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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lager

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Lager (militärisch).

shott und Curragh angelegt, in welchen die Truppen teils in Baracken, teils in Zelten liegen, die Pferde unter freiem Himmel stehen. In Preußen, wo man dem Prinzip der fortschreitenden Manöver treu blieb, fanden deshalb die vorgenannten Übungslager keine Nachahmung. Indessen machen ökonomische Gründe bei Zusammenziehung der Artillerie zu den jährlichen Schießübungen auch hier die Einrichtung von Barackenlagern (s. Baracken) auf den Schießplätzen notwendig. Diese L. werden auch von andern Truppenteilen zu Schießübungszwecken benutzt, dienen aber niemals als Standquartier für Manövrierübungen mit gemischten Truppen, wie dies in andern Staaten der Fall ist.

Von der Gestalt der griechischen L. ist wenig bekannt; selten wurden sie verschanzt, geschah es, so wurden Holz und Steine zur Herstellung der Befestigungen der Erde stets vorgezogen. Dagegen wurde der Lagerplatz in Bezug auf natürliche Verteidigungsfähigkeit mit Sorgfalt und großem Verständnis des Terrains gewählt. Das spartanische L. war kreisrund. Bei den Römern hatten die Taktik wie die täglichen Märsche ein befestigtes L. zur Basis. Sie unterschieden Winterlager (castra hiberna) u. Sommerlager (castra aestiva); letztere waren die beständigen Stützpunkte der Operationen und wurden am Abend jedes Marschtags neu errichtet. Über Lage und Form des Lagers sowie die in ihm zu beobachtende Lagerordnung bestanden sehr genaue Vorschriften. Das L. bildete nach Polybios (s. den Plan) ein Quadrat, die Fronte nach Osten, in derselben das Hauptthor (porta praetoria), durch welches eine Straße zum Feldherrnzelt (praetorium) und zum Thor in der Rückfronte (porta decumana) führte. Hinter dem Prätorium führte die via principalis parallel der Fronte quer durch das L. und Seitenthore (porta principalis dextra und sinistra). Die Zelte, aus Leder, waren gewöhnlich für 10 Mann und ihren Dekanus berechnet. Die Verschanzung bestand aus einem Graben, dem eigentlichen Hindernis, und dem dahinterliegenden Wall, welcher nicht Schutz, sondern erhöhte Stellung gewähren sollte; auf seiner Krone standen die Kämpfer sowie Geschütze (Katapulten) hinter einer Palissadenbrustwehr (torica). In den Winter- oder Standlagern wurden diese Brustwehren nicht nur widerstandsfähiger durch Erdvorlagen gemacht, sondern auch Türme, meist mit Geschützen armiert und durch Wachen besetzt, angelegt; statt der Zelte wurden Holz- oder Erdhütten gebaut. War es nötig, zur Sicherung der Herrschaft in dem besetzten Lande diesen Lagern größere Dauer zu geben, so wurden Brustwehr und Türme, das Prätorium etc., statt aus Holz, aus Steinen aufgeführt, und es entstanden so die festen L., welche die Anfänge vieler jetzt blühender Städte am Rhein bilden. - Die Marschlager der Germanen waren Wagenburgen, aus den Karren des Trosses hergestellt, die Rad an Rad nebeneinander mit aufgehobener Deichsel in einem oder zwei konzentrischen Ringen aufgestellt wurden; sie dienten als Schutzwall, der jedoch bei Standlagern durch Palissadierungen, auch Verschanzungen, verstärkt wurde. Ähnlich waren die L. zur Zeit der Kreuzzüge, rund oder viereckig, innerhalb in regelmäßigen Quartieren die Zelte der Ritter und Hütten der Knappen und Dienstmannen. - Einen eigentümlichen Charakter erhielt das Lagerwesen durch die Hussiten (Anfang des 15. Jahrh.), die mit ihren ganzen Familien auf Wagen ins Feld zogen. Auf der Verwendung dieses großen Wagentrosses mit verhältnismäßig zahlreichen Geschützen als Wagenburg (Tabor, daher Taboriten) beruhte die von Ziska ausgebildete Kampfweise der Hussiten. Die Wagen fuhren in vier Reihen hintereinander; die über die innern Reihen übergreifenden Flügel der äußern (ersten und vierten) Reihe wurden, um das L. oder den Tabor zu bilden, zusammengezogen. Diese Kampfweise wurde auch von den Deutschen im 15. Jahrh. angenommen, nur wurden von diesen besondere Heerwagen, mit 20-25 Streitern besetzte Streitwagen, oder mit dem zunehmenden Gebrauch der Feuerwaffen die vielgestalteten Büchsenwagen verwendet; diese Heerwagen bildeten die äußere, die Troßwagen die innere Reihe der Wagenburg, außerhalb der letztern wurde meist noch Graben und Wall, mit Thoren,

^[Abb.: Plan eines römischen Lagers]