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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Kollegianten - Kollektivum.

nisation der Gerichtsbehörden, daher denn auch für die wichtigern Sachen und namentlich für die Entscheidung von Rechtssachen in höherer Instanz Kollegialgerichte (Landgerichte, Oberlandesgerichte, Schwurgerichte, Schöffengerichte, Reichsgericht) eingerichtet sind im Gegensatz zu den Einzelrichtern (Amtsgericht). Für die Verwaltung dagegen empfiehlt sich der Einheitlichkeit der Exekutive wegen das sogen. büreaukratische System, wenn auch Verwaltungsrechtsstreitigkeiten stets von Kollegialbehörden entschieden werden sollten. Im evangelischen Kirchenrecht ist K. gegenüber dem Episkopal- und dem Territorialsystem dasjenige System, wonach die Kirche eine vom Staat verschiedene, durch Vertrag gebildete, selbständige Vereinigung sein soll, welche die Ausübung der ihr ursprünglich selbst zustehenden Gewalt dem Landesherrn übertragen habe. Die kirchlichen Rechte des Landesherrn würden hiernach teils aus dem übertragenen Kirchenregiment herzuleiten sein, so das Recht, die innern Angelegenheiten (Lehre, Kultus, Disziplin) zu ordnen (jura in sacra); teils wären sie (sogen. jura circa sacra) als Ausfluß der oberaufsehenden Gewalt des Staats aufzufassen, so das Recht der Aufsicht (jus inspectionis) und das des Schutzes (jus advocatiae). Das K. wurde von den französischen Reformierten und englischen Presbyterianern aufgestellt und fand eifrige Verfechter in Holland an Gisbert Voet und seiner Schule, in Deutschland an Chr. M. Pfaff in Tübingen. Es ist jedoch nur wenig zur praktischen Verwirklichung gelangt, vielmehr ist die Presbyterial- und Synodalverfassung (s. d.) die herrschende geworden.

Kollegianten, s. Arminianer.

Kollegiaten (lat.), Stiftsgenossen.

Kollegiatstifter, s. Stift.

Kollegiaturen (lat.), Gebäude, in welchen im Mittelalter unter Aufsicht eines oder mehrerer bursarum magistri, die gewöhnlich Kleriker waren, Studierende wohnten, gemeinschaftlich aßen und Unterstützung an Geld erhielten.

Kollegium (Kolleg, lat.), Gesamtheit mehrerer Personen von gleichem Amt und Beruf (Kollegen, collegae), besonders im Staatsleben, im alten Rom auch von gewissen Korporationen, Zünften etc. gebräuchlich. Im modernen Staatswesen heißt K. jede aus einer Mehrheit von Personen bestehende Behörde, deren Mitglieder gleiches Stimmrecht haben. Insbesondere spricht man von einem Richterkollegium und von Kollegialgerichten, wenn zur Beratung und Beschlußfassung der vor dieselben gehörigen Rechtssachen eine Mehrheit von Gerichtspersonen erforderlich ist (s. Kollegialsystem). Vorzugsweise üblich ist das Wort auch als Bezeichnung für die Lehrer einer mehrklassigen Lehranstalt, sofern sie als einheitlicher Körper auftreten (Lehrerkollegium). Auf Universitäten werden die Vorträge der Lehrer, zu welchen die Studierenden sich versammeln, dann auch die Räume, in welchen jene gehalten werden, Kollegien genannt. Man unterscheidet collegia publica (unentgeltliche Vorlesungen), privata (gegen Honorar) und collegia privatissima (Unterrichtsstunden im engern Kreis). Damit hängt zusammen die Bezeichnung der kirchlichen Lehranstalten und später der höhern Lehranstalten überhaupt in England, Frankreich, Rom etc. als College, Collège, Collegium (s. d.). S. auch Collegia nationalia, C. pietatis und Helvetisches Kollegium. Bekannt ist die alte lateinische Rechtsregel: Tres faciunt collegium, "drei gehören zu einem K."

Kollektaneen (lat. Lesefrüchte), Sammlungen von Auszügen, Bemerkungen etc. aus verschiedenen Schriftstellern, ähnlich wie Analekten (s. d.).

Kollekte (lat.), Einsammlung freiwilliger Gaben zur Unterstützung Armer oder Verunglückter, oder auch zur Unterhaltung öffentlicher wohlthätiger Anstalten. Das Kollektieren ist von der polizeilichen Erlaubnis abhängig gemacht, und die Kollektanten stehen unter obrigkeitlicher Kontrolle. K. heißt auch in der katholischen und lutherischen Kirche ein Gebet, das vor der Schriftverlesung am Altar abgesungen wird.

Kollekteur (franz., spr. -ör), Sammler, besonders von Teilnehmern an einer Lotterie; Geschäftsmann, der die Lose vertreibt, die Einsatzgelder annimmt und an die Lotteriedirektion abliefert; s. Lotterie.

Kollektieren (lat.), (freiwillige Gaben) sammeln, eine Kollekte (s. d.) veranstalten.

Kollektion (lat.), Sammlung, besonders Zusammenstellung mehrerer Schriftsteller in einem größern Werk.

Kollektiv (lat.), gemeinschaftlich (z. B. Kollektiveigentum); zusammenfassend, unter einem Begriff und einer Bezeichnung vereinigend.

Kollektivgarantie, die von mehreren Mächten gemeinschaftlich übernommene Garantie, z. B. für die Neutralität eines Staats, wie für diejenige des Großherzogtums Luxemburg, des Congostaats etc.

Kollektivgesellschaft (Société en nom collectif), nach französischem Rechte die Vereinigung mehrerer zum Betrieb von Handelsgeschäften unter gemeinsamer Firma, entsprechend unsrer offenen Handelsgesellschaft (s. d.).

Kollektivglas (Sammelglas), die dem Objektiv zugewendete Linse des Campanischen Okulars (s. Mikroskop); auch überhaupt jede Sammellinse.

Kollektivismus, eine besonders in Frankreich übliche, jedoch nicht unbedingt feststehende Bezeichnung für diejenige sozialistische Richtung, welche es auf Herstellung von Kollektiveigentum (gemeinschaftliches Eigentum der Gesellschaft) an Produktionsmitteln einschließlich des Grund und Bodens absieht. Dies Ziel erstrebt freilich auch der deutsche Sozialismus, er wäre insofern auch K. Doch wird auch von Anhängern des K. (Kollektivisten) als ein Unterscheidungsmerkmal für den K. angegeben, daß derselbe eine auf freier genossenschaftlicher Einigung beruhende Produktionsordnung ohne Staatsgewalt herstellen wolle. Damit würde der K. zur Anarchie (Staatenlosigkeit) in dem bei Sozialisten üblichen Sinn des Wortes. Vom radikalen Kommunismus unterscheidet sich der K. dadurch, daß er Sondereigentum an für die persönliche Bedürfnisbefriedigung bestimmten Gütern (Gütern des Verbrauchs und Gebrauchs) zuläßt. Der Anteil an demselben würde sich nach Maßgabe der Arbeitsleistungen richten, ohne daß jedoch die Auffassungen über die Art der Bemessung und über die wirkliche Durchführung des K. übereinstimmen. Vgl. P. Leroy-Beaulieu, Le collectivisme, examen critique du nouveau socialisme (Par. 1884).

Kollektivkonten, in der Buchführung solche Konten, welche das Endergebnis einer Gruppe von Einzelkonten zusammengehöriger Debitoren oder Kreditoren auf einem Konto zusammenfassen, wie z. B. Lombardkonto, Kontokorrentkonto, Aktienkonto, Dividendenkonto, Konto pro Diverse etc.

Kollektivnote, die von mehreren Kabinetten gemeinsam oder doch in gleichem Wortlaut an eine andre Staatsregierung erlassene Note.

Kollektivprokura, die mehreren Personen gemeinschaftlich übertragene Prokura (s. d.).

Kollektivum (lat.), s. Substantivum. ^[richtig: Substantiv.]