Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kosaken

108

Kosaken (das Land der Donischen K.; die Nekrassowschen, Uralischen etc. K.).

die Urkunde bezeichnet, mit der Iwan Grosny 1570 ihre Organisation bestätigte. Von nun an nahmen sie eine bestimmte feindliche Stellung gegen Tataren und Türken und erbauten kaum 60 km von Asow ihren befestigten Hauptort Tscherkask. Sie wurden schnell mächtig; ja, sie verschonten gelegentlich auch russische Provinzen nicht und beraubten namentlich die Karawanen, welche von Moskau nach Asow gingen. Auch auf dem Meer trieben sie ihr Unwesen und machten Raubzüge bis weit hinter die Wolga. Über ihre innere Einrichtung besitzen wir aus der ersten Zeit nur sehr dürftige Nachrichten. Obwohl Tscherkask schon damals als Hauptort genannt wird, so ist es doch wahrscheinlich, daß keineswegs alle K. einem Häuptling gehorchten, sondern daß sich die meisten da anschlossen, wo es reiche Beute gab. Mit dem 17. Jahrh. wurde ihr Zustand geregelter. Die Zentralregierung in Tscherkask wurde anerkannt, doch besaß jede Kosakenansiedelung (Staniza) noch ihren eignen Vorsteher und ordnete ihre innern Verhältnisse selbst. Alle K. traten zu einem Kriegsrat (Woiskowoi Okrug) zusammen, in welchem entschieden wurde, ob ein Kriegszug zu unternehmen sei oder nicht, wie die Beute zu teilen u. dgl. Präsident war ein besonderer Woiskowoi Ataman; für den Krieg und die Streifzüge wurde jedesmal ein besonderer Anführer (Pochodnij Ataman) gewählt. Seit 1718 wurden die Atamans von der Regierung bestimmt, und dies war der erste Schritt zur jetzigen Organisation der K. Als sich dieselben wiederholt gegen die Eingriffe der Regierung in ihre alten Rechte aufgelehnt hatten und diese nun ihrerseits vollständig die Gefahr eines solchen "Staats im Staat" einsah, gab der Pugatschewsche Aufstand 1774 und 1775, obwohl die Donischen K. sich wenig an ihm beteiligt hatten, günstige Veranlassung, ihre Freiheiten zu beschränken. Die Volksversammlungen wurden aufgehoben, dagegen aus den Ältesten und Issauls ein Adel geschaffen, aus dem man von nun an alle Ämter besetzte. An die Stelle des Kriegsrats trat eine Kanzlei, welche die Funktionen eines Gerichtshofs übernahm, aber auch die administrativen und finanziellen Verhältnisse zu leiten hatte. Alexander I. schuf einen Bauernstand, wie er in Rußland existierte, und endlich ward 1841 das letzte Zeichen der ursprünglichen Gleichheit unter den K. beseitigt, indem das Land, welches früher gemeinschaftliches Eigentum war, in der Weise verteilt wurde, daß jede freie männliche Seele 30 Deßjätinen, jeder Leibeigne die Hälfte erhielt.

Gegenwärtig bildet das Land der Donischen Kosaken ein eignes russisches Gouvernement von 160,277 qkm (2911 QM.) Flächeninhalt. Es ist eine große Steppe, die von den Flüssen Don, Donez, Medwjediza, Choper, Tschur, Kolitwa, Sal, Aksai, Mius und den Grenzflüssen Manytsch und Kalmius bewässert wird. Der höchst fruchtbare Boden besteht aus einer ziemlich dicken Schicht Humus, welche auf Lehm liegt. Weniger fruchtbar, wegen seines starken Salzgehalts, ist das linke Ufer des Don, eine ganz flache Fortsetzung der aral-kaspischen Ebene, deren vollständige Einförmigkeit nur dann und wann durch einen künstlichen Kurgan (Hünengrab) unterbrochen wird. Das rechte Ufer ist hügeliger und steigt im Bezirk Mius bis 122 m an. Die Flora ist die südrussische, während dieselbe am linken Ufer ganz den Charakter der aral-kaspischen trägt. Vom Areal sind 45 Proz. Ackerland, 42 Proz. Wiesen und Weiden, 2 Proz. Wald und 11 Proz. unbrauchbares Land. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt 6,3° R. Der wärmste Monat (Juli) hat im Mittel 17,7° und der kälteste (Februar) -5,7°. Trotz des strengen Winters gedeiht Wein gut und könnte bei richtiger Behandlung eine große industrielle Bedeutung gewinnen. Zu den wichtigsten Landesprodukten gehören ausgezeichnete Steinkohlen und der in unermeßlicher Menge vorhandene Anthracit. Außerdem liefert das Mineralreich Kreide, Kalkstein, Salz, Glaubersalz, Gips; auch Eisen wird gewonnen. Einen bedeutenden Ausfuhrartikel liefert die Fischerei, namentlich an Hausen, Stören, Sewrugas und Sterletten. Wichtiger noch ist die Viehzucht. 1883 zählte man 1,851,000 Stück Hornvieh, 3,311,000 Schafe und 425,000 Pferde. Die donischen Pferde sind berühmt durch ihre Ausdauer; in jüngster Zeit geschieht auch viel für ihre Veredelung in zahlreichen Gestüten.

Die Bevölkerung des Gouvernements beträgt (1882) 1,474,133 Seelen und schließt auch Tataren und Zigeuner sowie etwa 24,000 nomadisierende Kalmücken, denen ein besonderer Bezirk zugeteilt ist, ein. Der Konfession nach gehören 88 Proz. der griechisch-katholischen Kirche an, 9 Proz. den Raskolniken, ½ Proz. andern christlichen Konfessionen und den Juden; 2½ Proz. sind Heiden. Im Schuljahr 1883 gab es 346 Volksschulen mit 22,377 Schülern (darunter 4126 Mädchen). Die Fabrikindustrie ist noch im Entstehen; der Wert derselben beziffert sich auf 1½ Mill. Rubel. Hauptsächlich werden betrieben: Branntweinbrennerei, Ziegelei, Talgschmelze, Ölschlägerei, Tabaksindustrie, Seife-, Lichte- und Lederfabrikation. Das Land zerfällt in die acht Bezirke: Choper, Donez, Tscherkask, Mius, erster und zweiter donischer Bezirk, Ust-Medwjediza und das Land der nomadisierenden Kalmücken (südlich vom Sal). Außerdem wird es in fünf Militärbezirke geteilt, welche zusammen das donische Kosakenheer stellen, welches im Frieden aus 16 Regimentern zu Pferd, 8 Batterien mit 46 Kanonen und 15,832 Mann, im Krieg aus 47 Reiterregimentern, 16 Batterien mit 100 Kanonen und 46,985 Mann besteht. Die Hauptstadt ist Nowo-Tscherkask.

Aus den Donischen K. hervorgegangen sind die Nekrassowschen K., die nach Bessarabien übergegangen waren, 1812 aber, als dieses russische Provinz wurde, sich den Russen unterwarfen; ferner die Jaikschen oder Jaizkschen K., welche nach der Niedermachung der Donischen K. durch den Heerführer des Zaren Murad Bei 1577 zuerst nach dem Kaspischen Meer entwichen und von da den Jaik hinaufgingen, an dessen Ufern sie 1584 eine Stadt erbauten. Sie waren 1773 die wärmsten Anhänger Pugatschews, weshalb 15. Jan. 1774, um das Andenken an diesen Aufstand zu verwischen, Katharina II. ihre Stadt Jaizk und den Fluß Jaika in "Uralsk" und "Ural" umtaufen ließ und aus den Jaikschen K. das Heer der Uralischen K. bildete (s. unten). Die Kaukasischen Linienkosaken hießen so, weil sie mit ihren Stanizen eine lange Verteidigungslinie Rußlands gegen den Kaukasus bildeten. Schon im 16. Jahrh. hatten sich K. am Terek angesiedelt, später andre auch längs des Kuban; 1722 wurden hier die Terekschen und Kislarschen K. organisiert, welchen dann je nach Notwendigkeit immer neue Kosakenregimenter zugegeben wurden. So entstanden im ganzen 14 Regimenter, welche zwischen den Mündungen des Terek und des Kuban eine ununterbrochene Linie bildeten. Unter allen K. waren diese Linienkosaken die tapfersten. Durch die ewigen Überfälle der Kaukasier in einem beständigen Krieg lebend, wetteiferten sie mit den Tscherkessen an Tapferkeit und List. Auch Kleidung, Waffen sowie manche Sitten und Gebräuche haben sie von letztern angenommen. Nach einem kai-^[folgende Seite]