilie zu malen. Zum Hofmaler ernannt, wurde er der bevorzugte Porträtist der dortigen Aristokratie. Seine zahlreichen Bildnisse, unter denen noch die der Kaiserin von Österreich, des deutschen Kronprinzen, des Prinzen Albrecht, des Grafen und der Gräfin Stolberg hervorzuheben sind, zeichnen sich durch vornehme Auffassung aus. Doch leiden sie an oberflächlicher Eleganz und flauer Farbe. Am besten gelingen ihm Damenporträte. Von der Berliner Kunstakademie erhielt K. die kleine goldene Medaille und wurde zum ordentlichen Mitglied derselben ernannt; auf der Wiener Weltausstellung 1873 wurde er durch die Medaille ausgezeichnet.

3) Friedrich August von, Sohn des vorigen, Maler, geb. 2. Juni 1850 zu Hannover, widmete sich in München unter Diez der Genre- und Porträtmalerei und erzielte schon mit seinen ersten Genrebildern, welche, durch feine Empfindung ausgezeichnet, zugleich dem Geschmack des Publikums entgegenkamen, große Erfolge. Er benutzte die neuerwachte Freude des Publikums an der deutschen Renaissance und malte anfangs Genrebilder und Portrute in ihrer Art, unter denen: Mutterfreude, die Lautenspielerin, der Spaziergang, ein weibliches Bildnis in altdeutscher Tracht, Träumerei hervorzuheben sind. Später schloß er sich in Porträten und Genrebildern mehr an die Niederländer, besonders an van Dyck, an, wofür der Maitag (1880, Dresdener Galerie) und die Bildnisse seiner Schwester (1884) und der Prinzessin Gisela (1886) Zeugnis ablegen. Seine reiche und vielseitige koloristische Begabung und sein Zeichentalent trugen dazu bei, daß er im September 1886 als Nachfolger Pilotys Direktor der Münchener Kunstakademie wurde. Er besitzt die große goldene Medaille der Berliner Ausstellung.

4) Hermann, Maler, geb. 26. Juli 1846 zu München, Sohn von K. 1), widmete sich anfangs auf der Universität gelehrten Studien, ging dann aber zur Malerei über und wurde Schüler von Karl Piloty. Seine historischen Genrebilder behandeln interessante Stoffe mit malerischem Reiz, der namentlich in der raffinierten Behandlung des Nebensächlichen liegt, während der Hauptinhalt weniger bedeutungsvoll hervortritt. Seine Gemälde gehören meist dem Kostümgenre an. Unter seinen frühern sind hervorzuheben: Ludwig XI. und sein Barbier Olivier le Dain im Gefängnis zu Péronne (1869), Kinderbeichte (1871), eine Kirchenszene (1872), Hänsel und Gretel bei der Hexe, Mozarts letzte Tage (1873), zechende Johanniter (1874), Sebastian Bach bei Friedrich d. Gr. (1875), Voltaire als Paris (1876), der Turm-^[folgende Seite]