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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kerzen

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Kerzen.

meist aus einer Bleizinnlegierung bestehen und mit einem Trichter zur Erleichterung des Eingießens und einem Steg zur Befestigung des Dochtes, welcher anderseits knapp durch eine Öffnung in der Spitze geht und diese verschließt, versehen sind. Das Fett darf beim Gießen nicht zu heiß sein, sondern muß an der Oberfläche eben zu erstarren beginnen, weil die K. sonst schwer aus der Form herausgehen. Beim Gießen von Stearin- und Paraffinkerzen müssen die Formen im Kasten durch Dampf oder heißes Wasser angewärmt werden. Dies Verfahren ist durch zahlreiche Erfindungen nach allen Seiten hin ausgebildet worden und gestattet jetzt mit Hilfe besonderer Maschinen kontinuierlichen Betrieb. Fig. 2 zeigt eine Gießmaschine für Stearinkerzen. Bei derselben befinden sich 200 Formen in der obern Abteilung ab, und je 20 haben einen gemeinsamen Einguß auf der Platte aa; die untere Abteilung enthält so viele Dochtspulen, als Formen vorhanden sind, und die mittlere Abteilung Röhren, durch welche die Dochte den Formen zugeführt werden. Über den letztern werden die Dochte durch zwei Blechschienen gefaßt, und wenn nun gegossen werden soll, wärmt man die Formen mittels Wasserdampfes welcher durch das Rohr c und die Hähne d zuströmt, an, füllt dann die Stearinsäure ein, bläst zur raschen Abkühlung der Formen durch das weite Rohr h kalte Luft ein und zieht dann die K. aus den Formen, indem man die auf eisernen Schienen laufende Hebevorrichtung über die betreffenden Formen schiebt, die Blechschienen mit der Stange e in Verbindung bringt und durch die Kurbel f hebt. Damit dies um so sicherer geschehe, legt man in den gemeinsamen Einguß eiserne Bügel g ein, welche nach dem Erkalten mit dem Gießkopf entfernt werden. Zunächst aber faßt man nach dem Heben der K. den Docht sofort wieder mit Blechschienen und füllt die Formen von neuem. Die fertigen K. werden bisweilen durch Luft und Licht gebleicht, mit Seife oder Soda gewaschen, dann auf einer besondern Maschine mit einer Kreissäge am untern Ende beschnitten und durch Rollen zwischen Tuch poliert. Im Handel bemißt sich der Wert der Stearinkerzen nach ihrer Härte und Farblosigkeit; österreichische Stearinkerzen sind als Millykerzen (nach dem Begründer der ersten Fabrik benannt) oder Apollokerzen (nach der Wiener Apollogesellschaft benannt) im Handel; K. aus Stearinsäure, die aus Palmöl gewonnen wurde, nennt man Palmwachskerzen. Sehr leicht schmelzbar sind die Kompositkerzen, welche sehr viel Stearin aus Kokosnußöl enthalten. Paraffinkerzen werden wie Stearinkerzen gegossen; doch setzt man, um den Schmelzpunkt des Materials zu erhöhen und das Krummwerden im Leuchter zu vermeiden, 3-15 Proz. Stearinsäure zu. Um die Kristallisation und das Ankleben der K. in den Formen zu verhindern, erwärmt man die Masse auf 60°, die Formen etwa auf 70° und taucht sie nach einigen Minuten in kaltes Wasser. Deutsche Fabriken unterscheiden: Kristallparaffinkerzen, kanneliert und glatt bei 54° schmelzend; Brillantparaffinkerzen, kanneliert bei 52°, glatt bei 49° schmelzend; Naturellkerzen, bei 49° schmelzend. Melanylkerzen bestehen aus einem Gemisch von Stearinsäure mit weichem Paraffin. Zu Trauerkerzen wird Paraffin mit Anacardiumschalen (Elefantenläusen) schwarz gefärbt; sie brennen ohne Dampf und Geruch. Wachskerzen bereitet man auf die einfachste Weise, indem man das Wachs in warmem Wasser erweicht, mit den Händen durchknetet, bis es vollständig gleichmäßig geworden ist, dann Bänder daraus formt und diese um den gespannten Docht wickelt. Nach dem ältesten Verfahren dreht der Arbeiter die über einer Pfanne aufgehängten Dochte mit der linken Hand um sich selbst, während er sie mit der rechten Hand mit geschmolzenem Wachs begießt. Die Temperatur des Wachses darf nur so hoch sein, daß immer noch einige ungeschmolzene Scheiben in demselben schwimmen; nur zum ersten Angießen wird es etwas heißer genommen. Haben die K. eine gewisse Stärke erlangt, so rollt man sie etwas und fährt dann wieder mit dem Angießen fort. Endlich werden die K. auf einer Marmortafel völlig glatt gerollt. Beim Gießen der Wachskerzen werden die Formen nach dem Erstarren des Wachses rasch in heißes Wasser getaucht, um die K. leicht herausziehen zu können. In neuerer Zeit stellt man auch Wachskerzen aus einem Gemisch von Paraffin (aus Ozokerit) und Wachs dar. Zu Wachsstöcken benutzt man Wachs oder eine Mischung aus Wachs und Talg oder Fichtenharz und Terpentin, auch wohl Paraffin und leitet den Docht, der sich an einer großen Trommel ab und auf eine zweite ähnliche Trommel aufwickelt, wiederholt durch die geschmolzene Masse, bis der Wachsstock die gewünschte Stärke erreicht hat. Um ihn vollständig rund zu erhalten, läßt man ihn nach dem Passieren des Wachses zunächst durch ein in einem Blech angebrachtes rundes Loch gehen. Walratkerzen (Spermacetikerzen), die besonders in England und Nordamerika sehr gebräuchlich sind, werden aus gereinigtem Wal-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 2. Gießmaschine für Stearinkerzen.]