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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Kolonisation - Kolonne.

und Camerun an der Guineaküste, der Küstenstrich von Kap Frio bis zum Oranjefluß in Südwestafrika, die Gebiete der Marshall-, Brown- und Providenceinseln in Polynesien), teils Gesellschaftsschutzgebiete, so das Gebiet der Deutschen Ostafrikanischen Gesellschaft und das der Neuguineakompanie (die Inselgruppen Neubritannien und Neuirland, genannt Bismarck-Archipel, und das Kaiser Wilhelms-Land auf Neuguinea), über welche Schutzbriefe des deutschen Kaisers die Landeshoheit verliehen haben (vgl. Kolonialrecht). Näheres über die deutschen K. enthält das Textblatt zu den beifolgenden Übersichtskarten der K.

Die Anschauungen über die Bedeutung und die Vorteile der K. sind geteilt, wenn auch in neuerer Zeit sich in Deutschland ein Umschwung zu gunsten der Gründung von K. vollzogen hat. Die Gegner der K. weisen darauf hin, daß dieselben dem Mutterland oft mehr Opfer an Geld und Blut gekostet haben, als sie ihm eintrugen. Außerdem machte man geltend, daß, nachdem das Kolonialsystem aufgegeben worden sei, Deutschland mit fremden K. unter den gleichen Bedingungen Verkehr pflegen könne wie das Mutterland. Aufgabe eines jeden Staats sei es, seine innern Verhältnisse möglichst befriedigend zu ordnen und nach außen nur Frieden und einen ungehemmten Verkehr zu suchen. Diese Ansichten fanden freilich in der praktischen Kolonialpolitik bis jetzt wenig Anerkennung. Länder, welche durch wirtschaftliche und politische Verhältnisse in die Lage versetzt waren, K. zu gründen und zu erhalten, haben sich hiervon nicht abschrecken lassen, und in der neuesten Zeit wetteifern europäische Länder miteinander, auswärtige Besitzungen zu erwerben. Hierbei spielen freilich nationaler Wetteifer und Nationalstolz auch eine Rolle, im wesentlichen aber ist der treibende Gedanke echt wirtschaftlicher Natur. Die Auswanderer finden in einer Kolonie unter Landsleuten leichter einen förderlichen Boden für ihre Bestrebungen als unter Fremden. Und wenn die Kolonie ihren Charakter bewahrt, so sind die Bedingungen für einen dauernden Verkehr mit dem Mutterland jedenfalls günstiger als unter sonst gleichen Umständen für einen Verkehr mit fremden Völkern, unter denen die frühern Angehörigen des Landes und deren Abkömmlinge zerstreut wohnen und allmählich ihre Nationalität vollständig abstreifen. Sind wirtschaftlicher Sinn und Unternehmungsgeist vorhanden, so können, wie dies gerade zahlreiche Unternehmungen deutscher Handelshäuser beweisen, auch vorteilhafte Handelsverbindungen mit Fremden unterhalten werden, ohne daß Kolonialpolitik getrieben wird. Eine noch festere Stütze aber erhält der Handel, wenn der Europäer in überseeischen Ländern der gewohnten Sprache, heimischen Gebräuchen und Sitten in Konsumtion und Lebensweise begegnet. Von diesem Gesichtspunkt aus hat man denn auch vorgeschlagen, wenn keine Gebiete mehr zu erwerben seien, die unter die Oberhoheit des Deutschen Reichs gestellt werden könnten, möglichst dahin zu streben, daß ein großer Teil der vielen Tausende von Deutschen, die alljährlich das Vaterland verlassen, sich bestimmten Territorien zuwende, wo ihre Anzahl, vermehrt um den sich immer erneuernden Zustrom aus der Heimat, eine Bürgschaft für Schaffung und Erhaltung von deutschen K. bilde. Vgl. Merivale, Lectures on colonisation and colonies (2. Aufl., Lond. 1861); Roscher, K., Kolonialpolitik und Auswanderung (3. Aufl. mit Jannasch, Leipz. 1885); Leroy-Beaulieu, De la colonisation chez les peuples modernes (3. Aufl., Par. 1887); Moldenhauer, Erörterungen über Kolonial- und Auswanderungswesen (Frankf. a. M. 1878); Fabri, Bedarf Deutschland der K.? (Gotha 1879); E. v. Weber, Die Erweiterung des deutschen Wirtschaftsgebiets (Leipz. 1879); Hübbe-Schleiden, Äthiopien. Studien über Westafrika (Hamb. 1879); Derselbe, Überseeische Politik (das. 1881); Jung, Deutsche K., (2. Ausg., Leipz. 1885); H. Wagner, Über Gründung deutscher K. (Heidelb. 1881); Deckert, Die Kolonialreiche und Kolonisationsobjekte der Gegenwart (Leipz. 1884); Charpentier, Entwickelungsgeschichte der Kolonialpolitik des Deutschen Reichs (Berl. 1886); Baumgarten, Die deutschen K. und die nationalen Interessen (das. 1887); Ring, Deutsche Kolonialgesellschaften (das. 1887); Koschitzky, Deutsche Kolonialgeschichte (Leipz. 1887), und die bei Kolonialrecht angeführten Schriften. Von Zeitschriften sind außer den bereits erwähnten Vereinsorganen noch anzuführen: "Revue coloniale internationale" (hrsg. von Kan u. a., Amsterdam 1885 ff.); "Deutsche Weltpost" (seit 1883, Berl.); "Deutsche Konsulatszeitung" (seit 1882, das.); "Jahrbuch der deutschen Kolonialpolitik" (das. 1887).

Kolonisation (franz.), Gründung einer Kolonie, Bevölkerung einer Gegend durch Ansiedler; kolonisieren, einen Landstrich durch Ansiedelung bevölkern, eine Kolonie gründen.

Kolonisation, innere, s. Kolonien, S. 954 f.

Kolonisationsgesellschaften, Gesellschaften, welche sich die Aufgabe stellen, Kolonien zu gründen. Sie sind echte Erwerbsgesellschaften, wenn sie, wie viele ältere Handelskompanien und auch einige Gesellschaften der neuern Zeit, in fremden Gebieten durch Kauf oder Gewalt Ländereien erwerben oder auch solche, die noch herrenlos sind, in Besitz nehmen und in kleinern Teilen an Ansiedler verkaufen; die meisten jedoch sind gemeinnützige Gesellschaften, welche ohne Rücksicht auf Gewinn aus philanthropischem oder patriotischem Antrieb sich mit der Frage der Auswanderung (s. d., S. 159) und der Kolonisation befassen (s. Kolonien, S. 958).

Kolonist (v. lat. colonus, "Bauer"), der Ansiedler auf bisher noch unbebauten Landstrecken (s. Kolonien); auch s. v. w. Kolone, d. h. der Bauer, welcher an seinem Gut nur Nutzungsrecht hat (s. Kolonat).

Kolonnade (franz.), Säulenhalle, welche aus Säulenreihen, die mit einem leichten Gebälk bedeckt und horizontal überdacht sind, besteht und in warmen Klimaten bei Tempeln, Marktplätzen, Bädern, Palästen etc. häufig, doch auch im Norden, angelegt wurden.

Kolonnäs, Kap, s. Sunion.

Kolonne (franz. colonne, v. lat. columna), eigentlich "Säule", militärisch Heersäule. Wo also vom Einrücken in Feindesland oder vom Anmarsch zur Schlacht in mehreren Kolonnen die Rede ist, versteht man unter K. alle Truppen, die unter gemeinschaftlichem Befehl auf einer Straße vorrücken. Für den einzelnen Truppenkörper ist K. diejenige Formation, mehr tief als breit, bei welcher die Unterabteilungen (Rotten, Sektionen, Züge etc.) hintereinander stehen, im Gegensatz zur Linie, wo sie nebeneinander stehen. Eine K. heißt geöffnet, wenn die hintereinander stehenden Teile so viel Abstand haben, daß sie ohne weiteres zur Linie einschwenken können, andernfalls nennt man sie geschlossen. Nach dem Gebrauch unterscheidet man: 1) Marschkolonnen mit schmaler Fronte, großer Tiefe; 2) Rendezvouskolonnen, möglichst quadratisch, um große Massen auf kleinstem Raum zu versammeln; 3) Manövrier- und Gefechtskolonnen; sie müssen leicht vom Führer zu