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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kirchenvermögen; Kirchenversammlungen; Kirchenvisitation

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Kirchenvermögen - Kirchenvisitation.

Episkopalsystem). Die heutige römisch-katholische Kirche hat die Verfassungsformen der vorreformatorischen Kirche festgehalten, und seit 1870 ist ihr die Beseitigung des Episkopalsystems wirklich gelungen (s. Kirchenpolitik). Die Reformation brachte in den protestantischen Territorien die Kirchengewalt an die Landesherren, und die Kirche erschien hier fortan lediglich als ein Bestandteil des Staats (Territorialsystem). Die Aufsicht über die Kirche des Landes (das Kirchenregiment) ließ jetzt der Landesherr durch kollegialisch verfaßte, aus Theologen und Juristen gemischte Behörden, Konsistorien, und unter ihnen durch von ihm angestellte Superintendenten verwalten (sogen. Konsistorialverfassung). Wo das Kirchenregiment solchergestalt von der Landesherrschaft nicht übernommen werden konnte, weil sie, wie z. B. in Frankreich, der Reformation, ohne sie doch unterdrücken zu können, feindlich gegenüberstand, da gestaltete sich die evangelische K. als Verein; in Frankreich speziell unter dem Einfluß der Calvinschen Idee: die Einrichtung, daß die Einzelgemeinde von einem Ältestenkollegium (Presbyterium, consistoire) regiert werde, gehöre zur göttlich vorgeschriebenen Kirchenform. So formierte Einzelgemeinden schlossen sich dann zu größern Kreisen zusammen, die sich durch Synoden, aus geistlichen und weltlichen Abgeordneten der Presbyterien zusammengesetzt, gemeinschaftlich regierten. Diese Gestalt der evangelischen K., die von Belgien und Holland her zur Zeit der Albaschen Verfolgung auch an den Niederrhein verpflanzt wurde, wird von ihren zwei Hauptelementen die presbyterial-synodale genannt (Presbyterial-Synodalverfassung). Sie hat sich in Deutschland weiter ausgebreitet, seit durch die Entwickelung der staatlichen Toleranz das Landeskirchentum zurücktritt, erscheint hier aber gewöhnlich in der Art, daß Presbyterien und Synoden nur neben beibehaltenen Konsistorien und Superintendenturen eingerichtet werden (sogen. gemischte K.). S. Kirche. Vgl. Friedberg, Die geltenden Verfassungsgesetze der evangelischen deutschen Landeskirchen (Freiburg 1885).

Kirchenvermögen (Kirchengut), der Inbegriff der im Eigentum der Kirche stehenden Sachen und der ihr zukommenden sonstigen Vermögensrechte. Während nämlich das römische Recht die der Gottheit geweihten Sachen (res sacrae) als dem göttlichen Recht angehörig (res divini juris) und eben darum als dem bürgerlichen Rechtsverkehr entzogen (res extra commercium) betrachtete, stehen dieselben nach moderner Rechtsanschauung und nach gemeinem Kirchenrecht regelmäßig im Eigentum der betreffenden Kirche oder eines sonstigen kirchlichen Instituts, z. B. eines Bistums, einer Pfarrei etc., welche als juristische Personen aufgefaßt werden, oder sie sind, wie nach preußischem Landrecht, Eigentum der Kirchengemeinden; ja, sie können auch, wie z. B. Privatkapellen, Familienerbbegräbnisse u. dgl., Privatpersonen zugehören. Nur insofern ist das K. nach gemeinem Recht heutzutage in rechtlicher Beziehung noch ausgezeichnet, als die Kirche in Ansehung der Ersitzung, der Verjährung sowie der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand privilegiert ist, Testamente und Legate zu kirchlichen Zwecken nicht an die strengen Formvorschriften des allgemeinen Rechts gebunden sind und die Entwendung der dem Gottesdienst geweihten Sachen besonders streng bestraft wird. Dagegen ist die von der Geistlichkeit des Mittelalters in Anspruch genommene Steuerfreiheit des Kirchenvermögens (immunitas) fast durchweg beseitigt. Besonders erschwert ist die Veräußerung von Kirchengütern, indem eine solche regelmäßig nur aus besonders dringenden Gründen gestattet, auch dazu die Zustimmung der obern Kirchenbehörden, in protestantischen Ländern sogar zuweilen die Genehmigung des Landesherrn und der Stände erfordert wird. Man teilt die zum K. gehörigen Stücke ein in Res sacrae, die unmittelbar zu den Zwecken des Gottesdienstes bestimmten Sachen, und Res ecclesiasticae, solche Gegenstände, welche entweder zur Unterhaltung der Kirchendiener bestimmt sind (sogen. bona de mensa oder beneficii), oder zur Erhaltung der Kirchengebäude und zur Bestreitung des äußern Aufwandes des Gottesdienstes dienen. Unter den hierher gehörigen Einnahmen war, abgesehen von den eigentlichen Revenuen der Kirchengüter, in frühern Zeiten der Zehnte von besonderer Bedeutung, welcher jedoch jetzt wohl überall durch Ablösung beseitigt ist. Dagegen werden nach katholischem Kirchenrecht zur Bestreitung des Aufwandes der päpstlichen Kurie noch jetzt die sogen. Pallientaxen von den neugewählten Bischöfen, ferner die bei der Verleihung kirchlicher Benefizien zu erlegenden Annaten sowie die Dispenstaxen, soweit letztere nicht in die Kasse der Bischöfe fließen, erhoben. Auch die Stolgebühren, d. h. die nach katholischem wie nach protestantischem Kirchenrecht für die Vornahme gewisser kirchlichen Handlungen zu entrichtenden Gebühren, gehören hierher, deren Abschaffung jedoch in neuerer Zeit vielfach bewirkt ist oder doch angestrebt wird und gewiß der Würde des geistlichen Standes förderlich sein dürfte. Für die Erhaltung der Kirchengebäude haben übrigens auch die Kirchenpatrone und die Parochianen Sorge zu tragen, wie denn überhaupt die Kirchengemeinden zur Erhaltung der Kirche und der Kirchendiener, nötigen Falls durch Aufbringen von Kirchensteuern (Kirchenumlagen), verpflichtet sind, soweit das eigentliche K. nicht ausreicht. Dazu kommen noch die Dotationen oder Zuschüsse von seiten des Staats, namentlich in den protestantischen Staaten, woselbst sie gewissermaßen durch die Billigkeit zur Ausgleichung des Unrechts als geboten erscheinen, welches in der vielfach vorgekommenen Säkularisation (Einziehung) des Kirchenguts infolge der Reformation immerhin erblickt werden muß. Die Verwaltung des Kirchenvermögens erfolgt durch die dazu bestellten Kirchenbehörden, in protestantischen Ländern durch die Organe der Kirchengemeinden unter Oberaufsicht der staatlichen Organe.

Kirchenversammlungen, s. Konzilium. ^[richtig: Konzil.]

Kirchenvisitation, die von der obern Kirchenbehörde durch besondere Kommissare an Ort und Stelle vorzunehmende Untersuchung des gesamten kirchlichen Zustandes einer oder mehrerer Kirchengemeinden und der amtlichen Thätigkeit ihrer Geistlichen. Schon in der alten Kirche kam es vor, daß die Bischöfe sich persönlich von dem kirchlichen Zustand der ihnen untergebenen Gemeinden eigne Anschauung verschafften. In den fränkischen Gesetzen wurde dem Bischof sogar ein königlicher Comes (Graf) beigeordnet, damit es ihm nicht an der Stütze der weltlichen Macht gebreche. Mit der Entwickelung der Archidiakonatsverhältnisse geschah es, daß nicht mehr der Bischof selbst die Visitationen vornahm, sondern daß sich dieselben zu einer Amtsbefugnis der Archidiakonen gestalteten, bis die Synode zu Trient die Bischöfe an ihre Pflicht nachdrücklich erinnerte und zugleich die Zulässigkeit der von Archidiakonen und andern niedern Prälaten vorzunehmenden Visitationen an ihre Genehmigung knüpfte. Seitdem führten mehr oder weniger die