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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kissingen

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Kissingen.

schieht, finden sich doch erst im 16. Jahrh. bestimmte Nachrichten über die medizinische Benutzung derselben, und erst in der Neuzeit unter der bayrischen Herrschaft schwang sich K. zu einem Kurort ersten Ranges empor. 1815 zählte das Bad noch nicht viel über 200 Kurgäste, 1886: 13,491. Nach Verschiedenheit ihrer chemischen Konstitution u. der dadurch bedingten Wirkungen zerfallen die zu therapeutischen Zwecken benutzten Quellen in eisenhaltige Kochsalzquellen (Rákóczy und Pandur), einen kochsalzhaltigen Säuerling (die Maxquelle) und die zwei an Chlornatrium und Kohlensäure reichen Solthermen (Solensprudel und Schönbornsprudel). Der Rákóczy, die berühmteste und am häufigsten benutzte Quelle, bekannt seit der ersten Hälfte des 18. Jahrh., entspringt in einer Tiefe von 4 m aus einem Gerölle von Sandstein und Basalt mit starkem Geräusch unter Entwickelung großer Gasblasen. Sein Wasser ist nicht ganz kristallhell und spielt ins Bläuliche; geschöpft ist es wegen der starken Gasentwickelung fast undurchsichtig und von einem säuerlich-salzigen, zusammenziehenden Geschmack. Beim Kochen des Wassers erscheint der eigentümliche Bromgeruch. Die Temperatur der Quelle ist 10,7° C. und erleidet durch den Wechsel der Jahreszeiten nur wenig Veränderung. Der Pandur, seit dem 16. Jahrh. unter dem Namen Badebrunnen bekannt, 24 Schritt östlich vom Rákóczy aus demselben Gestein mit gleicher Gasentwickelung entspringend, hat eine Temperatur von ebenfalls 10,7° C. Der Geschmack desselben ist reiner bittersalzig, kohlensäurehaltiger und reizender, daher für zarte Geschmacksnerven angenehmer als der des Rákóczy. Die Quelle ist so wasserreich, daß sie täglich bis 1600 Bäder mit Wasser versorgen kann, wird aber seit allgemeiner Verwendung der Sole des Schönbornsprudels fast ausschließlich zum Trinken benutzt. Der Maxbrunnen, dem Kurhaus und dem Arkadenbau gegenüber, entspringt in 4 m Tiefe aus einer Felsenspalte mit einem leise knisternden Geräusch, das durch die zahllos aufsteigenden weißlichen Gasbläschen verursacht wird. Das Wasser ist kristallhell, perlend; sein Geschmack ist angenehm säuerlich und prickelnd. Die Temperatur desselben beträgt 10,4° C. Der Maxbrunnen konnte in den letzten Jahren wegen Zutritts von süßem Wasser fast gar nicht benutzt werden, bis man ihn im Buntsandstein neu aufsuchte und von neuem faßte, so daß er jetzt wieder ganz seine frühern heilkräftigen Wirkungen äußert. Der Theresienbrunnen, in der Nähe von Hausen, wird seit der Schwächung desselben durch Tieferbohren des Schönbornsprudels nicht mehr benutzt. Der höchst merkwürdige Solensprudel, von den übrigen Mineralquellen eine gute Viertelstunde nördlich gelegen, entspringt aus dem Buntsandstein in einer Tiefe von über 100 m und zeichnet sich durch ein eigentümliches periodisches Steigen und Fallen und eine ähnliche wachsende Ausströmung von kohlensaurem Gas aus. Man erklärt diese Naturerscheinung durch eine von Zeit zu Zeit erfolgende Entbindung von kohlensaurem Gas in der Tiefe, wodurch die Quelle gehoben wird und nach Entladung desselben wieder fällt, bis neue Entbindungen dieses Gases ein neues Steigen verursachen. Die Sole selbst ist frisch geschöpft von einem sehr salzigen, schwach eisenartigen, prickelnden Geschmack; ihre Temperatur beträgt 18° C., ihre Wassermenge 4 cbm in der Minute. Die Menge des beim jedesmaligen Steigen des Sprudels auf die Oberfläche gelangten freien kohlensauren Gases beträgt etwa 1,2-1,5 cbm. Dasselbe wird zu Gasbädern benutzt, die in dem sogen. Salinen- oder Gasbad, das unmittelbar über dem mit einer Glaskuppel überwölbten Sprudel erbaut ist und zahlreiche Kabinette enthält, verabreicht werden. Etwa 3 km von K. entfernt, zwischen Dorf und Kloster Hausen, quillt der Schönbornsprudel (20° C.), zugleich eine zweite kohlensaure Gasquelle, die ihre Entstehung ganz wie der Solensprudel der tiefern Abteufung des frühern Salinenbohrlochs verdankt (1831). Sie bietet dasselbe Phänomen des Siedens und Wallens dar wie jener, nur mit noch stärkerer Mächtigkeit, während die Erscheinungen des Intermittierend fehlen. Die Sole beider Thermen, die untereinander im genauen Zusammenhang stehen, findet gegenwärtig nur noch für das Salinenbadehaus und die Badeanstalten zu K. Verwendung. Die chemischen Bestandteile der drei Hauptquellen Kissingens sind nach Liebigs Analyse (1856) in 1 Liter:

Bestandteile Rákóczy Pandur Maxbrunnen

Chlorkalium Proz. 0,275 0,232 0,142

Chlornatrium " 5,589 5,300 2,191

Chlorlithium " 0,119 0,116 0,001

Chlormagnesium " 0,292 2,203 0,062

Bromnatrium " 0,008 0,007 -

Jodnatrium " Spuren Spuren -

Salpetersaures Natron " 0,009 0,003 0,082

Schwefelsaure Magnesia " 0,563 0,574 0,228

Schwefelsaure Kalkerde " 0,374 0,288 0,133

Phosphorsaure Kalkerde " 0,005 0,605 0,004

Kohlensaure Kalkerde " 1,018 0,974 0,578

Kohlensaures Eisenoxydul " 0,030 0,025 -

Kieselsäure " 0,012 0,004 0,009

Ammoniak " 0,001 0,004 -

: 8,195 7,635 3,430

Freie Kohlensäure in 1 Liter ccm ccm ccm

= 1000 ccm 1392,33 1605,66 1395,0

Die Wirkung der Kissinger Mineralquellen beruht vorzugsweise auf ihrem Gehalt an Chlornatrium (Kochsalz), in Verbindung mit Eisen, und ihrem Reichtum an Kohlensäure und äußert sich durch Anregung der Funktionen der Schleimhäute, gelinde Erregung der Darmthätigkeit, Steigerung des Appetits, Beschleunigung des Blutlaufs, also Beförderung des Stoffwechsels. Daher werden dieselben sowohl innerlich (als Getränk), wie äußerlich (in Form von Bädern) mit vielem Erfolg angewendet bei krankhaften Vorgängen des Verdauungsprozesses im allgemeinen (insbesondere Magenkatarrh), bei Skrofulosis, krankhaften Vorgängen im Pfortadersystem (insbesondere Hämorrhoidalkrankheiten), bei Gicht, krankhaften Zuständen des vegetativen Nervensystems und ihren Folgen (Hypochondrie, Hysterie), bei Schwäche und atonischem Zustand des Nerven- und Gefäßsystems (der Organe des Unterleibs), bei chronischem Rheumatismus und Katarrh, Augen- und Gehörleiden, Rotlauf, Krankheiten der Schleimhaut der Respirationsorgane, des Herzens, der Leber und Milz, der Niere und der Blase, ferner bei Geschlechtskrankheiten, krankhaften Zuständen der Haut (Flechten und flechtenartigen Ausschlägen), bei unterdrückten oder zurückgetretenen Krankheitsvorgängen, Nachkrankheiten u. psychischen Krankheiten. Dagegen ist der Gebrauch der Kissinger Salzquellen zu widerraten (zum Teil absolut schädlich) bei Individuen, wo das arterielle, das Herz- und

^[Abb.: Wappen von Kissingen.]