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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Keudell - Kexholm.

auch durch lange andauernden K. und durch die davon abhängige Schwächung die Disposition zu verschiedenen chronischen Kinderkrankheiten geweckt oder begründet.

Was die Behandlung anlangt, so gibt es unter der großen Zahl der versuchten und empfohlenen Mittel kein einziges bewährtes. Doch ist zur Erleichterung und Abkürzung des Übels und zur Verhütung der gefahrbringenden Komplikationen ärztliche Überwachung und Behandlung dringend nötig. Herrscht eine Keuchhustenepidemie, so muß jeder Brustkatarrh bei Kindern mit verdoppelter Vorsicht behandelt werden; man schütze die Kinder sorgfältigst vor jeder Erkältung, namentlich aber beuge man jedem Verkehr derselben mit am K. leidenden Kindern vor. Ist ein Kind aber vom K. befallen, so lasse man es, wenn nicht ganz warme und milde Witterung ist, gar nicht ins Freie. Bei Hustenanfällen komme man dem Patienten mit Verabreichen warmer schleimiger Getränke (Thee aus präpariertem Leinmehl, Althee mit Süßholz, Milch mit Selterwasser, warmes Zuckerwasser) zu Hilfe. Durch Klystiere, Manna, gebackenes Obst etc. sorge man für gehörige Leibesöffnung. Dabei suche man den Patienten durch Verabreichung nahrhafter, aber reizloser Kost (ungewürzte Bouillonsuppe mit Ei, Milch etc.) bei Kräften zu erhalten, ihn auch vor jeder gemütlichen oder körperlichen Aufregung zu Bewahren. Bei heftigen Hustenanfällen richte man ihn auf, unterstütze den Kopf, entferne den zähen Schleim aus dem Mund. Größere und kräftigere Kinder halte man dazu an, daß sie den Husten soviel wie möglich unterdrücken, da jeder Hustenstoß die Kehlkopfschleimhaut von neuem reizt und dadurch zu neuen Anfällen führt. Günstig und oft überraschend schnell wirkt ein Ortswechsel; namentlich ist der Aufenthalt auf dem Land in sonniger, trockner Lage und eine Milchkur sehr anzuempfehlen.

Keudell, Robert von, namhafter Staatsmann, geb. 27. Febr. 1824 zu Königsberg aus einem ursprünglich hessischen, im 17. Jahrh. in Ostpreußen eingewanderten Geschlecht, studierte 1841-45 in Königsberg, Heidelberg und Berlin die Rechte, ward 1850 Gerichts- und 1851 Regierungsassessor in Potsdam, 1858 an die Regierung in Breslau versetzt, daselbst 1862 Regierungsrat und 1863 von Bismarck als Hilfsarbeiter in das Ministerium des Auswärtigen berufen, in dem er 1864 zum vortragenden Rat, 1870 zum Geheimen Legationsrat befördert wurde. Seine Wahl zum Mitglied des ersten deutschen Reichstags 1871 wie seine Ernennung zum Gesandten des Deutschen Reichs in Konstantinopel 1871 waren eine Anerkennung seiner in dieser Stellung erworbenen Verdienste. 1873 an den italienischen Hof in Rom versetzt, erwarb er sich, besonders auch durch seinen lebhaften Anteil an den wissenschaftlichen und künstlerischen Interessen allseitige Achtung und wurde 1876 daselbst zum Botschafter ernannt, welchen Posten er bis zum Frühjahr 1887 bekleidete.

Keule, älteste Hieb- und Wurfwaffe aller Völker, auch nationale Waffe des germanischen Fußvolkes. Hier wurde sie, mit Wurfleine verbunden, als Wurfkeule (Caia) bis ins 15. Jahrh. als Bauernwaffe verwendet. Mit den Goten wanderte die Caia im 5. Jahrh. nach Spanien und hieß dort Teutona, wie die bei den Germanen gebräuchliche Wurfkeule, die einen bronzenen, mit Stacheln besetzten Kopf hatte; ihre Wurfleine aber wurde später zum Stierfangen benutzt und deshalb Lasso (lazo) genannt. Bei den gallischen Kelten war die Caia als Cateia viel im Gebrauch. Während der Völkerwanderung wurde die K. mit Nägeln beschlagen, woraus der im 14. und 15. Jahrh. in Deutschland und der Schweiz sehr verbreitete Morgenstern (s. d.) entstand. Während der Kreuzzüge wurde die K., aus Eisen gefertigt, zum Streitkolben (s. d.). Neuerdings ist das Schwingen mit hölzernen Keulen auch von der Turnkunst in den Bereich ihrer Übungen aufgenommen worden (vgl. Zettler, Das Turnen mit der K., Leipz. 1884; Wortmann, Das Keulenschwingen in Wort und Bild, Hof 1885).

Keulenbaum, s. Casuarina.

Keulenpilz (Keulenschwamm), s. Clavaria.

Keuler (Keiler), das männliche Wildschwein.

Keuperformation, oberstes Glied der Triasformation (s. d.).

Keuschbaum, Pflanzengattung, s. Vitex.

Keuschberg, Dorf im preuß. Regierungsbezirk und Kreis Merseburg, an der Saale, mit schöner Pfarrkirche, Privatirrenanstalt, Braunkohlengruben und (1885) 893 evang. Einwohnern. K. gilt vielfach, wiewohl fälschlich, als der Ort, bei dem König Heinrich I. 15. März 933 die Ungarn schlug (s. Ritteburg).

Keuschheit, als Tugend diejenige Gesinnungs-, Rede- und Handlungsweise, welche alles, was sich auf das Geschlechtsverhältnis bezieht, mit Scham und Scheu betrachtet. Vgl. Pudicitia.

Keuschheitsgerichte, s. Zuchtgerichte.

Keuschheitsgürtel (Florentiner Gürtel), den Vorrichtungen der Infibulation (s. d.) entsprechende, mit Schlössern versehene, besonders in Italien gebräuchlich gewesene Gürtel, um die Keuschheit der Frauen zu sichern, werden von Schriftstellern des 15. und 16. Jahrh., z. B. von Brantôme, öfters erwähnt. Man besitzt einige alte Kupferstiche und Holzschnitte, welche die Anlegung des Keuschheitsgürtels oder mit demselben versehene Frauen darstellen, unter andern einen Dürer zugeschriebenen Holzschnitt (Passavant, Nr. 282) mit satirischen Sprüchen. Die K., welche in verschiedenen Altertumssammlungen (Musée de Cluny) u. Raritätenkabinetten gezeigt werden, sind nicht historisch beglaubigt, und man nimmt an, daß hier Fälschungen vorliegen, vielleicht auch Umarbeitungen von Foltergürteln des Mittelalters.

Keuschlamm, s. Vitex.

Kevelaer (spr. -lar), Marktflecken im preuß. Regierungsbezirk Düsseldorf, Kreis Geldern, unweit der Niers, an der Linie Neuß-Zevenaar der Preußischen Staatsbahn, hat starke Schuhwarenfabrikation und (1885) 3992 meist kath. Einwohner. Zu dem wunderthätigen Marienbild (seit 1642 aufgestellt) wird, besonders in den Marienoktaven, stark gewallfahrtet. Im Jubiläumsjahr 1842 belief sich die Zahl der Pilger auf 180,000.

Kew (spr. kjuh), Dorf in der engl. Grafschaft Surrey, an der Themse, 8 km vom Hyde Park (London), mit berühmtem botanischen Garten. Derselbe wurde im 18. Jahrh. auf Kosten des damaligen Prinzen von Wales angelegt, ging aber 1840 in den Besitz der Regierung über und hat seitdem unter Leitung Sir W. J. ^[William Jackson] Hookers (s. d.) seine jetzige hohe Bedeutung gewonnen. Er besteht aus dem eigentlichen botanischen Garten, 30 Hektar groß, und einem damit verbundenen Arboretum, 110 Hektar groß, beide mit großartigen Gewächs- und Treibhäusern, und in Verbindung mit ihm bestehen eine Bibliothek, ein reiches Herbarium und ein botanisches Museum. Vgl. Hooker, Guide to the Royal Botanic Gardens at K. (Lond. 1847) und Guide to the Museum of K. (das. 1855).

Kexholm, Kreisstadt und Festung in Finnland, am Ausfluß des Wuoxen in den Ladogasee, auf einer