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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kreuz

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Kreuz (Kartenspiel, Heraldik, Musik etc.).

dem K. auch Wunderkraft bei, wie sein Zeichen noch heutzutage vom Volk vielfach als Schutzmittel gegen böse Geister angewendet wird. Die im 5. Jahrh. aufgekommene Sitte, unter dem K. ein Lamm darzustellen, aus dessen Brust Blut fließt, wurde auf dem sechsten Konzil zu Konstantinopel 680 verboten und verordnet, anstatt des Lammes den Heiland in Gestalt eines am K. hängenden Menschen abzubilden. So entstand das Kruzifix (s. d.), d. h. ein K. mit dem Bilde des sterbenden Erlösers, das auch die evangelische Kirche als Erinnerungszeichen an den Tod Jesu beibehalten hat und deshalb auf dem Altar aufstellt (Altarkreuz). Vgl. Stockbauer, Kunstgeschichte des Kreuzes (Schaffh. 1870); Fulda, Das K. und die Kreuzigung (Bresl. 1878); E. v. Bunsen, Das Symbol des Kreuzes bei allen Nationen (Berl. 1876). Die Quellen sind am vollständigsten gesammelt in Zöckler, Das K. Christi, kirchlich-archäologische Untersuchungen (Gütersl. 1875).

Die Sitte, daß des Schreibens Unkundige anstatt ihrer Namensunterschrift drei Kreuze zeichnen (s. Analphabeten, am Schluß), findet sich schon im 6. Jahrh. und mag sich so erklären, daß das Kreuzeszeichen die Unterzeichnenden an die Pflicht der Wahrhaftigkeit erinnern sollte. Überhaupt war es gewöhnlich, bei Unterschriften von Urkunden selbst außer dem Namen noch drei Kreuze zu zeichnen; auch findet man dieses Zeichen häufig im Eingang von Diplomen und andern Handschriften anstatt der Anrufung des Namens Gottes. Die griechischen Kaiser schrieben ihr Kreuzeszeichen mit roter, die byzantinischen Prinzen mit grüner Tinte, die englischen Könige vor der normännischen Eroberung in Gold.

Die Kreuze der altnordischen Runensteine haben ihren Ursprung von dem in Kreuzesform gestalteten Hammer des Thor. Auf Münzen und Siegeln bedeutet ein K. die Stelle, wo man die Umschrift zu lesen anfangen soll. Mehrere Münzen haben von dem Gepräge des Kreuzes ihren Namen, z. B. der Kreuzer (s. d.), der Kreuzpfennig der Stadt Bremen, der Kreuzgroschen, der Kreuzdukaten der Könige von Frankreich seit Franz I., die portugiesische Crusade etc.

Im Kartenspiel ist K. die deutsche Benennung für das französische Trèfle; in der Mathematik als stehendes K. (+, plus) Additionszeichen, als liegengendes ^[richtig: liegendes] K. (×) Multiplikationszeichen; bei Thermometerangaben bezeichnet + die Grade über 0.

In der Heraldik kann das K. wohl als das älteste Wappenzeichen bezeichnet werden, denn die Heere, welche nach dem Morgenland zogen, um das Heilige Grab zu befreien, führten ein K. auf Fahne, Schild und Gewand. Des heiligen Reichs Fahne trug schon vor 1200 ein K.; es ist das St. Georgenbanner, welches dem heil. Georg nach der Sage ein Engel vom Himmel brachte. Kaiser Friedrich III. nahm das K. in aller Form in das kaiserliche Wappen auf, doch machten seine Nachfolger von demselben keinen Gebrauch. In der Heraldik kommen die verschiedensten Kreuzformen vor. Die Kreuze, welche in den Schildesrand verlaufen, nennt man die eigentlich heraldischen Kreuze: das gemeine K., bei dem alle vier Arme gleich lang sind (auch griechisches K. genannt, Fig. 1), das Andreas- oder Schrägkreuz (auch burgundisches K. genannt, Fig. 2), das Gabel- oder Schächerkreuz (Fig. 3), das Antoniuskreuz (auch ägyptisches K. genannt, Fig. 4) u. das Tatzenkreuz (auch mantuanisches K. genannt, Fig. 5), ein gemeines K., das breitendig ausgeschweift ist. Berührt das K. den Schildesrand nicht, so nennt man es abgeledigt oder schwebend: gemeines K., schwebend (Fig. 6) und breitendig (Fig. 7). Ist der untere Arm des letzten Kreuzes zugespitzt, so entsteht das Nagelspitzkreuz (Fig. 8). Die Enden der vier Arme des Kreuzes werden in der mannigfaltigsten Weise gemustert. So entsteht das Kleeblattkreuz (Fig. 9), das Ankerkreuz (Fig. 10), das Krückenkreuz (Fig. 11), das wiederholte K. (franz. croix croisée, Fig. 12), das Hakenkreuz (Fig. 13), das Halbkrücken- oder Pfötchenkreuz (Fig. 14). Endlich sind noch die Passions- oder Hochkreuze zu nennen, deren unterer Arm erheblich verlängert ist (Fig. 15); Hochkreuze mit zwei oder mehr Armen heißen Patriarchenkreuze (Fig. 16). Vgl. v. Biedermann, Die Kreuze in der Heraldik (Dresd. 1875). Über die Kreuze der geistlichen und weltlichen Ritterorden s. die einzelnen diesen Orden gewidmeten Artikel.

In der Musik sind das K. (♯) und Doppelkreuz (×) Erhöhungszeichen, s. Erhöhung. Ein im Generalbaß ohne Ziffer überschriebenes K. bezieht sich auf die Terz. Das aufrechte Kreuz (+) ist in englischen Musikalien das Zeichen für den Daumen (s. Fingersatz). Über die Bedeutung des + in der neuern Harmonielehre vgl. Klangvertretung. - Im Maschinenwesen ist K. die Vorrichtung, durch welche eine Stangenkunst mit den Kolbenstangen eines Pumpwerkes in Verbindung gesetzt wird. Das ganze K. besteht aus zwei rechtwinkelig sich durchkreuzenden starken Hölzern, deren vier Enden durch eiserne Schienen verbunden sind; eine eiserne, in Lagern ruhende Welle geht durch die Mitte des Kreuzes. Das halbe

^[Abb.: Formen des Kreuzes in der Heraldik. 1 Griechisches K. 2 Andreaskreuz 3 Schächerkreuz 4 Antoniuskreuz 5 Tatzenkreuz 6 Schwebendes Kreuz 7 Breitrandiges K. 8 Nagelspitzkreuz 9 Kleblattkreuz 10 Ankerkreuz 11 Krückenkreuz 12 Wiederholtes K. 13 Hakenkreuz 14 Halbkrückenkreuz 15 Passionskreuz 16 Patriarchenkreuz]