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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Kirchenglaube - Kirchenmusik.

gestellten Bischof für den Bezirk seiner Diözese auf Lebenszeit überträgt, um sie als eigne (propria) zu verwalten; nach dem Episkopalsystem besitzt jeder Bischof dieselbe Gewalt als göttlich verliehene. Der Bischof hat die volle K. (plenitudo potestatis), d. h. sowohl die der Wort- und Sakramentsverwaltung (potestas ordinis) als die des Regierens durch Aufsicht, Gerichtsbarkeit, Gesetzgebung etc. (potestas jurisdictionis); er überträgt die eine wie die andre in ihm beliebigem Maß den pastoralen oder andern Gehilfen, welche er sich bestellt. Die römisch-katholische Kirche faßt beiderlei K. als seelsorgende auf; die evangelische geht davon aus, daß Seelsorge nur durch Wort- und Sakramentsverwaltung geschehe, und legt die gottgegebene Gewalt hierzu (potestas clavium) der gläubigen Gesamtkirche bei, von welcher sie durch die Träger des Lehramtes geübt werde. Dagegen legt sie die Gewalt des äußern kirchlichen Regiments, soweit sie dieselbe überhaupt noch anerkennt, nicht dem Lehramt, sondern in ihrer landeskirchlichen Formation der Landesherrschaft, in ihrer vereinskirchlichen der Synode bei. Die landeskirchliche Gestalt kommt zuweilen, z. B. in der anglikanischen und der schwedischen Kirche, in Formen vor, welche an vorreformatorische erinnern, ohne jedoch ihrem Wesen nach mit ihnen identisch zu sein. Vgl. Kirchenhoheit.

Kirchenglaube, die Gesamtheit der Glaubenslehren, welche in den symbolischen Büchern einer Kirche enthalten sind.

Kirchengut, s. Kirchenvermögen.

Kirchenhoheit (Jus circa sacra), der Inbegriff der Hoheitsrechte, welche dem Staatsoberhaupt gegenüber den anerkannten christlichen Kirchen und den sonstigen Religionsgesellschaften zustehen. Es liegt in dem Wesen des Staats und der Souveränität des Staatsbeherrschers, in seiner Selbständigkeit und seiner Macht, alle ihm unterstehenden Lebens- und Rechtsverhältnisse so zu normieren, daß auch die Kirche sich dem Majestätsrecht der Staatsgewalt nicht entziehen kann. Auf der andern Seite sind die Grenzen des Kirchenhoheitsrechts wie jedes andern Hoheitsrechts durch den Staatszweck gezogen, und die ausschließlich innerhalb der Sphäre der Kirchengemeinschaft liegenden innern Verhältnisse entziehen sich dem staatlichen Einfluß, indem der moderne Staat zudem die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit seiner Bürger anerkennt. Gewöhnlich bezeichnet man folgende Rechte als den Inhalt der K., welch letztere nichts andres als ein Teil der Staatshoheit überhaupt ist: 1) das Ausnahmerecht (jus reformandi, jus receptionis), d. h. das Recht der Zulassung von Religionsgesellschaften überhaupt, jetzt nur noch die Verleihung der Korporationsrechte enthaltend; 2) das Schutz- und Schirmrecht über die Kirchen (jus advocatiae, jus protectionis); 3) das Recht der Oberaufsicht (jus supremae inspectionis), mittels dessen der Staat namentlich etwanigen übergriffen der Kirche entgegentritt. In letzterer Hinsicht ist namentlich das landesherrliche Placet, d. h. die staatliche Zustimmung zu kirchlichen Gesetzgebungsakten, von Wichtigkeit. Hierher gehören ferner der Recursus ab abusu (appel comme d'abus), d. h. das Rechtsmittel der Berufung an die Staatsbehörde wegen Mißbrauchs der geistlichen Gewalt, ferner die Mitwirkung bei der Besetzung geistlicher Stellen und die Kontrolle der geistlichen Disziplinargerichtsbarkeit. Während aber der Einfluß der Kirche auf die bürgerlichen Rechtsverhältnisse durch die Aufhebung der geistlichen Gerichtsbarkeit, die Einführung der Zivilehe und die Beseitigung der kirchlichen Schulaufsicht im wesentlichen beseitigt ist, bildet die Abgrenzung der staatlichen K. gegenüber der katholischen Kirche den Gegenstand langwieriger und heftiger Streitigkeiten. Sie ist der Kernpunkt des sogen. Kulturkampfes (s. Kirchenpolitik). Nicht zu verwechseln mit der K. ist die Kirchengewalt (Kirchenregiment, jus in sacra), d. h. der Inbegriff der Rechte, welche einer Kirche als gesellschaftlichem Verein ihren Mitgliedern gegenüber zustehen in Gemäßheit des Zwecks und der innern Einrichtung dieser Verbindung. Sie wird von den Organen der Kirche selbst ausgeübt, in der protestantischen Kirche allerdings auch von dem Landesherrn, da dieser nach protestantischen Grundsätzen das Oberhaupt des Staats wie dasjenige der Kirche ist.

Kirchenjahr, regelmäßig im Laufe von einem Jahreszeitraum sich begebende Wiederkehr der von der Kirche gefeierten Sonn- und Festtage. Das K. mit seinen drei Festcyklen, dem Weihnachts-, Oster- und Pfingstfestkreis, beginnt, unabhängig vom bürgerlichen Jahr, in der katholischen und protestantischen Kirche mit dem ersten Adventsonntag (s. Advent), welcher stets zwischen den 26. November und 4. Dezember fällt, in der griechischen mit dem 1. September, in England mit Mariä Verkündigung (25. März). S. Feste und Festcyklus. Vgl. Strauß, Das evangelische K. in seinem Zusammenhang dargestellt (Berl. 1850); Bobertag, Das evangelische K. (Bresl. 1853); Alt, Das K. mit seinen Festen etc. (2. Aufl., das. 1860).

Kirchenjurisdiktion, s. v. w. Geistliche Gerichtsbarkeit (s. d.).

Kirchenkantate, s. Kantate.

Kirchenkasten (Kirchenstock), s. v. w. Gotteskasten (s. d.); dann s. v. w. Kirchenärar (s. d.).

Kirchenkonferenz, s. Evangelische Kirchenkonferenz.

Kirchenlamitz, Flecken im bayr. Regierungsbezirk Oberfranken, Bezirksamt Wunsiedel, an der perlenreichen Lamitz im Fichtelgebirge und an der Linie München-Regensburg-Oberkotzau der Bayrischen Staatsbahn, 598 m ü. M., hat eine evang. Kirche, ein Schloß, ein Amtsgericht, Wollfärberei, Granitschleiferei, Holzdrechslerei, Landesprodukten- und Holzhandel und (1885) 1995 Einw. Westlich der Epprechtstein mit Aussicht.

Kirchenlasten, der Kostenaufwand, welcher durch die Unterhaltung der Kirchen und der Kirchendiener in sachlicher und persönlicher Hinsicht erwächst. Insoweit das Kirchenvermögen (s. d.) zur Bestreitung der K. nicht ausreicht, werden diese Kosten durch Kirchensteuern und sonstige kirchliche Abgaben gedeckt. Der früher übliche Kirchenzehnte ist jedoch fast überall durch Ablösung beseitigt.

Kirchenlehen (Feudum ecclesiasticum, Stiftslehen, geistliches Lehen, auch krummstäbisches Lehen, weil die Belehnung von seiten der geistlichen Obern mit dem Hirtenstab geschah), das durch Verleihung von Kircheneigentum begründete Lehen. Dahin gehörten die ehemaligen Patronatslehen, Pfarrlehen, Altarlehen, Zehntenlehen, durch ausgeliehene Zehnten begründet, Glockenlehen, deren Vasallen zum Läuten bei bestimmten Gelegenheiten verpflichtet waren, u. dgl. Die mit einem rechten Lehen verbundene Verpflichtung zum Kriegsdienst übertrug der Klerus, da ihm der Gebrauch der Waffen untersagt war, auf einen Provasallen. Vgl. Lehnswesen.

Kirchenlehrer, s. Kirchenväter.

Kirchenlied, s. Kirchengesang.

Kirchenmusik, die in den christlichen Kirchen zur Verschönerung des Kultus eingeführte Musik, beson-^[folgende Seite]