Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kochem; Kochemer Loschen; Kochemersprache; Kochen

903

Kochem - Kochen.

Kochem (Kochheim), Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Koblenz, an der Mosel und an der Linie Perl-Koblenz der Preußischen Staatsbahn (hier mit einem 4100 m langen Tunnel), hat ein Schloß, ein Amtsgericht, Gerberei, starken Mühlenbetrieb, bedeutenden Weinbau und (1885) 3225 fast nur kath. Einwohner. - K. war zunächst als Reichslehen im Besitz der Pfalzgrafen von Aachen und wurde nach deren Aussterben von König Konrad III. eingezogen. Bis zum Ende des 13. Jahrh. hatten dort Burggrafen ihren Sitz, bis König Adolf 1294 K. an Kurtrier verpfändete. Albrecht I. überließ es 1298 dem Erzstift völlig. Die Franzosen verbrannten 1689 einen großen Teil der Stadt, das jetzt beinahe wieder vollständig hergestellte Schloß sowie die nahen Burgen Winneburg und Beilstein, die heute noch als Ruinen die Umgegend schmücken. Vgl. Pauly, Stadt und Burg K. (Kochem 1883).

Kochemer Loschen (Kochemerloschaun, verderbt Kokumloschen, v. hebr. chacham, klug, und laschon, Sprache), der gaunerklassische Ausdruck für den vollkommenen Begriff der Gaunersprache, d. h. der Sprache des Gauners vom Fach. Gleich klassisch ist der Ausdruck Chessenloschen (v. hebr. chess, klug), auch wohl Chessenkohl (von kol, Stimme, Sprache), davon auch das weniger gebräuchliche Kochemerkohl. Die Ausdrücke: Kochemersprache, Kaloschen- oder Galoschensprache, Jenische Sprache sind keine echten Gaunerausdrücke, sondern von Polizei und Volk gemacht; ebenso Schurersprache (v. zigeunerischen schorr, Dieb), obwohl schuren, schorren (Handel treiben, stehlen) ein gebräuchlicher Gaunerausdruck ist. Plattenkohl (v. hebr. polat, glatt sein, entkommen) war der jetzt veraltete stehende Ausdruck in der Bande des Balthasar Krummfinger in der Mitte des 18. Jahrh. Der Ausdruck Kocheme Waldiwerei, den Bischoff in sein (unzuverlässiges) "Gaunerwörterbuch" (Neust. 1822) aufgenommen hat, ist eine Erfindung des Autors und niemals von wirklichen Gaunern für ihre Kunstsprache verwandt worden. Im Dreißigjährigen Krieg kam der rein deutsche Ausdruck Feldsprach auf, der sich jedoch nicht lange gehalten hat. Für "sprechen" ist in der Gaunersprache üblich: dabbern, dibbern, medabber sein, dawern, diwern (sämtlich v. hebr. dabar, dowor, Wort, reden), schmusen (v. hebr. schmuo, Gerücht, Erzählung) und kochem schmusen sowie kochem dibbern. Die Gaunersprache ist durchaus deutsche Volkssprache, welche ihren Zufluß aus allen deutschen Mundarten und, je nach der mehr oder minder starken Berührung und Vermischung der verschiedenen verbrecherischen Elemente untereinander, aus fremden Sprachtypen empfangen hat. Jedes dieser mundartlichen und fremden Elemente bewahrt mit Hartnäckigkeit eine Menge des eigentümlichen Stoffes, der freilich, im langen, lebhaft bewegten Zug von einer Stelle zur andern geführt, sich oft bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet findet. So erscheint die Gaunersprache in ihren Typen als eine konventionelle oder gemachte Sprache, im Gegensatz zu einer naturgemäß gewordenen, und zeichnet sich durchgängig durch Scharfsinn, reiche Phantasie, lebhafte Bilder, übermütigen Witz und verwegene Sprünge aus, z. B.: Kraut fressen, abkrauten, aus der Gefangenschaft (ins freie Feld) fliehen, ebenso die Krautsuppe essen; Speck und Blaukohl, der Staupbesen; Langmichel, Degen; Wittstock, Dummkopf; wittisch, dumm, einfältig; Schwarzreuter, Floh; Grünspecht, Jäger; Windfang, Mantel; Obermann, Hut; stille Marschierer, Läuse; Ockelbe (transponiert), Buckel; thulerisch, lutherisch; Muffert, Nase; Scheinling, Auge; Strohbohrer oder Plattfuß, Gans; Schmalfuß, Katze, etc. Aus dem jüdisch-deutschen Dialekt stammen die Ausdrücke: Tolmann, Dollmann, Galgen; Massematten, Handel, Diebstahl; Reb Mausche (Rabbi Moses), das große Brecheisen bei Einbrüchen; Kleseime, Glaseime (v. hebr. kle und emo, Gerät zum Schrecken), Pistole, etc. Der Zigeunersprache sind entnommen die Ausdrücke: Zink, Nase, Geruch; Wink, Zeichen; zinkenen, zu verstehen geben, winken, bezeichnen; davon Zinkfleppe, Paß, Steckbrief, etc. - Die Grammatik der Gaunersprache beschränkt sich nur auf den schon seit langer Zeit gesammelten Wortvorrat, dessen Studium sehr interessant ist, und zu welchem Pott ("Die Zigeuner in Europa und Asien", Bd. 2, Halle 1845) und Avé-Lallemant ("Deutsches Gaunertum", Bd. 3 u. 4, Leipz. 1862) die bis jetzt vollständigsten Beiträge geliefert haben. Viel ist zu diesem Vorrat auch aus dem eigentümlichen Sprachvorrat deutscher Volksgruppen hinzugebracht worden, z. B. aus der Studenten-, Bauern-, Jäger-, Schiffer-, Bergmanns-, Handwerker-, Soldaten-, Kellner-, Kutscher-, Spieler-, Schinder- und Freudenmädchensprache, welch letztere besonders vom Klerus des Mittelalters mit meistens latinisierenden Bereicherungen versehen worden ist. Die ersten Spuren eines Vokabulars findet man im Notatenbuch des Kanonikus Dithmar von Meckebach in Breslau um die Mitte des 14. Jahrh. Bemerkenswert ist das Vokabular des Ratsherrn Gerold Edlibach (Zürich 1488) sowie auch das sogar von Luther 1523 herausgegebene "Liber vagatorum", welches (abgesehen von einzelnen originellen und verdienstvollen Sammlungen, wie z. B. Mejer, Grolmann und Zimmermann) die Grundlage aller spätern "rotwelschen" Vokabulare und Grammatiken geblieben und vielfach von unwissenden Epigonen entstellt worden ist. Das merkwürdigste, weil einzige unmittelbar von einem gefährlichen Gauner herrührende, Wörterbuch ist die "Wahrhafte Entdeckung der Jauner- oder Jenischensprache von dem ehemals berüchtigten Jauner Kostanzer Hanß. Auf Begehren von Ihme selbst aufgesetzt und zum Druck befördert" (Sulz am Neckar 1791), welches sich bei Avé-Lallemant ("Gaunertum", Bd. 4) vollständig abgedruckt findet. Die namentlich von Thiele aufgestellte besondere "Jüdische Gaunersprache", welche es ebensowenig gibt wie ein besonderes jüdisches Gaunertum, ist eine nur durch Unwissenheit veranlaßte Verwechselung und Identifizierung des Jüdisch-deutschen Dialekts (s. d.) mit der Gaunersprache. Über die gleichfalls häufig mit der Gaunersprache verwechselte Zigeunersprache s. Zigeuner. Vgl. Zinken und Rotwelsch.

Kochemersprache, s. Kochemer Loschen.

Kochen, s. v. w. Sieden (s. d.); in der Technik und im Haushalt die Behandlung verschiedenartiger Substanzen bei der Siedetemperatur des Wassers unter gewöhnlichem, höherm oder niederm Drucke. Durch das K. werden mancherlei Zwecke verfolgt. Flüssigkeiten kocht man, um in ihnen enthaltene Gärungs- und Fäulniserreger zu töten und sie dadurch haltbarer zu machen (Milch, Fruchtsäfte etc.); durch anhaltendes K. werden Flüssigkeiten verdampft (Salzlösungen, Pflanzenauszüge etc.), und wenn die in der Flüssigkeit gelösten Körper bei Siedetemperatur des Wassers und unter dem Einfluß der Luft zersetzt werden, so kocht man im geschlossenen Gefäß, mit welchem eine Luftpumpe verbunden ist, unter niedrigem Druck, bei welchem die Flüssigkeit leichter siedet