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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kiefer

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Kiefer (Baum).

nördlichen Deutschland nach mäßigem Überschlag über 2½ Mill. Hektar Waldfläche, bildet in Süddeutschland einen namhaften Bruchteil der Gesamtbewaldung, herrscht fast absolut im Königreich Polen, im westlichen Rußland, im südlichen Skandinavien und bildet Massenwälder im nördlichen Frankreich, in Belgien, in vielen Teilen von Österreich. Seit 100 Jahren hat sie im mittlern Europa viele früher mit Laubholz bestandene Flächen eingenommen. Unvernünftige Streunutzung, starke Lichtung der Bestände, übertriebene Weide, regellose Wirtschaft überhaupt haben an vielen Orten zu einer Bodenerschöpfung geführt, welche die Nachzucht der anspruchsvollen Laubhölzer unmöglich machte und zum Anbau der genügsamen K. zwang. Dabei empfiehlt sich diese überaus wertvolle Holzart durch raschen Wuchs, hohe Nutzholzausbeute und bedeutenden technischen Gebrauchswert; sie wächst noch auf Blößen, die durch langes Bloßliegen tiefster Bodenverwilderung verfallen sind, und auf Sandböden, die jeder andern Baumkultur spotten. Dabei gestattet die K. die einfachsten Formen des Schlagbetriebs, bei welchen Fläche an Fläche kahl abgetrieben und durch Saat oder Pflanzung wieder angebaut wird. (Vgl. Weise, Ertragstafeln für die K., Berl. 1880.) Keine andre Holzart unterliegt aber den Angriffen so zahlreicher Feinde wie die K., und diese natürlichen Gegner ihrer Massenverbreitung haben sich in erschreckender Progression vermehrt; die ausgedehnten reinen Kiefernbestände, welche seit 100 Jahren auf Kahlflächen angebaut worden sind, bieten den Feinden der K. (Kiefernspinner, Nonne, Kieferneule, Kiefernspanner, großer und kleiner Kiefernrüsselkäfer, große und kleine Kiefernblattwespe, Kiefernmarkkäfer, auch Maikäfer und Maulwurfsgrille, s. Tafel "Waldverderber I. u. II") alle Existenzbedingungen und prädisponieren die einzelnen Baumindividuen von vornherein für ihre zerstörenden Angriffe. Im Naturwald kommt die K. nur auf ganz armem Boden rein vor; überall auf den bessern und mittlern Bodenarten sind die Bestände mit Eichen, Buchen, Birken durchsprengt. In freier Kronenentfaltung streben die herrschenden Stämme empor, und es bildet sich eine reiche Bestrahlungsfläche; Blatt- und Wurzelvermögen entwickeln sich aufs höchste, und widerstandsfähige Gesundheit der Baumentwickelung ist die Folge davon. Dagegen gedeiht in dem auf Kahlflächen angebauten Kunstwald nur die K., die Mischhölzer schwinden. Mit eingepreßten Kronen strebt Stamm neben Stamm gleichberechtigt empor. Blatt- und Wurzelbildung werden auf ein Minimum zurückgedrängt; die Bestände verfallen krankhafter Disposition. Diese Verhältnisse haben in der Neuzeit gerechte Bedenken gegen die Kiefernkahlschlag-Wirtschaft erregt. Man beginnt zu den Schirm- und Samenschlägen zurückzukehren und begründet statt reiner Kiefernbestände überall, wo dies möglich ist, gemischte Bestände. Die gemeine K. trägt auf armem Boden oft schon mit 12-15 Jahren Samen. Ihre normale Samenerzeugung beginnt erst mit dem 40jährigen Alter. Aus 1 hl. Zapfen, welches etwa 55 kg wiegt, gewinnt man etwa 1 kg reinen Kornsamen. Zur Pflanzenerziehung rigolt man den Boden und saet pro Ar 1½-2 kg reinen Kornsamen in Rillen. Die Pflanzen werden zumeist einjährig, höchstens Zweijährig in die Bestände gepflanzt. Sie ertragen nur wenige Jahre eine mäßige Beschattung und müssen dann, sollen sie nicht kümmern, frei gestellt werden. Mit Ballen verpflanzt man die jungen Kiefern auch wohl noch vier- bis fünfjährig. Will man einen Kiefernbestand durch Samenschlag verjüngen, so genügen 30-35 Samenbäume pro Hektar dem Zweck vollkommen. Schon im zweiten und dritten Jahr nach erfolgter Besamung werden die Mutterbäume abgetrieben. Das Holz der K. ist weich, grob, etwas glänzend, läßt sich leicht und schön spalten und ist sowohl im Trocknen als im Feuchten von großer Dauerhaftigkeit; es dient sehr allgemein als Nutz- und Brennholz. Die K. liefert auch Harz; die Rinde enthält Gerbsäure und dient zum Gerben; aus den Nadeln gewinnt man Waldwolle und Waldwollöl; die jungen Triebe wurden früher als Blutreinigungsmittel benutzt, in England und Kanada dienen sie bei der Bereitung des Sprossenbiers.

Die Knieholzkiefer (Krummholzkiefer, Sumpfkiefer, Legkiefer, Latsche, Pinus montana Mill., P. Mughus Scop., P. Pumilio Hanke, s. Tafel), ein Strauch mit liegendem, knieförmig aufsteigendem, aber auch aufrechtem Stamm, schwarzgrauer, in dicken Blättern sich lösender Rinde, kurzen, gepaart stehenden Nadeln, aufrecht stehenden weiblichen Blütenzäpfchen und eiförmigen Zapfen, gehört dem Gebirge des südlichen und mittlern Europa an, kommt aber auch in der Ebene vor und zeigt so verschiedene Formen, daß sie von vielen Botanikern in mehrere Arten zerfällt worden ist, während sie von andern nur als Form von P. silvestris betrachtet wird. Jede rauhe Hochlage bis in die Pyrenäen hat ihre Knieholzform, und diese Formen sind oft auf kleine Gebiete beschränkt. Das Knieholz ist bis jetzt selten Gegenstand forstlicher Benutzung und Kultur, bedeckt jedoch in den Alpen bei 1400-2000 m Höhe noch weite Flächen und bildet dort einen energischen Schutz gegen Lawinen und Erdfälle. Man bereitet daraus das Krummholzöl, welches in seiner Beschaffenheit dem Terpentinöl sehr nahe steht und als Volksheilmittel benutzt wird. Das Holz ist sehr dicht und fein, mit sehr schmalen Jahresringen und lebhaft braunrotem Kern und dient zu Drechslerarbeiten und Schnitzereien. Die corsische K. (P. maritima Mill., P. Laricio Poir., s. Tafel), ein sehr schöner, 30-35 m hoher Baum mit grauschwarzem Stamm, in Stücken sich lösender Rinde, sehr rauhen Ästen, pyramidenförmiger, im Alter gewölbter Krone, langen, kräftigen, blaugrünen, stachelspitzigen Nadeln und länglich-eiförmigen, fast sitzenden Zapfen mit braunem, glänzendem, rauten- und pyramidenförmigem Nabel, findet sich von Südspanien bis Kleinasien und vom Wienerwald bis Sizilien, am meisten in Spanien, auf Corsica, in den Apenninen und in Bithynien. Sie wird in Frankreich behufs der Harznutzung kultiviert. Eine interessante Abart ist die Schwarzkiefer (österreichische K., P. austriaca Höss., P. nigricans Host.), mit mehr oder weniger wagerecht in Quirlen abstehenden Hauptästen, breiter Krone, sehr dunkeln, steifen, stechenden Nadeln in fast schwarzen Scheiden, großen, hellen, konischen Zapfen und schwarzer Rinde. Diese Abart wächst in den Österreichischen Alpen, bildet hier sehr große Bestände und gewährt eine einträgliche Harznutzung. Bei Kulturversuchen in Nordfrankreich und Deutschland hat sie den gehegten Erwartungen nicht entsprochen, dagegen ist sie für die Landschaftsgärtnerei sehr empfehlenswert. Die Meerstrandskiefer (Igelföhre, K. von Bordeaux, P. Pinaster Sol., P. maritima Poir., P. Laricio Sav.), ein hoher Baum mit pyramidaler, sich wenig abwölbender Krone, grauschwarzem Stamm, schon früh rauher und gefurchter, im Alter tiefrissiger, dunkelbrauner Rinde, paarweise stehenden, 13-18 cm langen, ziemlich dicken, kurz stachelspitzigen, oft gedrehten, lebhaft grünen Nadeln,