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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Knochen

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Knochen.

zahlreiche mikroskopisch kleine Lücken in ganz regelmäßiger Anordnung und von bestimmter Gestalt: es sind die sogen. Knochenhöhlen (K Fig. 1-3), welche im lebenden K. die Knochenzellen enthalten. Von ihnen kommen etwa 900 auf ein Quadratmillimeter; sie stehen durch feine hohle Fortsätze miteinander und mit den Haversischen Kanälen in Verbindung und stellen so ein die gesamte Knochensubstanz durchziehendes Röhrennetz her, vermittelst dessen der aus den Blutgefäßen stammende Nahrungssaft auch ins dichteste Knochengewebe eindringt. Die Knochenzellen, welche die Knochenhöhlen vollständig ausfüllen, vereinigen sich gleichfalls unter sich durch zahlreiche feinste Ausläufer zu einem Netz, welches die Ernährung des Knochengewebes vermittelt. In ihnen lagern sich darum auch keine Kalksalze ab. Die Knochen- oder Beinhaut (periosteum) ist eine feste, weißliche, glänzende Faserhaut von wechselnder Dicke, welche den K. überall, mit Ausnahme der überknorpelten Gelenkflächen, überzieht und fest mit ihm zusammenhängt. Mit ihrer äußern Oberfläche verweben sich die Sehnen der Muskeln und die Bänder. Sie ist reich an Blutgefäßen und Nerven, welche beide auch in den K. eindringen. Wird die Knochenhaut auf irgend eine Weise vom K. abgetrennt, so werden letzterm seine Ernährungsquellen abgeschnitten, und er muß, soweit er entblößt ist, absterben (s. Knochenbrand). Anderseits besitzt sie die Fähigkeit, Knochensubstanz zu erzeugen, und thut dies sogar, wenn sie aus dem Zusammenhang mit ihrem eignen K. gelöst und an andre Körperstellen, selbst in andre Individuen, verpflanzt wird. Knochenmark heißt die weiche Masse, welche die Lücken der schwammigen Knochensubstanz ausfüllt. Es besteht aus gallertartigem Bindegewebe mit vielen Fettzellen, ist außerordentlich reich an Blutgefäßen und enthält auch Lymphgefäße. Soweit es nicht in Fettgewebe umgewandelt ist, scheint es gleich der Milz den Ort für die Entstehung der roten Blutkörperchen aus weißen zu bilden.

Entstehung und Wachstum des Knochens sind noch nicht völlig aufgeklärt. Die allermeisten K. des Körpers gehen aus einer knorpeligen Anlage hervor; eine geringe Anzahl aber, nämlich gewisse Schädelknochen, bilden sich aus einer weichen bindegewebigen Anlage heraus. Die Verknöcherung der knorpeligen oder bindegewebigen Anlage der K. findet von ganz bestimmten Stellen (den sogen. Ossifikationspunkten) aus in radial fortschreitender Richtung statt. Die Ablagerung der mineralischen Substanz geschieht aber keineswegs direkt in den Zellen des Bindegewebes oder des Knorpels, so daß diese einfach zu den schon oben erwähnten Knochenzellen würden, vielmehr werden jene Gewebe allmählich aufgelöst und durch echtes Knochengewebe ersetzt. Letzteres wird von besondern Zellen (Osteoblasten), welche vielleicht den im Knochenmark enthaltenen weißen Blutkörperchen entstammen und langsam verkalken, gebildet.

Ihrer Gestalt nach teilt man die K. in lange, platte und dicke (kurze) K. Die langen, cylindrisch gestalteten K. oder Röhrenknochen kommen nur an den Extremitäten vor, wo lange Hebelarme notwendig sind, um große und schnelle Bewegungen auszuführen. Ihr Mittelstück (diaphysis) besteht fast ganz aus Rindensubstanz und führt in seinem Innern den mit schwammiger Substanz und Knochenmark gefüllten Markkanal; die Enden (apophysis, epiphysis) bestehen fast ganz aus schwammiger Substanz mit einem dünnen Überzug von Rindensubstanz. Sie sind ansehnlich dicker als das Mittelstück und tragen die mit einer dünnen Knorpellage überzogene Gelenkfläche. Solange der K. wächst, sind sie mit dem Mittelstück durch eine dünne Knorpelscheibe verbunden, die aber nach vollendetem Wachstum auch verknöchert, so daß alsdann der Röhrenknochen wirklich nur Ein Stück bildet. Platte (breite) K. werden zur Bildung von Höhlen verwendet, z. B. die K. des Schädelgewölbes. Die dünne Lage von spongiöser Substanz, welche zwischen die beiden Rindenplatten eingeschaltet ist, führt hier den Namen Diploe. Die dicken (kurzen) K., wie sie an der Hand und am Fuß vorkommen, bestehen aus schwammiger Substanz mit einem dünnen Überzug von Rindensubstanz. - Die Verbindung der K. untereinander findet bald in beweglicher Weise, durch Gelenke (s. d.), bald in unbeweglicher Weise statt. Im letztern Fall (der sogen. Synar-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 1. Querschliff durch einen Röhrenknochen. Fig. 2. Längsschliff durch einen Röhrenknochen. Fig. 3. Haversisches Kanälchen]