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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Konstitutionalismus - Konsul (im alten Rom).

auf Verhältnisse, die noch völlig unbekannt sind und zum Teil bei der Zeugung und während des Fötallebens eingewirkt haben mögen. Bei den verschiedenen Konstitutionen kann Gesundheit vorhanden sein, aber wie dieselben allmählich ineinander übergehen, so finden sich auch Ausschreitungen, welche Allgemeinkrankheiten oder Leiden einzelner Organe bedingen. Dabei zeigen die einzelnen Konstitutionen auffällig ungleiches Verhalten gegenüber verschiedenen Krankheiten, ohne daß der Zusammenhang immer deutlich erkennbar wäre. Wie aber bei einzelnen Personen, so zeigt sich auch bei Bevölkerungsgruppen, den Bewohnern eines kleinern oder größern Gebiets eine dauernde eigenartige Neigung zu bestimmten Erkrankungen (endemische K.), die hier gewissermaßen heimisch sind, wie Kropf und Kretinismus in manchen Gebirgsgegenden. Hier wirken Klima, Beschaffenheit des Bodens und des Trinkwassers, die Einrichtungen des Ortes und des Hauses, Nahrung und Erwerbsweise, Sitten und Gebräuche bestimmend, ohne daß man im stande wäre, im einzelnen Fall die Ursachen mit Sicherheit anzugeben. Gegenüber dieser dauernden Neigung zu bestimmten Erkrankungen beobachtet man auch eine wechselnde, die epidemische K., welche das Auftreten und Verschwinden gewisser Krankheiten bedingt. Die großen Volksseuchen des Mittelalters haben jetzt kaum noch Bedeutung, während Typhus und Cholera an ihre Stelle getreten sind und Scharlach und Diphtherie unter unsern Augen an Bedrohlichkeit zunehmen. Auch hier mögen ähnliche und zum Teil dieselben Faktoren wie bei der endemischen K. bestimmend sein; Klima und Bodenverhältnisse haben sich vielfach im Lauf der Jahrhunderte geändert, mehr noch die sozialen Einrichtungen und die ganze Lebensweise, welche wieder einen Wechsel der individuellen K. hervorrief, so daß diese vielleicht in erster Linie zur Erklärung heranzuziehen ist. Vgl. Liebermeister, Über die Ursachen der Volkskrankheiten (Basel 1865); Österlen, Die Seuchen, ihre Ursachen, Gesetze und Bekämpfung (Tübing. 1873); Beneke, Die anatomischen Grundlagen der Konstitutionsanomalien der Menschen (Marb. 1878).

Konstitutionalismus (neulat.), System der verfassungsmäßigen Regierungsweise, insbesondere dasjenige der konstitutionellen Monarchie, welche dem Volk durch seine gewählten Vertreter ein Mitwirkungsrecht bei der Gesetzgebung und das Recht der Kontrolle in Ansehung der Staatsverwaltung einräumt und unverkürzt erhält (s. Staat).

Konstitutionalität (franz.), Verfassungsmäßigkeit.

Konstitutionell (franz.), verfassungsmäßig, der Verfassung des Staats entsprechend; s. Konstitution.

Konstitutionsanomalie, s. Anlage, S. 600.

Konstitutionsbuch, Buch, welches die Verfassung einer Korporation oder Gesellschaft enthält, besonders das einer Freimaurerloge (s. Freimaurerei, S. 652).

Konstitutiv (franz.) heißt im allgemeinen alles, was das Wesen einer Sache ausmacht; daher in der Logik diejenigen Merkmale, welche das Wesen des Inhalts eines Begriffs, sowie diejenigen Grundsätze, welche das Wesen des Inhalts einer Wissenschaft ausmachen, wogegen diejenigen Maximen, welche bloß eine Anweisung zur zweckmäßigen Behandlung oder Erforschung eines oder einer solchen enthalten, regulativ genannt werden.

Konstriktion (lat., "Zusammenschnürung"), ein von Esmarch 1873 angegebenes Verfahren, welches bei Amputationen die Herstellung künstlicher Blutleere bezweckt; es besteht darin, daß das zu amputierende Glied mit einer elastischen, aus gewebtem Kautschukstoff gefertigten Binde fest eingewickelt und durch die gleichmäßige Kompression das Blut aus den Gefäßen des betreffenden Gliedes herausgepreßt wird. Soll z. B. handbreit unter dem Knie amputiert werden, so wird das Glied von den Zehen an bis über das Knie in der angegebenen Weise eingewickelt; wo die Einwickelung aufhört, wird ein Kautschukschlauch von 2-3 cm Durchmesser unter starker Dehnung vier- bis fünfmal um den Oberschenkel gelegt, worauf beide Enden durch eine besondere Vorrichtung miteinander verbunden werden. In neuester Zeit wird der Schlauch durch eine Binde ersetzt, weil ersterer leicht einen zu starken Druck auf die Nerven ausübt und dadurch Lähmungen veranlaßt werden können. Nimmt man die Binde ab, so erscheint der Unterschenkel wie der einer Leiche, und man kann nun operieren, ohne daß der Kranke einen Tropfen Blut verliert, und dies ist der Vorteil der Methode. Nach vollendeter Amputation werden alle als solche erkennbaren Gefäße unterbunden, und hierauf wird die zuletzt angelegte Binde gelöst. Der Stumpf füllt sich sofort mit Blut, und es werden jetzt auch die etwa noch übriggebliebenen spritzenden Gefäße unterbunden. Leider stellen sich jedoch so gewöhnlich noch spätere außerordentlich reichliche Nachblutungen ein, daß durch diesen Nachteil die Vorzüge reichlich aufgewogen und ganz illusorisch werden, so daß die K. mehr und mehr verlassen ist und nur noch in einzelnen besondern Fällen Anwendung findet.

Konstriktor (Constrictor), s. Schließmuskel.

Konstringieren (lat.), zusammenziehen, schnürend binden; konstriktiv, zusammenziehend.

Konstruieren (lat.), zusammensetzen, errichten; ein Ganzes aus einzelnen dazu gehörigen Teilen oder Bestimmungen aufbauen oder darstellen; in der Grammatik: das Abhängigkeitsverhältnis der Wörter eines Satzes angeben und sie demgemäß ordnen.

Konstruktion (lat.), Zusammensetzung, Einrichtung, der Aufbau eines Ganzen aus den einzelnen Teilen; in der Grammatik die Entwickelung der Wortfügung eines Satzes nach den grammatischen Regeln; in der Geometrie die Anwendung derjenigen räumlichen Gebilde (gerader Linien, Kreise, Ebenen), welche zum Beweis eines Lehrsatzes oder zur Auflösung einer Aufgabe erforderlich sind; Konstruktionsmethode, s. Methode.

Konsubstantialität (lat.), s. v. w. Wesensgleichheit (s. Homousios); Konsubstantialismus, die Lehre von der Wesensgleichheit des Sohns mit dem Vater (s. Arianischer Streit).

Konsubstantiation (lat.), die Lehre Luthers, wonach das Brot im Abendmahl im Gegensatz zur Transsubstantiationslehre Brot bleibt, aber so, daß in, mit und unter demselben der Leib Christi dargereicht und genossen wird.

Konsul (lat. Consul), im alten Rom der Titel der zwei höchsten Magistratspersonen, welche nach Abschaffung der Königsherrschaft im J. 509 v. Chr. an die Stelle der Könige traten; doch führten sie diesen Titel erst nach dem Sturz der Dezemvirn (449 v. Chr.), vorher hießen sie Praetores oder Judices. Ihre Macht war im Vergleich mit der königlichen wesentlich dadurch beschränkt, daß sie nur ein Jahr im Amt blieben und daher nach Ablauf desselben zur Rechenschaft gezogen werden konnten, sowie dadurch, daß von dem einen an den andern appelliert werden konnte. Indes lag doch die oberste Regierungsgewalt ebensosehr in ihrer Hand wie in der der Könige. Sie hatten insbesondere im Frieden den Vorsitz und