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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Keramik

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Keramik (Erfindung des Porzellans, moderne K.).

strand und Marieberg in Schweden, Montelupo, Mailand, Capo di Monte in Italien thaten sich ebenfalls durch ihre Fayencen hervor, während sich in Spanien und Portugal in den Fliesen (azulejos, s. d.) die maurische Tradition lebendig erhielt. Die Auffindung des Kaolins in mehreren Ländern Europas wies aber für lange Zeit aller Fayence eine untergeordnete Stellung an, und die Mehrzahl der Fabriken verschwand, wenn sie nicht in Porzellanfabriken verwandelt wurden.

Die Erfindung des Porzellans.

Die Angaben über das Alter des Porzellans bei den Chinesen sind noch äußerst unsicher; doch scheint es keineswegs so weit zurück zu datieren, wie man früher glaubte, vielleicht nur etwa bis 200 v. Chr. Steingut mit sehr harter, halbdurchsichtiger Glasur in mannigfachen Schattierungen von rötlichem Grau bis Meergrün (Seladon), mit wenigem, oft etwas erhabenem Ornament oder absichtlich mit einem Netz von Haarrissen (craquelé) überzogen, soll mehrere Jahrtausende vor Christo fabriziert worden sein; andre Farben werden als spätere Entdeckungen angesehen. Bestimmte Daten über die chinesische Porzellanfabrikation haben wir aus dem Anfang unsers Jahrtausends, um welche Zeit die Fabrik zu Kingte-tschin gegründet wurde; unter der Ming-Dynastie im 14. Jahrh. nahmen alle Künste in China einen größern Aufschwung, und das 15. ist auch dort die Zeit der höchsten Kunstblüte. (Damals wurde auch der Turm zu Nanking gebaut.) Die Marken aus jenen Zeiten werden aber im Land sehr geschickt gefälscht, und da die Elemente der Dekoration fast unverändert die nämlichen geblieben sind (Gottheiten, heilige Tiere, wie der Drache Mang, der Hund des Fo, der einem Paradiesvogel ähnliche Fong-Hoang, geometrische Kombinationen, naturalistische Blumen etc.), so bleibt als einigermaßen zuverlässiges Kennzeichen nur die farbige Glasur übrig. Die blaue Glasur gilt für die älteste, und zwar erscheint infolge der noch mangelhaften Technik das Blau nicht gleichmäßig tief und glänzend. Die Dekoration der neuern vielfarbigen Gefäße ist fast immer von gesuchter Unregelmäßigkeit, und neben den einheimischen Motiven finden sich solche benachbarter Völkerschaften (s. Tafel, Fig. 14). Nach Japan soll das Porzellan etwa um den Beginn unsrer Zeitrechnung von China aus gekommen sein, ist aber dort zu viel höherer Vollkommenheit in der Bereitung der Masse wie in der Mannigfaltigkeit und Korrektheit der Dekoration mit Emailfarben gebracht worden. Das japanische Eierschalenporzellan übertrifft an Dünne, Transparenz und Glanz jedes andre Fabrikat; die Zeichnungen verraten eine viel reichere und beweglichere Phantasie, als an dem chinesischen Porzellan sich kundgibt. Zu den Eigentümlichkeiten Japans gehören: die Lackmalerei auf Porzellan, das émail cloisonné auf Porzellan, die mit weißer Emailfarbe auf weißen Grund gemalten Blumen, das elfenbeinfarbige Satsuma-Steingut (s. Tafel, Fig. 15) u. a. Auch in Indien und Persien wurde das chinesische Porzellan nachgeahmt, jedoch mußte sich dasselbe den speziellen Stilrichtungen jener Länder anbequemen.

Durch die in Holland gegründete Indische Handelsgesellschaft kamen im 17. Jahrh. Massen von Porzellan aus den verschiedenen Ländern Ostasiens nach Europa, und sehr bald fing man in China und Japan an, für den europäischen Markt nach dem Geschmack der Besteller zu arbeiten; gleichzeitig begannen in größerm Umfang die (bereits ein Jahrhundert früher durch Francesco de' Medici in Florenz angestellten) Versuche, Porzellan in Europa zu erzeugen. Gegen Ende des 17. Jahrh. wurde das erste "weiche Porzellan" in St.-Cloud gemacht, 1740 die Fabrik in Vincennes gegründet, welche 1753 königlich wurde und bald darauf nach Sèvres übersiedelte. In allen Ländern warfen sich Fayenciers auf die Herstellung dieses uneigentlichen Porzellans, welchem durch verglasende Stoffe die Transparenz gegeben wurde (Stratford le Bow und Chelsea in England, Capo di Monte bei Neapel etc.). 1706 erfand der Alchimist Joh. Fr. Böttger (s. d.) in Dresden das sogen. rote Porzellan (s. Tafel, Fig. 17), und 1709 entdeckte er im Haarpuder das Kaolin, welches endlich die Fabrikation echten Porzellans ermöglichte, die in Meißen systematisch betrieben wurde und schnell zu höchster Blüte gelangte (vieux saxe, s. Tafel, Fig. 13). Mit welcher Strenge auch das Geheimnis auf der Albrechtsburg zu Meißen gewahrt wurde, so gelang es doch einzelnen Arbeitern, zu entkommen, oder fremden, sich einzuschleichen, und bald hatte jedes Land und jedes Ländchen seine Porzellanfabrik (Nymphenburg seit 1754, Berlin etwa gleichzeitig, Wien 1718, Höchst 1720 etc.). 1765 wurde in Frankreich das erste Kaolinlager entdeckt.

Die moderne Keramik.

Infolge des Aufschwunges des Porzellans wurden Fayence und Steinzeug nur noch zu technischen Zwecken oder als gemeines Surrogat des Porzellans gearbeitet. Reichere Dekoration dieser Materialien erhielt sich nur im bäuerlichen Betrieb. Die Sammelthätigkeit und Antiquitätenliebhaberei, welche im Beginn des Jahrhunderts lediglich der antik römischen, griechischen und ägyptischen Kunst gegolten hatte, fing erst in der romantischen Periode seit 1820 an, sich auch den Erzeugnissen des Mittelalters und der Renaissance zuzuwenden. Man sammelte die italienischen Majoliken, die Waren von Hirschvogel und Palissy und entdeckte allmählich, daß dieselben, trotzdem Scherbe und Glasur technisch so tief unter dem Porzellan stehen, einen künstlerischen Reiz, eine Farbenglut, einen Schmelz und Frische der Zeichnung haben, welche das kühl und elegant gemalte Porzellan nie erlangen kann, ganz abgesehen davon, daß Zeichnung und Modellierung der Glanzzeit edelster Renaissance angehörten. Es begann nun zunächst in Italien ein Betrieb, welcher auf direkte Nachahmung der alten Stücke behufs Fälschung gerichtet war, und dank der Tradition, welche sich in bäuerlichen Kreisen erhalten hatte, erstaunlich Gutes leistete, wovon vieles noch heute in öffentlichen Sammlungen als echte alte Ware steht. Die eigentlich moderne K. in Fayence wurde in den 50er Jahren durch die französische Staatsmanufaktur von Sèvres neben ihrem Porzellanbetrieb ins Leben gerufen; dieselbe überließ jedoch, nachdem die technischen Vorarbeiten gelungen waren, den Betrieb den Privatfabriken, welche solche Fortschritte machten, daß aus der Weltausstellung von 1867 die moderne französische Fayence bereits als künstlerisch gleichberechtigt neben den staatlichen Porzellanmanufakturen dastand. Seitdem hat sich das Verhältnis immer mehr zu gunsten der Fayence verschoben. In der Fayencetechnik fand man die Möglichkeit, das malerische Element zu pflegen und jeden koloristischen Einfall, die geistreiche auf den Scherben geworfene Skizze in leichtschmelzender Glasur festzuhalten. So wendete sich das Interesse der Künstler, der Liebhaber und Sammler, welche ihre in altertümlichem Geschmack gehaltenen Zimmer mit Gerät schmücken wollten, lediglich der Fayence zu. In Frankreich brachte man zunächst