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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kostrzyn; Kostüm

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Kostrzyn - Kostüm.

dem Großfürsten Iwan III. Wasiljewitsch mit dem Großfürstentum Moskau vereinigt.

Kostrzyn, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Posen, Kreis Schroda, hat (1885) 2067 katholische und meist poln. Einwohner.

Kostüm (ital. costume, franz. costume, hierzu die Tafeln "Kostüme I-III", mit Textblatt), in allgemeinster Bedeutung das den verschiedenen Geschichtsepochen, Ländern, Ständen etc. Eigentümliche und Allgemeinübliche in Tracht, Sitten und Gebräuchen; insbesondere die Art und Weise, sich zu bekleiden, die Wahl der Bekleidung und Schmückung des Körpers nach Form, Farbe und Stoff, einschließlich des eigentümlichen Schnittes oder Arrangements der Haare und des Bartes, der Färbung oder Bemalung der Haut, der Fingernägel etc. Das K. eines jeden Volkes wurde bestimmt durch die Beschaffenheit des Klimas, Charakter und Lebensweise, Bodenproduktion, Viehzucht etc.: Tättowieren der Polynesier, Federtracht der Indianer, Tierfelle der Germanen, Leinen- und Baumwollenstoffe der Ägypter, starre Seiden- und Wollenstoffe der Orientalen, weiche Wollenstoffe der Griechen, die römische Toga, entsprechend dem Streben des Volkes nach würdevoller Erscheinung. Das K. war daher ursprünglich Nationaltracht, welche bei den Völkern der Alten Welt so lange für den strengen Unterschied der Rassen und Nationalitäten charakteristisch war, bis die römische Weltherrschaft die ganze antike Welt umspannte und Rom tonangebend für das K. der zivilisierten, unter römischer Oberhoheit stehenden Bevölkerung des Morgen- und Abendlandes wurde. Die römische Tracht wurde die modische, und damit erschien zum erstenmal der Begriff der Mode (s. d.). Die Fig. 1-7 auf der Tafel "Kostüme I" veranschaulichen die Haupttypen der antiken Tracht. Mit dem Sturz des weströmischen Reichs gewann Byzanz die herrschende Stellung, welche auch auf das K. ihren Einfluß übte (Fig. 8 u. 9). Das antike K. verfiel hier orientalischen Einflüssen, während in Germanien und Gallien, besonders bei den Franken, nationale Überlieferungen bestimmend einwirkten (Fig. 10). Als das Zeitalter der Kreuzzüge einen ununterbrochenen Verkehr der Völker des Abend- und Morgenlandes begründete, wurden die nationalen Verschiedenheiten im K. mehr und mehr beseitigt, und es bildete sich seit dem 11. Jahrh. eine Modetracht, welche meist von Frankreich, zeitweilig (16. und 17. Jahrh.) auch von Spanien bestimmt wurde. Nur Deutschland (16. Jahrh.) und Holland (17. Jahrh.) behaupteten in einzelnen Perioden eine gewisse Selbständigkeit (s. Tafel II, Fig. 6-10, und Tafel III, Fig. 3 u. 6). Das französische K. entwickelte sich im 15. und 16. Jahrh. wieder unter dem Einfluß des italienischen, welches seine Selbständigkeit bis zum Anfang des 17. Jahrh. behielt (s. Tafel II, Fig. 1, 2, 11 u. 13). Besondere Kostümtypen des Mittelalters bilden die flandrische und burgundische Tracht (s. Tafel II, Fig. 3 u. 4), welche das Modekostüm des 14. und 15. Jahrh. waren. Das 15. Jahrh. ist das Zeitalter der Ausschreitungen und Übertreibungen der Mode, wofür Fig. 5, Tafel II, ein bezeichnendes Beispiel liefert (Zattel- und Schellentracht). Seit der Mitte des 16. Jahrh. beginnt die Herrschaft der spanischen Tracht (s. Tafel II, Fig. 12, und Tafel III, Fig. 1), welche in England (s. Tafel III, Fig. 4) und Frankreich (s. Tafel III, Fig. 2) eine freiere Umbildung erfuhr, bis das Zeitalter Ludwigs XIV. eine neue Ära der Kostümgeschichte herbeiführte (s. Tafel III, Fig. 7 u. 8). Die französischen Trachten sind seitdem in allen ihren Phasen, welche bis zum Beginn des 19. Jahrh. durch die Fig. 8-14 auf Tafel III veranschaulicht werden, für die ganze zivilisierte Welt tonangebend gewesen. Erst der Sturz Napoleons III. (1870) hat eine gewisse Unabhängigkeit von Frankreich herbeigeführt. Gleichwohl hat das K. seine nationalen Eigentümlichkeiten verloren und ist zur Modetracht geworden. Das historisch begründete K. hat sich unter dem Namen Nationaltracht nur noch in der Landbevölkerung (auch bei Fischern, Jägern, Bergleuten) Europas und bei den orientalischen und ostasiatischen Völkerschaften erhalten. Doch geht die Nationaltracht der europäischen Landbewohner unter dem Andrang der Mode und dem nivellierenden Einfluß der Städte ihrem Untergang entgegen. Ein besonderes Kapitel der Kostümgeschichte bildet die Tracht der Krieger, Ritter und Militärpersonen. Näheres darüber s. bei Rüstung und Uniform. Mit der Ausbildung des geschichtlichen Sinnes in unsrer Zeit ist das Interesse für das K. außerordentlich gewachsen und spielt namentlich in der Malerei und in der Schauspielkunst eine große Rolle. Während man heute auf äußerste Strenge und historische Treue im K. sieht, waren noch im letzten Viertel des 18. Jahrh. die gröbsten Verstöße gegen die Richtigkeit des Kostüms auf der Bühne herrschend. Fremde Völker und vergangene Zeiten suchte man annähernd durch einzelne Kleidungsstücke anzudeuten. Garrick spielte den Hamlet und Macbeth in einem galonierten schwarzen Samtkleid, Baron, der Schüler Molières, die Helden des Altertums in Allongeperücke, kurzen Beinkleidern, seidenen Strümpfen und Schnallenschuhen. Der Puder und die Frisur mit Haarbeutel oder Zopf galten für alle Zeiten und Völker, und die Mexikanerin wie die Phädra oder Kleopatra wagten es nicht, anders als mit gepudertem Kopf zu erscheinen. Talma (1763-1826) führte bei dem französischen Theater zuerst ein annähernd richtiges K. ein, und die von ihm gegebene Anregung trug die besten Früchte. Früher als Talma hatte sich in Deutschland die Schauspielerin Karoline Neuber in Leipzig (1727-1739) bemüht, das K., dessen Typus sich ganz unter französischem Einfluß entwickelt hatte, zu reformieren und es der jedesmaligen Zeit anzupassen, in welcher das Stück spielte. Der erste, welcher das historisch-richtige K. von wissenschaftlichem Standpunkt aus auffaßte, war Graf Brühl, der in dieser Hinsicht die Berliner Bühne zur Musteranstalt erhob. Das Ausgezeichnetste auf diesem Feld hat früher Dupenchel in seiner Stellung als Kostümier der französischen Großen Oper geleistet. Eine durchgreifende Reform des Theaterkostüms, welche sich vornehmlich auf die Forschungen und wissenschaftlichen Darlegungen von H. Weiß stützte, hat jedoch erst die Meininger Hofbühne seit 1870 herbeigeführt. Der Einfluß derselben hat nicht nur alle hervorragenden deutschen Theater zu strengerer Beobachtung der geschichtlichen Erscheinungsformen genötigt, sondern er ist auch ins Ausland gedrungen. In der Malerei hat sich die Darstellung historisch treuer Kostüme schnell zu einer Spezialität, der Kostümmalerei, entwickelt, die ihren Schwerpunkt in der sorgsamen Wiedergabe der Stoffe gefunden hat. Meissonier, Willems, Ehrentraut, Volkhart, Klaus Meyer, Buchbinder, Probst u. a. sind gegenwärtig Hauptrepräsentanten dieser Gattung der Malerei.

Quellen für die Kenntnis der Kostüme sind im Altertum vorzugsweise die Denkmäler der Skulptur (bemalte Terrakotten) und der Malerei, für das Mittelalter zunächst die Bilderhandschriften, später auch die Grabsteine sowie die Wandmalereien und die Ölbil-^[folgende Seite]