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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kriegssanitätswesen

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Kriegssanitätswesen (die freiwillige Krankenpflege).

Ambulanzen thätig, welche in drei Sektionen, eine fliegende, eine Reserveambulanz und ein Feldspital, sich gliedern. In der zweiten Linie befinden sich die mobilen und die stehenden Feldlazarette, die Evakuationslazarette, von denen die Absendung nach dem Inland erfolgt, sowie Bahnhofsambulanzen, Hilfslazarette etc. Die Sanitätszüge enthalten höchstens 35 Wagen, darunter 23 Krankenwagen mit je sechs Lagerstätten. Eigentümlich ist die Einrichtung der Chefs de campement, welche für die Verbandplätze und Lazarette geeignete Plätze aufzusuchen haben. - In England enthält das Regulativ über den Sanitätsdienst (royal warrant organisation of the medical staff corps) von 1885 die bezüglichen Bestimmungen. Die Verwundetenpflege bewirken die Truppenärzte, Krankenträgerkompanien, Feldlazarette, vorgeschobenen Lazarettdepots, Etappenlazarette, das Hauptlazarett auf dem Kriegsschauplatz und die Lazarettschiffe zur Überführung der Kranken nach der Heimat. Bei jedem Bahnhofsspital befindet sich eine Rekonvaleszentenstation. - Italien besitzt eine vortreffliche Kriegssanitätsordnung vom 29. Juni 1882. Schon im Frieden bestehen 12 Sanitätskompanien aus Krankenwärtern (infermeria) und Krankenträgern (portaferiti). Die Lazarette gliedern sich auch in mobile Feld-, stehende Kriegs- und Reservelazarette. - In Rußland leidet das Sanitätswesen dadurch, daß es sowohl unter der Leitung des aus Ärzten bestehenden Medizinalressorts als auch des von Generalen gebildeten Hospitalressorts, somit unter einem mit den Kriegsverhältnissen unverträglichen büreaukratischen Formalismus steht. Nach den Bestimmungen von 1871 werden für die Dauer eines Kriegs formiert: Detachements- (Marsch-) und mobile Divisionslazarette, mobile Hospitäler, zeitweilige Kriegs- und stehende Hospitäler; aber nur die Divisionslazarette stehen unter ärztlicher Leitung.

Freiwillige Krankenpflege.

Die freiwillige Krankenpflege ist die Bethätigung des Volkes an der Milderung des Kriegselends und der Not, welche Verwundete und Kranke der kämpfenden Armeen zu ertragen haben, durch Krankenpflege und Hilfsleistung nach jeder Richtung, sei es persönlich oder durch Beisteuer an Geld oder Material. (Im Krieg 1870/71 sind in Deutschland durch freiwillige Gaben gegen 40 Mill. Mk. aufgebracht worden.) Denn der Staat ist in großen Kriegen außer stande, amtlich überall da Hilfe zu bringen, wo solche not thut. Zweck der freiwilligen Krankenpflege ist, den amtlichen Sanitätsdienst zu unterstützen und in einzelnen Punkten zu ergänzen. Bedingungen für ihre Mitwirkung sind: 1) direkte Einordnung in das militärische System und gesetzliche Regelung des Verhältnisses zu den Militär- und Sanitätsbehörden; 2) Organisation der Vereine und Genossenschaften in sich und zu einander; 3) Festhalten bestimmter Grenzen für die Thätigkeit, namentlich Beschränkung auf den Bereich außerhalb des Schlachtfeldes (zweite und dritte Linie). Die Bildung der Vereine vom Roten Kreuz (s. d.) zur freiwilligen Krankenpflege ist hervorgegangen aus der Genfer Konvention (s. d.); ihr Verhältnis zu den staatlichen Sanitätseinrichtungen hat in Deutschland neuerdings gesetzliche Regelung gefunden. Mit Genehmigung des Kaisers ist mit Bayern, Sachsen und Württemberg ein Organisationsplan für die freiwillige Krankenpflege auf Grundlage der Kriegssanitätsordnung festgestellt worden. Grundsatz ist, daß die freiwillige Krankenpflege keinen selbständigen Faktor neben der staatlichen bilden darf, und daß ihr eine Mitwirkung nur insoweit eingeräumt werden kann, als sie dem staatlichen Organismus, den Anordnungen der zuständigen Militärbehörden, sich einfügt und von der Staatsbehörde geleitet wird. Aber es wird auch den verbündeten deutschen Vereinen vom Roten Kreuz und den Ritterorden (Johanniter, Malteser und St. Georgsritter) das Recht zuerkannt, den Kriegssanitätsdienst zu unterstützen. Vereine zum Zweck freiwilliger Hilfe, welche bei Ausbruch eines Kriegs sich bilden und zu den staatlich anerkannten Vereinen vom Roten Kreuz oder den Ritterorden in keiner Beziehung stehen, sind von jener Berechtigung ausgeschlossen. An der Spitze der gesamten freiwilligen Krankenpflege steht der kaiserliche Kommissar und Militärinspekteur (seit 1870 Fürst Pleß), welcher vom Kaiser bereits im Frieden ernannt wird. Das Zentralkomitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz, die Direktionen und Vorstände der einzelnen Landesvereine und die Ordensvertretungen sind in ihren Beziehungen zur Armee seiner Leitung unterworfen; er befindet sich im Krieg im Großen Hauptquartier und leitet hier im Einverständnis mit dem Chef des Feldsanitätswesens der Generaletappeninspektion die freiwillige Krankenpflege im Bereich des Kriegsschauplatzes; im Heimatsland geht die Leitung an den bei Ausbruch des Kriegs vom Kaiser zu ernennenden stellvertretenden Militärinspekteur über, dem Delegierte des Zentralkomitees und der übrigen Vereinsvorstände beigegeben sind. Unter seiner Leitung sind in den einzelnen Ländern Landesdelegierte, außerdem Provinzial-, Bezirks- und Ortsdelegierte (in größern Städten), bei den stellvertretenden Generalkommandos Korps-, bei den Linienkommissionen (s. d.) Linien- (Etappen-), in armierten Festungen Festungsdelegierte thätig. Was sie schaffen, geht durch Vermittelung des stellvertretenden Militärinspekteurs an den kaiserlichen Kommissar, der nun wieder die Verteilung innerhalb des Bereichs der operierenden Armee bewirkt. Unter seiner Leitung sind von ihm erwählte Vereinsdelegierte thätig, die der Bestätigung des Kriegsministers bedürfen und unmittelbar im Verein mit den leitenden Militärbehörden zu handeln verpflichtet sind. Bei jeder Etappeninspektion befindet sich ein Armeedelegierter, bei den Armeekorps neben dem Feldlazarettdirektor ein Korpsdelegierter, bei den Krankentransportkommissionen ein Etappendelegierter, auf jeder Sammelstation ein Unterdelegierter. Die Aufgaben der freiwilligen Krankenpflege erstrecken sich auf die Unterstützung der Krankenpflege, der Krankentransporte, die Sammlung und Beförderung freiwilliger Gaben. Das hierbei zu verwendende Personal muß deutscher Nationalität, militärfrei, unbescholten und für den betreffenden Dienst befähigt sein. Die Vereinsärzte bedürfen der Bestätigung des Kriegsministeriums. Das auf dem Kriegsschauplatz befindliche Personal ist den Militärgesetzen unterworfen und ist verpflichtet, die durch kaiserliche Verordnung vorgeschriebene Uniform zu tragen. Der Korpsdelegierte verabfolgt die Legitimationskarten und abgestempelten Neutralitätsbinden. Internationale Hilfe ist bei der Feldarmee gänzlich ausgeschlossen, innerhalb Deutschlands bedarf sie besonderer Genehmigung des Kriegsministeriums. - In Österreich ist die Mitwirkung der Österreichischen Gesellschaft und des Ungarischen Vereins vom Roten Kreuz, neben denen noch die Ritterorden (Malteser und Deutsch-^[folgende Seite]