Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

175

Krebsaugen - Krebspest.

Krebsaugen (Krebssteine, Lapides cancrorum), fast linsenförmige, auf der einen Seite konvexe, auf der andern flache, mit einem wulstigen Rand umgebene weiße Kalkkonkremente von 4-10 mm Breite, die sich im Magen der Krebse bilden und bei der Häutung ausgeworfen werden. Sie bestehen aus etwa 63 Proz. kohlensaurem, 17 Proz. phosphorsaurem Kalk, etwas phosphorsaurer Magnesia, 11,5 Proz. Eiweiß, Extraktivstoffen und Chlornatrium und 4,3 Proz. organischer, nicht leimgebender Substanz. In kochendem Wasser werden sie meist rot, und in Säuren löst sich der Kalk, während die organische Substanz zurückbleibt. Die meisten K. kommen aus Galizien und Rußland. Man benutzte sie früher gegen Magensäure, Sodbrennen, zu Zahnpulvern und zur Entfernung kleiner fremder Körper aus den Augen.

Krebsblume, Pflanzengattung, s. Croton.

Krebsdistel, s. Onopordon.

Krebse, im weitern Sinn s. v. w. Krebstiere (s. d.), im engern Sinn und im Gegensatz zu den Krabben (s. d.) oder Kurzschwänzern die langschwänzigen Zehnfüßer (Decapoda macrura) aus der Ordnung der Schildkrebse (s. d.), zu denen Krebs, Hummer, Garneele etc. gehören. Alle diese K. besitzen einen langen, kräftigen, in einer breiten Platte endigenden Hinterleib (Schwanz, Abdomen), mit dem sie sich fortschnellen oder auch, da an ihm fünf Paar breiter Schwimmfüße angebracht sind, schwimmend fortbewegen. Zum Kriechen oder Gehen auf dem Grunde des Wassers dienen ihnen die fünf Paar Gehfüße der Brust, denen sie die Bezeichnung Zehnfüßer verdanken. Im übrigen bilden sie in betreff ihres Körperbaues die Hauptvertreter der ganzen Gruppe, während die Krabben nicht unerhebliche Abänderungen von der ursprünglichen Form erlitten haben (s. Schildkrebse). Auch die Entwickelung zeigt noch in einzelnen Fällen Spuren der frühern Art, indem bei einigen Gattungen die Jungen als Nauplius (s. d.) das Ei verlassen. - Unter den acht oder mehr Familien, in die man die K. einteilt, sind folgende von Interesse:

1) Garneelen (Carididae), kleine oder mittelgroße, meist zarthäutige K., von denen viele Arten an den deutschen Küsten in großen Mengen gefangen werden (s. Garneele). Die größten Formen, bis zu 30 cm lang, finden sich im Mittelmeer sowie in süßen Gewässern der Tropen Amerikas vor.

2) Hummern (Homaridae), die Riesen unter den Krebsen, mit dicker, starker Haut und gewaltigen Scheren am ersten Brustfußpaar. Hierher unter andern Homarus, Hummer (s. d.), Nephrops, der norwegische (übrigens auch im Mittelmeer vorkommende) Hummer, Astacus, der Flußkrebs oder schlechtweg Krebs (s. d.), eine zweifellos aus dem Meer in das Süßwasser eingewanderte Gattung.

3) Langusten oder Panzerkrebse (Loricata), ohne Scheren, daher auch scherenlose Hummern genannt, ausschließlich Meeresbewohner. Die Jungen verlassen als sehr zarte, durchsichtige Tierchen, die man lange Zeit als eine besondere Gattung, Phyllosoma ("Blattleib"), angesehen hat, das Ei und verwandeln sich erst allmählich in die erwachsene plumpe Form.

4) Eryoniden (Eryonidae), sehr merkwürdige Tiere, welche meist fossil (s. Eryon auf Tafel "Juraformation I"), lebend aber fast nur in großen Meerestiefen vorkommen und dann verkümmerte Augen haben.

5) Einsiedlerkrebse oder Paguriden (Paguridae), mit weichem, gewöhnlich in leeren Schneckenschalen untergebrachtem und daher mehr oder minder spiralig gekrümmtem Hinterleib. Man stellte sie früher mit mehreren andern Familien als eine besondere Unterordnung, die Anomura (Ungleichschwänzer), den Macrura und Brachyura gegenüber, rechnet sie jetzt aber meist zu den erstern. In der frühsten Jugend sind sie in der That noch vollständige Langschwänzer, werden jedoch bald unsymmetrisch (s. Einsiedlerkrebse).

Krebsen, das Einfangen der Krebse, wird, wenn es unbefugterweise geschieht, juristisch wie das unberechtigte Fischen behandelt und nach dem deutschen Strafgesetzbuch (§ 296, 370, Nr. 4) mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder mit Haft bis zu 6 Wochen bestraft. Besonders strafbar erscheint das unberechtigte K., wenn es zur Nachtzeit, bei Fackellicht oder unter Anwendung schädlicher Stoffe geschieht. Es tritt dann Geldstrafe bis zu 600 Mk. oder Gefängnisstrafe bis zu 6 Monaten ein.

Krebsgeschwür, s. Krebs, S. 173.

Krebskachexie, allgemeiner Kräfteverfall, der sich im Verlauf der Krebskrankheit bei nahezu allen Kranken einstellt, deren Leiden sich über mehrere Jahre hinzieht. Die K. äußert sich in dem Abmagern der Haut, welche oft ein erdfahles, welkes Aussehen annimmt, an dem Schwunde der Muskeln, welcher ganz der Atrophie im Greisenalter gleicht, und der elenden, schlechten Ernährung aller übrigen Organe, des Herzens, der Leber etc. Der Eintritt der K. erfolgt besonders frühzeitig, wenn durch den Sitz der Krebsgeschwulst eine direkte Ernährungsstörung gesetzt wird, z. B. bei Krebsen der Speiseröhre, des Mageneingangs oder des Pförtnerteils, bei Darm-, Pankreas- und Mastdarmkrebs. Hat das Gewächs an der Haut oder an andern Organen seinen Sitz, so wird die K. im allgemeinen um so früher eintreten, je größer das Gewächs ist, je mehr dem Körper durch Blutungen, Zerfall und Verschwärung der Geschwulst an Ernährungssäften entzogen wird, und je älter die Kranken selbst bereits sind. Die K. führt oft erst nach mehrjähriger Dauer den Tod durch Erschöpfung herbei.

Krebskanon (Canon cancricans, Canone al riverso, Recte et retro), ein Kanon, bei welchem die imitierende Stimme die Hauptstimme rückwärts zu lesen hat, in der Regel mit Verdrehung des Notenblattes.

Krebskraut, s. Crozophora.

Krebsotter, s. v. w. Nörz.

Krebspest, eine in neuester Zeit in einem Teil von Frankreich, Deutschland und Österreich aufgetretene Seuche unter den Krebsen, welche ungemein rapid verläuft, die Tiere zu Tausenden innerhalb weniger Tage hinwegrafft und den gesamten zentraleuropäischen Krebsstand zu vernichten droht. Diese Epidemie scheint zuerst in Frankreich oder in Elsaß-Lothringen aufgetreten zu sein und hat sich von hier aus ziemlich rasch aber Baden, Württemberg, Bayern, Preußen und Österreich verbreitet. In Deutschland sind, wie es scheint, nur Ost- und Westpreußen, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen verschont geblieben. In Österreich ist die Pest noch unbekannt in Vorarlberg, Tirol, Krain, Schlesien, Böhmen, Mähren, Galizien, Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien und Dalmatien. An zahlreichen Orten ist die Krebszucht nebst dem Krebshandel total vernichtet oder auf ein Minimum reduziert, und die Verluste, welche der deutsche und österreichisch-ungarische Krebshandel bereits erlitten, dürften sich wohl nach Hunderttausenden berechnen. Bei den erkrankten Krebsen unterscheidet man einige allerdings rasch aufeinander folgende, allmählich ineinander übergehende Stadien, und niemals tritt Genesung ein. Bei unmittelbar nach dem Tod vorgenommener Sektion zeigte sich die Muskulatur schlaff und gelockert, oft in hochgradigem Zerfall begriffen; als Ursache der K. wurden die Branchio-^[folgende Seite]