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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Konstantinopel

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Konstantinopel (Vorstädte, Bevölkerungsverhältnisse).

Justinians, die beim Thor Egri-Kapu in die Stadt kommt und sich hier in zwei Arme teilt, welche am Schloß der sieben Türme u. an der Hagia Sofia enden.

[Vorstädte.] An dem südlichen Anfang des Bosporus liegt gegenüber dem Serail die Vorstadt Top-Hane ("Arsenal", eigentlich "Kanonenfabrik"), so nach den dort befindlichen Geschütz- und Kugelgießereien genannt. Hart an Top-Hane stößt westlich die große Vorstadt Galata, an der rechten oder nördlichen Seite des Hafens, dem Serail gegenüber, fast eine Stunde im Umfang haltend, im Altertum Begräbnisplatz, im Mittelalter von den Genuesen, gegenwärtig vornehmlich von Griechen bewohnt. Galatas Hauptzierde ist ein 141 Stufen hoher Feuerturm (Galata kulessi), von welchem man die ausgebreitete Aussicht über K. und die ganze Umgebung hat. Galata wimmelt von Handelsleuten, Karrenführern, Lastträgern, Seeleuten etc. und hat steinerne, gewölbte und mit eisernen Thüren versehene Warenmagazine. Nördlich von Galata dehnt sich in höherer Lage die Vorstadt Pera ("jenseits") aus, der eigentliche Sammelplatz der Europäer und das Hauptquartier der Gesandten und Diplomaten. Hauptverkehrsader in derselben ist die sogen. "große Perastraße" (grande rue de Pera). Hier hat man auch auf europäischem Fuß eingerichtete Gasthöfe, Theater, Vergnügungslokale, Konditoreien, Kasinos, elegante Kaufläden, Buchhandlungen, europäische Postämter, Schulen, Brauereien, Spitäler, Kirchen etc. Überhaupt bietet Pera das Ansehen einer italienischen Stadt mit engen Straßen. Sie enthält auf der Höhe zum Teil prachtvolle Paläste (unter denen die Hotels der russischen, der französischen, der englischen und der deutschen Botschaft, das Galata Serai, das Munizipalitätshotel, die Artilleriekaserne zu nennen sind) mit der Aussicht auf die Stadt und das Meer. Im J. 1870 wurde Pera zur Hälfte durch Feuersbrunst zerstört; seitdem dürfen die Häuser nur noch in Stein erbaut werden. Weiter aufwärts am Nordufer des Goldenen Horns liegt die Vorstadt Kassim Pascha, in welcher sich das nach Anleitung abendländischer Offiziere trefflich eingerichtete Schiffsarsenal (Ters-Hane) befindet, ein mit einer Mauer umgebener weitläufiger Bezirk, zu welchem auch das Admiralitätsgebäude, der Kriegshafen und das Bagno gehören. An diese Vorstadt stößt östlich die Vorstadt St. Dimitri, in das obere, meist von Griechen bewohnte Tatavla und das untere Jenischehr zerfallend, letzteres mit sehr gemischter und schmutziger Bevölkerung. Oberhalb der Vorstädte St. Dimitri und Kassim Pascha liegt das ausgebreitete Judenquartier Hasköj. Es folgen die Quartiere Piri Pascha, Chalidschi Oglu und Südlüdsche und nördlich davon, da wo das Goldene Horn sich flußartig verengt, das "Thal der süßen Wasser" (türk. Kiahat-Hane), welches mit seinen frischen Wiesen und Bäumen Freitags ein beliebter Erholungsort der türkischen Frauen ist. Hier liegt auch ein Sommerpalast der Sultane mit Park. Im NW. des Stambuler Dreiecks, am Nordende des Goldenen Horns, liegt die Vorstadt Ejub, welche ihren Namen von dem Fahnenträger des Propheten führt, der hier 668, während der ersten Belagerung Konstantinopels durch Mohammedaner, getötet sein soll. Die Türken bauten hier später über seinem angeblichen Grab eine Moschee, in welcher der Sultan bei seinem Regierungsantritt mit dem Säbel Osmans umgürtet wird, eine Zeremonie, welche die Stelle der Krönung vertritt. Auf der asiatischen Küste liegt gegenüber von Galata und Pera Skutari oder Asküdar (s. Skutari 2); vor der Stadt liegt auf einem 25 Schritt langen und 22 Schritt breiten Felsen der sogen. Leanderturm, von den Türken Kys-Kullessi ("Mädchenturm") genannt, der aber nicht mit der Sage von Hero und Leander in Verbindung gebracht werden darf. Er hieß im Altertum Damalis, und auf ihm sollte Io gerastet haben; 1143 wurde er neu erbaut behufs Absperrung des Bosporus mit einer eisernen Kette. Seine jetzige Gestalt erhielt er durch Mahmud II. und Achmed III. An Skutari schließt sich südlich die vorzugsweise von Griechen, Levantinern und Europäern bewohnte volkreiche Stadt Kadiköj (das alte Chalcedon, berühmt durch das daselbst im J. 451 n. Chr. abgehaltene allgemeine Konzil). Südlich davon liegen im Marmarameer die sieben sogen. Prinzeninseln (s. d.), von denen namentlich die vier größern mit Dörfern, Gärten, Landhäusern und Klöstern bedeckt sind. Auch am Bosporus (s. d.) reiht sich Ort an Ort, und darüber erheben sich zwischen Wäldchen, Gärten und Weinbergen Landhäuser und Kioske, während von den Gipfeln Burgen und Ruinen der byzantinischen Vorzeit herabblicken.

Bevölkerungsverhältnisse.

K. zählt samt den Vorstädten und den Orten längs des Bosporus nach der neuesten offiziellen Zählung (1885) 71,085 Wohnhäuser, wovon aber die meisten klein und schlecht gebaut und nur von je einer Familie bewohnt sind, da das Familienleben der Osmanen nicht gestattet, Fremden einen Teil des Hauses einzuräumen, außerdem 483 Hans (Kaufhäuser), 24,205 Kaufläden und Magazine, 2441 Moscheen, 112 Kirchen orientalischer Riten, 36 Synagogen, 733 Schulen, 260 mohammedan. Klöster, 169 Bäder und 11,227 Gärten und Grundstücke. Die Zahl der Bewohner des gesamten Stadtbezirks beträgt nach derselben Zählung 873,565 (wobei jedoch die Bevölkerung der Prinzeninseln und der bei K. gelegenen Dörfer an der Küste des Marmarameers, wie z. B. San Stefano, Makriköj, Erenköj, Maltepe, Kartal, Pendik, nicht mitgerechnet ist), wovon auf Stambul 389,545, auf Pera, Galata, Top-Hane und die Vororte am Goldenen Horn 237,293, auf das europäische Ufer des Bosporus 99,102, auf Skutari, Kadiköj und das asiatische Ufer des Bosporus 147,625 kommen. Von der Gesamtzahl sind 55 Proz. Türken, die übrigen Griechen, Armenier, Juden, eingeborne Franken und Fremde. Die Griechen haben gewisse Quartiere Stambuls, wie den Fanar, Psamatia, Kumkapu, und die Vorstädte Pera und Galata inne, wiewohl sie auch in allen übrigen Teilen der Hauptstadt und insbesondere in den Dörfern am Bosporus zerstreut wohnen. Sie sind Bankiers, Kaufleute, Ärzte, Architekten, Schiffer; auch findet man sie in allen Zünften und mechanischen Gewerben vertreten. Die glänzende Aristokratie, welche ehemals im Fanar ihren Sitz hatte, siedelte nach dem griechischen Aufstand meist nach Griechenland über, teils wurde sie überallhin in die Provinzen des Reichs zerstreut. Die orthodoxe griechische Kirche hat in K. ihr Oberhaupt, welches den Titel: "Archiepiskopos von K. und ökumenischer Patriarch" mit dem Beiwort "der Allerheiligste" führt und an der Spitze der aus zwölf Bischöfen zusammengesetzten heiligen Synode steht. Die Armenier bewohnen in Stambul die Quartiere von Jedi Kule, Kumkapu u. a., sind aber auch in Pera, Galata und andern Quartieren der Stadt angesiedelt. Vielfach arbeiten sie als Lastträger. Sie sind zum Teil reicher als die Griechen, führen die Aufsicht über die Bazare, und die Großen des Reichs wählen aus ihnen ihre Geschäftsführer und Lieferanten. Die in K.