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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Lebende Bilder - Lebensbeschreibung.

samtheit zugleich das logische Merkmal jener Grenzlinie abgäben. Schon eine oberflächliche Kritik der oben angeführten Momente wird jeden Denkenden davon überzeugen, daß der Begriff des Lebens dadurch weder erschöpft, noch abgegrenzt ist. Man kann das L. als Erscheinung einem Feuer vergleichen, welches sich nährt, halb erlischt und wieder aufflammt, und neuere Forscher haben deshalb auch im Feuer den Ursprung des Lebens gesucht. Da indessen die Nahrung und die andern dem L. unentbehrlichen Bedingungen die Wärme, das Licht etc., von außen kommen, so ist das L. keine ausschließlich innere Erscheinung, die durch eine spezifische Kraft, die sogen. Lebenskraft (s. d.), unterhalten wird, sondern beruht auf der Wechselwirkung mit den Außendingen. Daher ist das L. nichts unveränderlich Gegebenes, sondern zeigt eine Anpassungs- und Entwickelungsfähigkeit, welche uns die Mannigfaltigkeit seiner Formen erklärt. Das L. des Individuums erscheint in folgenden drei Hauptformen: Das latente oder Keimleben läßt sich an den Samen und Eiern beobachten. Diese Körper behaupten, wenn nicht übermäßig zerstörende Einflüsse der Außenwelt (z. B. hohe Hitzgrade) sie treffen, ihre Gestalt, Beschaffenheit und Lebensfähigkeit viele Jahre lang. Ähnliche Zustände beobachtet man beim Larven- oder Puppenzustand mancher Insekten, beim Winterschlaf vieler Pflanzen und Tiere, beim Scheintod. Das pflanzliche oder vegetative L. besteht in Wachstum, Ernährung, Absonderung und Fortpflanzung, ohne willkürliche Bewegungen. Das animalische oder tierische L. umfaßt die Vorgänge der Empfindung, der willkürlichen Bewegung, des Denkens etc. Den Pflanzen kommen nur die Prozesse des vegetativen Lebens, den Tieren außer diesen noch diejenigen des animalischen Lebens zu. Mit den genannten Formen des Lebens sind freilich nicht alle Äußerungen desselben erschöpft. Das Studium derselben ist Gegenstand der Pflanzen- und Tierkunde, der Anatomie und der Physiologie. Die Gesamtlehre von den Gesetzen und Erscheinungen des Lebens heißt Biologie. - Der Ausdruck L. wird auch in übertragener Bedeutung vielfach gebraucht. Man spricht von einem geistigen L., von L. in der Geschichte, von Staats- und Völkerleben etc. Gegen diesen Gebrauch ist an sich nichts einzuwenden; nur soll man nicht glauben, daß er dazu dienen könne, den Begriff des Lebens selbst zu erläutern. Im Gegenteil kann die Übertragung des Begriffs auf ein Gebiet, dem er an sich fremd ist, nur zur Verdunkelung desselben beitragen. Vgl. Treviranus, Biologie (Götting. 1802-22, 6 Bde.); Reich, Lehrversuch der Lebenskunde (Berl. 1847, 2 Bde.); Moleschott, Der Kreislauf des Lebens (5. Aufl., Mainz 1876-1886, 2 Bde.); Preyer, Erforschung des Lebens (Jena 1873); Derselbe, Naturwissenschaftliche Thatsachen und Probleme (Berl. 1880); H. Spencer, Prinzipien der Biologie (deutsch, Stuttg. 1876, 2 Bde.).

Lebende Bilder (franz. Tableaux vivants), Darstellungen von Werken der Malerei und Plastik durch lebende Personen. Als Erfinderin derselben wird Frau v. Genlis (s. d.), die Erzieherin der Kinder des Herzogs von Orléans, genannt, die zur Belehrung und Unterhaltung ihrer Zöglinge dergleichen Darstellungen zuerst arrangiert und sich dabei der Hilfe der Maler David und Isabey bedient haben soll. Bekannter sind die Vorführungen besonders antiker Statuen durch Lady Hamilton (s. d., S. 52). Auf der königlichen Bühne zu Berlin machte man zuerst mit Erfolg den Versuch, solche l. B. auch dem größern Publikum zugänglich zu machen. Auch sonst bedient man sich bei besondern Anlässen, Festvorstellungen, Traumerscheinungen etc. auf der Bühne der lebenden Bilder. Während der Dauer der Schaustellung eines Bildes ist die richtige unbewegliche Beleuchtung des Hauptpunktes genau zu beachten. Bei komischen Bildern läßt man auch wohl vor den Augen der Zuschauer die Stellung verändern, so daß der Effekt noch vermehrt und gesteigert wird. Vgl. Wallner, Sujets zu lebenden Bildern (Erf. 1876-81, 2 Bde.).

Lebendgewicht, s. Mästung.

Lebendig begraben, s. Einmauerung und Totenbestattung.

Lebendige Kraft, s. Wucht.

Lebendiggebären (Botanik), s. Durchwachsung.

Lebensalter, s. Alter.

Lebensbalsam, Hoffmannscher (Mixtura oleoso-balsamica, Balsamum vitae Hoffmanni), Lösung von je 1 Teil Lavendel-, Gewürznelken-, Zimtkassien-, Thymian-, Zitronen-, Muskatblüten- und Neroliöl und 3 Teilen Perubalsam in 240 Teilen Spiritus, dient innerlich und äußerlich als belebendes, nervenstärkendes Mittel.

Lebensbaum, Pflanzengattung, s. Thuja.

Lebensbaum, s. Gehirn, S. 2.

Lebensbeschreibung (Biographie) bezeichnet im höhern Sinne nicht die bloße Schilderung des äußern Lebensganges eines Menschen, sondern die mit Erzählung der Schicksale und Thaten eines Individuums verbundene und mit historischer Kunst ausgeführte Darstellung seiner geistigen und sittlichen Entwickelung. So aufgefaßt, bildet die Biographik einen Zweig der Geschichtschreibung, und alle Anforderungen, welche die Wissenschaft an die übrigen Gattungen der historischen Darstellung macht: vollständige Kenntnis und Beherrschung des Stoffes, strenge Wahrheitsliebe, Reife und möglichste Parteilosigkeit des Urteils sowie nicht minder genaue Bekanntschaft mit den Zeitverhältnissen, in welchen der Betreffende lebte, und unter deren Einwirkung er stand, endlich künstlerisch schöne Form der Darstellung, werden auch an eine gute L. gestellt. Es folgt daraus von selbst, daß eine Biographie in diesem Sinne nur Personen zum Gegenstand haben kann, welche durch ihre Stellung im Leben, durch hervorragende Verdienste, durch sittliche Vorzüge oder durch denkwürdige Schicksale als besonders ausgezeichnet dastehen und ein allgemeineres menschliches Interesse erregen. Da übrigens jeder Biograph seinen Mann nur darstellen kann, wie er ihn aufzufassen vermag, so ist, um letzterm gerecht zu werden, ein gewisser Grad von geistiger Verwandtschaft zwischen dem Biographen und seinem Helden erforderlich, und je geistig höher der Darzustellende steht, desto schwieriger ist die Aufgabe, eine gute Biographie von ihm zu geben. - Eine besondere Art der L. ist die Auto- oder Selbstbiographie, bei welcher das Individuum die Darstellung seines Entwickelungsganges selbst gibt, also sein eigner Geschichtschreiber ist. Eins der merkwürdigsten Beispiele dieser Art von Selbstschilderungen, welche einen seltenen Grad von Selbsterkenntnis und noch mehr Wahrheitsliebe erfordern, sind die "Confessions" Rousseaus, vor deren Offenheit man oft zurückschrickt, während Goethes "Wahrheit und Dichtung" zu der Gattung von Lebensbeschreibungen gehört, welche, um sich dem Kunstwerk zu nähern, weniger das Einzelne in das Auge faßt, als vielmehr das Ganze der geistigen Wirksamkeit des Individuums ideell darstellt. Schriften biographischer Art finden wir bereits bei den Alten; es sei hier nur an Tacitus' Biographie des Agricola, an Curtius'