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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Klimakterische Jahre; Klimakterische Zeit; Klimatische Kurorte

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Klimakterische Jahre - Klimatische Kurorte.

die Feuchtigkeit der Atmosphäre und bewirken ein Zurückhalten der Bodenfeuchtigkeit, während vegetationslose Gegenden entgegengesetzte Verhältnisse hervorrufen. Auch das Wohlbefinden der Menschen ist in hohem Grad von der Gleichmäßigkeit des Klimas abhängig, wobei noch die Verteilung der Wärme innerhalb 24 Stunden in Betracht kommt. Gesellen sich zur gleichmäßigen Verteilung der Wärme noch Reinheit der Luft und Beständigkeit im Feuchtigkeitsgehalt derselben, so kann ein Ort mit solchem K. den wohltuendsten Einfluß auf den Menschen ausüben, und wie in solchen Gegenden manche Krankheiten niemals aufzutreten pflegen, so können Menschen, die mit denselben behaftet sind, durch einen längern oder kürzern Aufenthalt an einem sogen. "klimatischen Kurort" (s. d.) geheilt werden.

In Bezug auf das K. eines Ortes ist hier noch die Frage zu erledigen, ob sich dasselbe im Lauf der geschichtlichen Zeit ändern kann. Die Temperatur der Erde ist, soweit die Beobachtungen reichen, dieselbe geblieben. Aus der Thatsache, daß in Palästina heute noch Weinstock und Dattelpalme nebeneinander kultiviert werden wie zur Zeit Moses', schließt Arago, daß sich das K. jenes Landes nicht wesentlich geändert haben kann, weil die geographische Südgrenze für den Weinstock mit der Nordgrenze für die Dattelpalme zusammenfällt. Bei den klimatischen Veränderungen eines Landes hat außer der Wärme auch die atmosphärische Feuchtigkeit einen wesentlichen Einfluß, und für Europa deuten verschiedene Thatsachen darauf hin, daß die Feuchtigkeit in historischen Zeiten abgenommen hat. Das Aussterben gewisser Pflanzen in nördlichen Gegenden sowie das Zunehmen des Eises an der Ostküste Grönlands stehen zwar unzweifelhaft fest, doch kann man daraus ebensowenig wie aus den vielfach beobachteten Veränderungen in der Lage des untern Randes einiger Alpengletscher auf eine säkulare Veränderung im K. schließen, da derartige Erscheinungen vorübergehend und durch andre Verhältnisse als durch klimatische Änderung veranlaßt sein können. Ob eine säkulare Veränderung im K. eines Landes stattgefunden hat oder nicht, wird sich erst nachweisen lassen, wenn Beobachtungen über eine längere Zeit vorliegen als bisher. Vgl. Lorenz und Rothe, Lehrbuch der Klimatologie, mit besonderer Rücksicht auf Land- und Forstwirtschaft (Wien 1874); Hann, Klimatologie (Stuttg. 1883); Woeikof, Die Klimate der Erde (Jena 1886); Köppen, Anleitung zu klimatischen Untersuchungen (Braunschw. 1886).

Klimakterische Jahre (Stufenjahre, kritisches Alter), diejenigen Lebensjahre, in welchen der menschliche Organismus scharf ausgeprägten, gewissermaßen stoßweise auftretenden Veränderungen unterworfen sein soll. Solche stoßweise Veränderungen kommen jedoch genau genommen nicht vor, alle Umwandlungen und Entwickelungsvorgänge am Organismus geschehen vielmehr allmählich. Gegenwärtig pflegt man als k. J. diejenigen zu bezeichnen, in welchen beim Weib die geschlechtlichen Funktionen erlöschen, wo die Frau zur Matrone wird, also etwa das 44.-48. Lebensjahr. In diesem Lebensabschnitt gehen allerdings augenfällige Veränderungen mit dem weiblichen Körper vor sich. Auch ist das Erlöschen der Geschlechtsfunktionen sehr oft mit allerhand Beschwerden und selbst krankhaften Störungen, namentlich im Bereich der Sexualorgane, verknüpft.

Klimakterische Zeit (Tempus climactericum), früher jede astrologisch gefahrdrohende Zeit, d. h. eine Zeit, in der die Konstellation zweier Gestirne für den Einzelnen oder für das Allgemeine Gefahr andeuten soll, so z. B., wenn Mars und Merkur divergieren: Krieg und Hungersnot, etc.

Klimatische Kurorte, Orte, welche durch ihr Klima den Verlauf gewisser Krankheiten günstig zu beeinflussen vermögen. Als klimatische Faktoren kommen hauptsächlich in Betracht: die Entfernung vom Äquator, die Höhenlage, die Beschaffenheit des Bodens (Berg, Thal, Ebene), die Nähe des Meers, die Bewachsung des Bodens (Ackerfeld, Wiese, Wald) und die Bewässerung (fließende, stehende Gewässer). Diese Faktoren bestimmen die Dichtigkeit der Luft, ihre Temperatur und Feuchtigkeit, die Häufigkeit der Niederschläge, den größern oder geringern Schutz vor Winden, das Maß der Besonnung und die Reinheit der Luft von Staub. Daß k. K. nicht in der Nähe großer gewerblicher Betriebe, welche die Luft verunreinigen, liegen können, ist selbstverständlich. In Bezug auf die Benutzung von Heilzwecken unterscheidet man das See- und Küstenklima von den Klimaten des Binnenlandes, die sich wieder wesentlich modifizieren, je nachdem es sich um höher oder niedriger gelegene Ebenen, um Thäler, Berge, um höhere Gebirge oder um das eigentliche Hochgebirge handelt. Die höhern Gebirge unterscheiden sich wieder wesentlich, je nachdem sie unter dem Einfluß von Hochgebirgen stehen oder nicht. Dabei bleibt immer die Hauptfrage, ob der Gang der Meteorationserscheinungen ein gleichmäßiger ist oder nicht. Besondere Beachtung verdienen die Winterstationen, in welchen sich der Winter verhältnismäßig günstig zu gestalten pflegt. Man unterscheidet folgende Gruppen:

1) Die binnenländischen Ebenen, Thäler, Kesselthäler und Höhen bis zu 400 m ü. M. Alle klimatischen Kurorte dieser Art stellen geringe Anforderungen an Atmung und Wärmeausgleich; je mehr sie in geschützter Lage von Wald und Höhen umgeben sind, um so gleichmäßiger ist die Wärme, um so weniger wird Nerventhätigkeit und Stoffwechsel in Anspruch genommen. Es sind daher vorzugsweise reizbare, schwächliche Personen, Rekonvaleszenten von erschöpfenden Krankheiten, Kranke, welche an Katarrhen der Schleimhäute und der Lunge leiden oder zu Erkältungen und Rheumatismus disponiert sind, welche hier Besserung finden. Hierzu zählen Elgersburg in Thüringen, zahlreiche Orte am Harz, Kalw im Nagoldthal in Württemberg, 349 m hoch, mit Tannenluft, Freiburg i. Br., Gernsbach bei Baden-Baden (211 m), Grund am südlichen Harz (303 m) mit Fichtennadelbädern, Milch-, Kräuter- und andern Kuren, Hornberg im Schwarzwald (386 m), Suggenthal ebenda, Neckargemünd (121 m), Wilhelmsbad bei Hanau.

2) Das Bergklima (400-800 m Höhe). Die wechselnde Temperatur dieser meist waldreichen Orte wirkt anregend auf Nervensystem, Atmung und Ernährung, der Puls wird beschleunigt, jedoch in mildem Grad, nicht so stürmisch wie im Hochgebirge, so daß diese K. für sehr viele nicht allzu zarte und reizbare Kranke und Erholungsbedürftige passen. Hierher gehören: St. Andreasberg im Oberharz, St. Blasien und Bruckhaus im Schwarzwald, Friedrichroda in Thüringen, Görbersdorf in Schlesien für chronische Lungenleiden, Lauterberg am Harz, Streitberg in Franken, Triberg im Schwarzwald.

3) Mittlere Höhen unter alpinem Einfluß (500-900 m); sie unterscheiden sich von den vorigen nur graduell, sind im allgemeinen trockner und von schrofferm Temperaturwechsel, so daß sie stärker an-^[folgende Seite]