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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Linse

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Linse (optisch).

von der Mitte der L. entfernt ist. Ihm gegenüber verhält sich die L. nämlich wie ein keilförmiges Glas (Prisma, s. d.), dessen Winkel, und daher auch seine ablenkende Wirkung, nach dem Rande der L. hin immer größer wird. Bei den konvexen Linsen ist der Winkel des Keils von der Hauptachse abgewendet, bei den konkaven ihr zugewendet; da nun ein keilförmiges Glasstück einen Lichtstrahl stets von seiner Schneide weg nach dem dickern Teil hin bricht, so werden durch jene die Strahlen nach der Hauptachse zu-, durch diese von der Hauptachse weggelenkt.

Läßt man auf eine bikonvexe L. (AB, Fig. 3) ein Bündel paralleler Sonnenstrahlen fallen, so werden dieselben so gebrochen, daß sie alle durch einen und denselben jenseits auf der Achse gelegenen Punkt F hindurchgehen, weil jeder Strahl, je weiter von der Mitte er auf die L. trifft, um so stärker zur Achse gelenkt wird. Hält man ein Blatt Papier an diesen Punkt, so erscheint er auf demselben als heller Fleck, in welchem nicht nur die erleuchtende, sondern auch die erwärmende Wirkung der auf der L. aufgefangenen Sonnenstrahlen gesammelt ist; das Papier wird daher bald an dieser Stelle so heiß, daß es sich entzündet und verbrennt. Aus diesem Grund nennt man den Punkt F den Brennpunkt (Focus) der L. und die L. selbst ein Brennglas. Fällt das parallele Strahlenbündel von der ändern Seite her auf die L., so erfahren seine Strahlen genau dieselben Ablenkungen und vereinigen sich diesseits in demselben Abstand von der L.; eine L. besitzt daher auf jeder Achse zwei Brennpunkte, welche diesseits und jenseits um die gleiche Strecke, welche man Brennweite nennt, von ihr abstehen. Lichtstrahlen, welche von einem Brennpunkt ausgehen, laufen jenseits mit der zugehörigen Achse parallel (Fig. 4).

Kennt man die Brennweite einer L., so ist dadurch auch die Ablenkung bekannt, welche jeder vom Brennpunkt auf eine Stelle der L. fallende Strahl daselbst erleidet; an derselben Stelle erfährt aber jeder andre Strahl, aus welcher Richtung er auch kommen mag, die nämliche Ablenkung (vorausgesetzt, daß seine Richtung nicht zu sehr von derjenigen der Hauptachse abweicht). Befindet sich z. B. ein leuchtender Punkt in R (Fig. 5) um mehr als die Brennweite von der L. entfernt, so erleidet der nach dem Rande der L. gehende Strahl RA die nämliche Ablenkung, welche der vom Brennpunkt F auf dieselbe Stelle A treffende Strahl FA erleiden würde; seine durch den Winkel RAS ausgedrückte Richtungsänderung ist daher gleich dem Winkel FAN, und er begegnet jenseits dem ohne Ablenkung durchgehenden Achsenstrahl RS in dem Punkt S. In diesem Punkt S müssen sich alle von R aus auf die L. treffenden Strahlen vereinigen, weil jeder in demselben Maße stärker der Achse zugelenkt wird, je weiter von der Mitte er auf die L. trifft. Bringt man ein Blatt Papier an diesen Punkt, so sieht man auf demselben an der Stelle S einen hellen Punkt als Bild des Lichtpunktes R. Ein solches Bild, welches durch das Zusammenlaufen der Lichtstrahlen entsteht und auf einem Schirm aufgefangen werden kann, nennt man ein wirkliches oder reelles Bild. Versetzen wir den Lichtpunkt nach S, so müssen seine Strahlen, weil sie an denselben Stellen der L. genau ebenso stark abgelenkt werden wie vorhin, in dem Punkt R zusammenlaufen, wo vorher der Lichtpunkt war. Die Punkte R und S gehören daher in der Weise zusammen, daß der eine als Bild erscheint, wenn der andre Lichtquelle ist; man bezeichnet sie daher als zusammengehörig oder "zu einander konjugiert". Wenn der eine um mehr als die doppelte Brennweite von der L. absteht, so ist der andre jenseits um weniger als das Doppelte, aber um mehr als die einfache Brennweite von ihr entfernt, und wenn ein Lichtpunkt genau um die doppelte Brennweite von der L. absteht, so befindet sich auch sein Bild jenseits in der doppelten Brennweite.

Befindet sich der Lichtpunkt T (Fig. 6) zwischen dem Brennpunkt F und der L. AB, so reicht ihr Ablenkungsvermögen nicht mehr hin, die stark auseinander laufenden Strahlen (TA, TB) zusammenlaufend oder auch nur gleichlaufend zu machen; sie vermag nur ihr Auseinanderlaufen zu vermindern. Eine Vereinigung der gebrochenen Strahlen jenseit der L. findet also nicht statt; sie gehen vielmehr derart auseinander, daß sie von einem Punkt V der Achse herzukommen scheinen, welcher auf derselben Seite der L. liegt wie der Lichtpunkt, aber weiter als dieser von ihr absteht. Ein von jenseits durch die L. blickendes Auge sieht also statt des Lichtpunktes T einen wei-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 3. Brennpunkt einer konvexen Linse.]

^[Abb.: Fig. 4. Austritt paralleler Strahlen aus einer bikonvexen Linse.]

^[Abb.: Fig. 5. Konjugierte Punkte. (Reeller Bildpunkt.)]

^[Abb.: Fig. 6. Konjugierte Punkte. (Virtueller Bildpunkt.)]