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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Landesaufnahme

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Landesaufnahme (gegenwärtiger Stand in Deutschland).

platten der Topographen so aufgetragen, daß, also diesen wahren Maßen entsprechend, jedes Meßtischblatt ein Trapez bildet und diese zusammengefügt in ihrer Gesamtheit eine dem Erdsphäroid sehr nahe kommende gebrochene Fläche von so viel Facetten, als Blätter vorhanden, aufweisen. So eingeteilt, wird die Landesfläche mit den Bestimmungen über die Darstellungsweise sowie mit den Daten aus den höhern geodätischen Arbeiten den Topographen übergeben, welche an Ort und Stelle die Terrainverhältnisse mit dem Meßtisch aufnehmen. Die Originalaufnahmen (Meßtischblätter) werden zusammengestellt, reduziert, auf Stein oder Kupfer gestochen und als Landeskarte gedruckt.

[Gegenwärtiger Stand in Deutschland.] Die oberste leitende Behörde für die L. in Preußen (Deutschland), das Zentraldirektorium der Vermessungen, hat von allen Projekten und Arbeitsplänen sowie von allen aus Staatsmitteln bewirkten Vermessungen und Kartierungen Kenntnis zu nehmen und die den Arbeiten zu Grunde liegenden Methoden u. Anforderungen festzustellen (vgl. "Militärwochenblatt" 1875, Nr. 88). - Vorsitzender des Zentraldirektoriums ist der Chef des Generalstabs, Mitglieder je zwei Beamte oder Offiziere sämtlicher Ministerien. Die königlich preußische L., ein Teil des Nebenetats des Generalstabs, zerfällt in die trigonometrische Abteilung (für die Arbeiten der höhern Geodäsie), die topographische Abteilung (für die Aufnahme), die kartographische Abteilung (für Herstellung der Karten selbst) nebst der Plankammer. - Die topographische Abteilung hat in fünf Vermessungssektionen jährlich nach Maßgabe einer "Instruktion für die Topographen etc." (Berl. 1876) 200 QMeilen für die Gradabteilungskarte aufzunehmen sowie Rekognoszierungen und Berichtigungen auszuführen. Jeder Topograph nimmt vom Mai bis Oktober 2,7 QMeilen auf. Instrumente: Meßtisch, Kippregel, neuerdings versuchsweise das Aneroidbarometer für Höhenmessungen (Interpolationen). Da jede Meßtischplatte nach Maßgabe der Gradabteilungsprojektion ein geographisch genau festgestelltes Stück der Erdfläche darstellt, so wird dieselbe vor Beginn der Feldarbeit mit dem Minutennetz (d. h. einem Netz, dessen Seitenlängen je zehn Längen- und sechs Breitenminuten aufweisen, also ⅙, bez. 1/10°) versehen und die trigonometrischen Netzpunkte hierin eingetragen. Fernerhin stehen dem Topographen die in seinen Bereich fallenden Flur-, Forst- etc. Karten zur Verfügung, welche er sich mittels des Pantographen oder Storchschnabels (eines mechanisch vergrößernden oder verkleinernden Kopierinstruments) reduziert (Pantographien). Sehr sorgsam ist im Verlauf der Arbeit bezüglich der Randaufnahme zu verfahren, und behufs richtigen Zusammenpassens der Blätter muß man die Nachbararbeiten öfters vergleichen. Im Winter werden die Meßtischplatten in der Zeichnung völlig ausgeführt. Von dem fertigen Meßtischoriginalbatt 1:25,000 werden sofort einige photographische Abzüge gemacht und das Original, nachdem eine Pause auf Pflanzen- oder Glaspapier zur Herstellung der Meßtischlithographien im Originalmaßstab sowie eine Reduktion vermittelst Pantographs in 1:100,000 für die Karte des Deutschen Reichs davon gefertigt, im Archiv niedergelegt. Für die weitere Herstellung der fraglichen Karten werden die kolorierten photographischen Kopien als Vorlage benutzt. Die kartographische Fertigstellung der jährlich aufgenommenen ca. 100 Meßtischblätter 1:25,000 folgt der Aufnahme binnen 1-1½ Jahren, die der aus je 7½ Meßtischblättern bestehenden Karten-Sektionen 1:100,000 (Zeichnung und Kupferstich) binnen 2-3 Jahren. Die Landesaufnahmen wurden früher streng geheimgehalten, sind aber jetzt, soweit sie gedruckt vorliegen, sämtlich käuflich zu haben.

[Geschichtliches.] Die L. wurde in Deutschland zunächst im Beginn des 16. Jahrh. betrieben, so von Apianus (Bienewitz) in Bayern und Österreich, von Mercator und dessen Söhnen in Hessen (vgl. Hauber, Historie der Landkarten, Ulm 1724). Cassini und seine Söhne verbesserten den Modus der L., die größten Verdienste um Vervollkommnung des Wesens der L. erwarben sich aber die Generalstäbe der Armeen, in deren Hände als des der Karte bedürftigsten Faktors die L. übergeben ward (Ausnahmen bilden England und Württemberg). Die für eine geographisch richtige Landeskarte unerläßliche Grundlage eines trigonometrischen Netzes fehlte in Preußen bis 1830. Als gute, für heutige Anschauungen sehr mangelhafte Karten galten in Deutschland 1813 die Haassche Situationskarte der Gegend zwischen Rhein, Neckar, Main, 18 Blätter; die vom geographischen Institut zu Weimar 1809 bearbeitete topographisch-militärische Karte von Deutschland (in 204 Blättern, 1:177,776); die Schmettausche Karte von Mecklenburg 1780-88; der Atlas von Ostpreußen, Litauen und Westpreußen unter Minister v. Schmettau von J. O. ^[richtig: J. C. für Johann Christoph] v. Textor und Engelhardt, 140 Blätter, 1802; die Le Coqsche Karte von Westfalen etc., 1805 (1:86,400, d. h. dem Maßstab der Cassinischen Carte de France von 1793 angeschlossen); endlich die Reymannsche Karte von Deutschland in 1:200,000 (letztere als "Spezialkarte von Mitteleuropa" fortgeführt; weiteres s. unten, S. 447). Alle diese Arbeiten, die auf der Thätigkeit einzelner Männer beruhten, mußten schnell veralten und konnten ohnedies auch in ihrer Eigenschaft als Staats- und Kriegsmittel nur für dürftige Notbehelfe gelten. Die Organisation eines topographischen Büreaus sollte einstweilen Abhilfe für die Zukunft schaffen, und es wurden von diesem unter General v. Decker, dann unter Feldmarschall v. Müffling 3000 QMeilen, doch ziemlich flüchtig, aufgenommen. Einen Umschwung erhielt das Verfahren der topographischen Aufnahme durch die Schriften des sächsischen Majors Lehmann und durch die von Müffling eingeführten trigonometrischen Arbeiten. Auf besonders hohe Stufe gelangte das topographische Verfahren im ehemaligen Kurfürstentum Hessen, woselbst zuerst die Breithauptsche Kippregel (s. d.) Anwendung fand und bereits in den 30er Jahren eine genaue instrumentale Kotierung (Höhenpunktbestimmung), verbunden mit Konstruktion der von Du Carla (Genfer Ingenieur um 1770) eingeführten Niveaulinien, sich Geltung schaffte. (Ähnlich auch in Hannover unter Papen.) Die preußischen, nur das Terrainrelief (in Lehmannscher Weise mittels Darstellung durch Bergstriche) berücksichtigenden Aufnahmen folgten sich in Posen bis 1832, Pommern bis 1838, Brandenburg bis 1845, Westfalen bis 1842, Rheinprovinz bis 1850, Sachsen-Thüringen bis 1859. Seitdem hat sich auch in Preußen das topographische Verfahren Hand in Hand mit der sich mehr entwickelnden Landestriangulation einerseits und der Vervollkommnung der Aufnahmeapparate anderseits (vgl. Meßtisch und Kippregel) und durch die prinzipielle Einführung äquidistanter (d. h. gleichschichtiger) Niveaulinien (seit 1850), speziell unter Generalleutnant v. Morozowicz, zu dem Standpunkt erhoben, den es heute einnimmt. Die seit 1876 neuorganisierte L. übernimmt infolge Militärkonven-^[folgende Seite]