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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kirschbaum

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Kirschbaum.

donien, verwildert in Litauen, Polen, Schottland, wird in vielen Varietäten und in derselben Verbreitung wie die vorige kultiviert. Hierher gehört die Glaskirsche (C. acida Ehrh.), mit farblosem Fruchtsaft, und die Morelle (C. austera Ehrh.), mit rotem Fruchtsaft. Die Strauchweichsel (P. acida Dum., C. collina Lej. et Court.) ist in allen Teilen kleiner als die vorige und nur künstlich zu einem Baum heranziehbar, mit schwachen, meist übergebogenen Ästen, steif abstehenden, breit-elliptischen oder länglichen, stets spitzen, dunkelgrünen, kahlen Blättern, meist kleinen Drüsen am Blattstiel, sauren Früchten und runden Steinen ohne scharfe Kanten. Das Vaterland dieser Art ist unbekannt, nach einigen soll sie aus Südspanien eingeführt sein; in der Rhön und im Saalthal kommt sie verwildert vor; sie zeichnet sich besonders durch die Neigung zur Bildung von Wurzelbrut und Ausläufern aus. Man unterscheidet Weichseln mit hellem, wässerigem Saft als Amarellen und solche mit gefärbtem als echte Weichseln und Natten. Botanisch lassen sich ebenfalls zwei Abarten unterscheiden, von denen die eine (Ostheimer Kirsche, fränkische Wucherkirsche) stets niedrig und buschig bleibt und kleine Früchte trägt, während die andre leicht zu einem Stamm herangezogen werden kann. Zu letzterer gehört C. Marasca Host., aus deren Früchten der Maraskino bereitet wird. Bei P. semperflorens Ehrh. (Allerheiligenkirsche, immerblühender K., C. serotina Rth.) entwickeln sich die Blütenknospen zu Zweigen, die Blüten stehen einzeln oder gepaart in Blattwinkeln und erscheinen bei allmählicher Entwickelung des Zweigs bis in den Herbst. Der Zwergkirschbaum (P. fruticosa Pall., C. Chamaecerasus Lois.), ein niedriger, bisweilen aus dem Boden sich ausbreitender Strauch, der vorigen sehr ähnlich, mit kurzgestielten, länglichen oder breit-elliptischen, gekerbten, unbehaarten Blättern, kleinen Blüten, säuerlichen Früchten und spitzem, aus beiden Seiten mit Kanten versehenem Stein, stammt wohl aus Ungarn, Südrußland und Sibirien und wird als Zierpflanze in mehreren Formen gezogen. Die Felsenkirsche (Mahalebkirsche, St. Lucienkirsche, Steinweichsel, Weichselkirsche, P. Mahaleb L., P. odorata Lam.), strauch- oder baumartig, mit eirunden oder rundlich-spitzen, unbehaarten, gekerbt-gesägten Blättern, oft mit zwei Drüsen am Blattstiel, kleinen, wohlriechenden Blüten in kurzgestielten Doldentrauben, kleinen, blauschwarzen, bitterlichen Früchten mit rundem Stein, stammt aus Südosteuropa und dem Orient. Mahaleb ist die ursprüngliche arabische Benennung des Gewächses, welches im 16. Jahrh. nach Westeuropa kam, namentlich in Frankreich schnelle Verbreitung fand und wegen des (wahrscheinlich durch einen Gehalt an Kumarin hervorgebrachten) Wohlgeruchs seines Holzes und namentlich seiner Rinde zu allerlei Spezereien gebraucht wurde. In den Vogesen, besonders in der Nähe des Klosters der heil. Lucie bei Michel, verarbeitet man das Holz namentlich zu Pfeifenrohren, Schnupftabaksdosen etc. Die Felsenkirsche hat ein großes Ausschlagsvermögen, besonders am Stock, und liefert schöne gerade Stockloden. Von großer Wichtigkeit ist ihre Kultur zu Pfeifenrohren, welche in großem Maßstab in Baden bei Wien betrieben wird. Hauptzweck derselben ist die Erziehung gerader Stämmchen, an welchen man die Bildung von Zweigen möglichst zu verhindern sucht, um Rohre ohne Schnittstellen zu erhalten. Man gewinnt jährlich 400,000 Stämme, welche zur Erhöhung des Glanzes und behufs größerer Dauer der Farbe eigentümlich präpariert werden und dann 2 Mill. Rohre geben.

Nach dem von Lucas erweiterten Truchseßschen System teilt man die Kirschen in 12 Klassen: A. Süßkirschen. 1) Schwarze Herzkirschen: Früchte mit färbendem Saft, schwarzer Haut und weichem Fleisch. 2) Schwarze Knorpelkirschen: Früchte mit färbendem Saft, schwarzer Haut und härtlichem oder hartem Fleisch. 3) Bunte Herzkirschen: Früchte mit nicht färbendem Saft, bunter Haut und weichem Fleisch. 4) Bunte Knorpelkirschen: Früchte mit nicht färbendem Saft, bunter Haut und härtlichem oder hartem Fleisch. 5) Gelbe Herzkirschen: Früchte mit nicht färbendem Saft, gelber Haut und weichem Fleisch. 6) Gelbe Knorpelkirschen: Früchte mit nicht färbendem Saft, gelber Haut und härtlichem oder hartem Fleisch. B. Baumweichseln. 7) Süßweichseln: Früchte mit färbendem Saft und dunkler Haut. 8) Glaskirschen: Früchte mit nicht färbendem Saft und heller Haut. C. Strauchweichseln. 9) Weichseln: Früchte mit färbendem Saft und dunkler Haut. 10) Amarellen: Früchte mit nicht färbendem Saft und heller Haut. D. Hybride Kirschen. 11) Halbkirschen oder hybride Süßkirschen: Wuchs süßkirschenartig, Frucht weichselartig. 12) Halbweichseln oder hybride Sauerkirschen: Wuchs sauerkirschenartig, Frucht süßkirschenartig. Jede Klasse wird in drei Ordnungen geteilt, je nachdem der Stein rundlich, eiförmig oder länglich-oval ist. Innerhalb der Ordnungen werden die Sorten nach der Reifezeit angeordnet.

Zum Anbau empfehlen sich (die Zahl bei jeder Sorte bezeichnet die Woche der Reife in der Kirschenzeit): Schwarze Herzkirschen: Koburger Maiherzkirsche 1, Werdersche frühe 1, Fromms 1, Spitzens 1, Krügers 1, Ochsenherzkirsche 2, Schöne von Marienhöhe 2. Schwarze Knorpelkirschen: Hedelfinger Riesenkirsche 2, Thränenmuskateller 2, schwarze spanische 2, Tilgners schwarze 3, Badacsoner Riesenkirsche 3, große schwarze 3. Bunte Herzkirschen: Werdersche bunte 1, Bordans 1, Downton 1, Winklers weiße 2, Elton 2, Lucienkirsche 2. Bunte Knorpelkirschen: weiße spanische 1, Büttners rote 2, Büttners späte rote 3, Gubener Bernsteinkirsche 3, große Prinzessinkirsche, schöne Agathe 3. Gelbe Knorpelkirschen: Groths Wachskirsche 1, Dönissens 2. Süßweichseln: rote Maikirsche 1, frühe Lemercier 1, Velserkirsche 2. Glaskirschen: Schöne von Choisy 1, spanische 1, großer Gobet 1, große Glaskirsche 1. Weichseln: Von der Natte 1, Ostheimer 1, Frauendorfer 1, frühe Morelle 1, frühe Süßweichsel 3, Jerusalemskirsche 3, große lange Lotkirsche 3, Brüsseler braune 3. Amarellen: königliche 1, Herzogin von Angoulême 1. Halbweichseln: Königin Hortensie 3, Chatenays Schöne 3. - Zusammensetzung der Kirschen:

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Bestandteile Süße rote Herzkirschen Süße schwarze Kirschen Saure Kirschen

Wasser 75,370 79,700 80,494

Feste Bestandteile 24,630 20,300 19,506

löslich

Zucker 13,11 10,700 8,772

freie Säure 0,351 0,560 1,277

Eiweißsubstanz 0,903 1,010 0,825

Pektin 2,286 - -

Asche 0,600 0,600 0,565

unlöslich

Pektose 1,450 0,664 0,246

Schalen 0,450 0,366 0,808

Kerne 5,480 5,730 5,182

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Die Kirschen finden hauptsächlich Verwendung als Obst, frisch, eingemacht und getrocknet (entkernte,