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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kette; Ketteler

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Kette - Ketteler.

Aufnahme der Durchsteckbolzen erhalten, die entweder durch Umnieten (Fig. 4) oder auch durch Vorsteckstifte festgehalten werden. Die Lamellen werden gewöhnlich durch große Durchschnitte aus Stäben oder Blech hergestellt. Bei Hakenketten werden die Glieder nicht zusammengeschweißt, sondern nur aus Draht- oder Stangenstücken gebogen und so ineinander gehängt, wie Fig. 3 zeigt. Diese Ketten können deshalb nicht für große Kräfte verwendet werden, gestatten aber ein bequemes und schnelles Ein- und Aushaken. Vielfach fordert die Anwendung der Ketten einen Eingriff der Glieder mit Zähnen oder eigentümlichen Erhöhungen auf dem Umfang von Kettenrollen; in solchen Fällen müssen die Glieder sehr genau passen (kalibrierte Ketten). Die schweren Schiffsketten zum Ersatz der Taue führen auch den Namen Kettentaue. Mitunter, z. B. bei Kettenbrücken, bildet man auch die Glieder aus längern Stangen, deren Enden, zu Ringen gebogen, ineinander gehängt und geschweißt sind. Zu dieser Gattung gehören auch die aus schmalen Blechstreifen zusammengesetzten Ketten (Fig. 6). Die in mannigfaltigen Formen vorkommenden kleinen Ringketten erzeugt man aus ineinander gehängten, aus Draht gebogenen Gliedern, die für bessere Ketten zusammengelötet, oft auch gespalten gelassen werden. Zur fabrikmäßigen Herstellung solcher Glieder wickelt man runden, viereckigen, kordierten etc. Draht um eine runde oder beliebig geformte Stange zu einer Spirale und schneidet diese der Länge nach durch, wodurch die Windungen Ringe abgeben, die vollkommen gleich sind. - Neuerdings sind auch Maschinen für die Kettenfabrikation in Anwendung gekommen, welche insbesondere das Biegen und Zusammenschweißen der einzelnen Glieder auf mechanisch sehr vollkommene Weise vornehmen. Manche Ketten werden zuletzt durch ein Zieheisen mit runden oder viereckigen Löchern gleich Draht gezogen. Von den goldenen Venezianerkettchen sind die feinsten von solcher Feinheit, daß 38 Glieder zusammen nur 1 cm Länge haben, und so leicht, daß 1 m nur 1,4 g wiegt. Schmuckketten aus Blech bestehen aus Blechringen, die mit Drahtringen aneinander gehängt sind. Die Kugelketten bestehen aus hohlen Blechkugeln mit zwei Löchern und aus kurzen Drahtstiften, welch letztere, durch die Löcher zweier benachbarter Kugeln eintretend, innerhalb jeder Kugel ein Köpfchen haben; sie sind sehr fest, außerordentlich biegsam und verwirren sich nie. - In der Weberei heißt K. (engl. Warp) das in einer Ebene aufgespannte System von Fäden, durch welches mit Hilfe des Schiffchens der Einschußfaden geführt wird. Dann heißt K. oft eine Reihe gleicher Gegenstände, die als Ganzes betrachtet werden, so besonders von Bergen (Gebirgskette, s. Gebirge); ferner mehrere gewöhnlich zusammenfliegende Vögel, z. B. Reb-, Auer-, Birk- und Haselhühner, Trappen etc. (s. Gesperr). Die K. ist das Symbol der Sklaverei oder Gefangenschaft.

^[Abb.: Fig. 6. Kette aus Blechstreifen.]

Kette, bis 1884 deutsche Bezeichnung für 1 Dekameter oder 10 m.

Ketteler (Kettler), 1) Gotthard von, Heermeister des Schwertordens, trat um 1540 in den Orden, begab sich 1559, von den Russen bedrängt, mit den Ordensländern Esthland, Kurland und Livland, die evangelisch geworden waren, unter den Schutz Polens, überließ 1561 dem König Siegmund II. August von Polen Livland und behielt für sich selbst Kurland und Semgallen als weltliches, von Polen zu Lehen gehendes Erbherzogtum. Er vermählte sich 1566 mit Anna von Mecklenburg, unterwarf den Adel unter Gesetz und Recht, gründete zahlreiche evangelische Kirchen und Schulen und starb 17. Mai 1587. Kurland blieb bei seinen Nachkommen bis 1737, wo die russische Kaiserin Anna die Kurländer zwang, ihren Günstling Biron zum Herrn zu wählen. Die von Gotthard gegründete Linie starb zu Anfang des 19. Jahrh. aus; dagegen blüht das Geschlecht der K. noch in Westfalen in zwei Linien, einer protestantischen und einer katholischen. Letzterer gehört an:

2) Wilhelm Emanuel, Bischof zu Mainz, geb. 25. Dez. 1811 zu Münster, wurde in der Jesuitenanstalt zu Brieg in der Schweiz erzogen, studierte in Göttingen, Berlin, Heidelberg und München die Rechte und war 1834-38 Referendar in Münster. Infolge des Kölner Bischofstreits verließ er den Staatsdienst, studierte in München und Münster Theologie, erhielt 1844 die Priesterweihe und 1846 die katholische Pfarrei zu Hopsten in Westfalen. 1848 von dem westfälischen Wahlbezirk Lengerich in die deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt abgeordnet, erregte er hier namentlich Aufsehen durch eine freimütige Rede, die er am Grab des in den Septemberunruhen ermordeten Fürsten Lichnowski hielt. 1849 ward K. als Propst an die Hedwigskirche nach Berlin, im Juli 1850 auf den Bischofsitz zu Mainz berufen. Hier verfolgte er rücksichtslos und konsequent das Ziel, die Kirche nicht nur von der Staatsgewalt unabhängig, sondern vielmehr diese zur ergebenen Dienerin der Kirche zu machen und in derselben den papistisch-jesuitischen Geist zur unbedingten Herrschaft zu erheben. Durch Einführung von Schulbrüdern und Schulschwestern, die Errichtung von katholischen Waisen- und Rettungshäusern, eines Priesterseminars und Knabenkonvikts suchte er die Jugenderziehung in die Gewalt des Klerus zu bringen, durch Stiftung klösterlicher Institute, auch einer Jesuitenniederlassung in Mainz (1858), von Vereinen etc. den ultramontanen, fanatischen Geist in der katholischen Bevölkerung großzuziehen. Den rechtlichen Zuständen in der oberrheinischen Kirchenprovinz kündigte er in seiner Schrift "Das Recht und der Rechtsschutz der katholischen Kirche in Deutschland" einen Kampf auf Leben und Tod an. In der That gelang es K., der von der katholischen Großherzogin unterstützt wurde, die vom Minister Dalwigk geleitete reaktionäre Regierung in einer geheimen Konvention vom 23. Aug. 1854 zu Zugeständnissen zu bewegen, durch die der Staat seine Patronatsrechte, seine Mitwirkung bei der Besetzung des Bistums, das Placet, das Aufsichtsrecht über das katholische Vereinswesen und die geistlichen Lehranstalten preisgab, den freien Verkehr mit Rom und die Herstellung einer geistlichen Gerichtsbarkeit gestattete und dem Bischof nicht bloß die Heranbildung des Klerus völlig überließ, wodurch die katholisch-theologische Fakultät in Gießen beseitigt wurde, sondern ihm auch einen erheblichen Einfluß auf die Schule, namentlich die Volksschule, einräumte. Doch war der Ehrgeiz Kettelers hierdurch noch nicht befriedigt. Er strebte danach, Erzbischof von Freiburg zu werden und dadurch an die Spitze der oberrheinischen Kirchenprovinz zu treten, was jedoch die badische Regierung verhinderte. Daneben suchte er durch Beteiligung an der sozialen Bewegung (z. B. "Die Arbeiterfrage und das Christentum", 3. Aufl., Mainz 1864) dem Einfluß der Kirche auf den Arbeiterstand die Wege zu bahnen, indem diese als der einzige Rettungsanker