Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lit.; Litä; Litanei; Litauen

833

Lit. - Litauen.

seiner zweiten Periode (Weimar) wandte er sich vorzugsweise der reinen Instrumentalmusik zu im Anschluß an das von Berlioz vertretene Prinzip: bestimmte poetische Objekte durch die Symphonie zum Ausdruck zu bringen und die Instrumentalmusik überhaupt zum Ausdrucksmittel dichterischer und dramatischer Ideen zu erheben. Die hierher gehörigen Kompositionen Liszts sind die zwölf "Symphonischen Dichtungen", jede einsätzig: 1) "Ce qu'on entend sur la montagne", auch als "Bergsymphonie" bekannt (nach V. Hugo); 2) Tasso, Lamento e trionfo; 3) Préludes (nach Lamartines "Notre vie est-elle autre chose qu'une série de préludes?"); 4) Orpheus; 5) Prometheus; 6) Mazeppa; 7) Festklänge; 8) Heldenklänge (Héroïde funèbre); 9) Hungaria; 10) Hamlet; 11) Hunnenschlacht (nach Kaulbach); 12) Die Ideale (nach Schiller). Dazu kommen die zwei mehrsätzigen Chorsymphonien: "Eine Faust-Symphonie" (erster Satz Allegro: Faust; zweiter Satz Andante: Gretchen; dritter Satz Allegro vivace ironico: Mephisto; Schlußchor Andante mistico: "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis etc.") und "Eine Symphonie zu Dantes Divina Commedia" (erster Satz Lento: Inferno; zweiter Satz Andante con moto: Purgatorio; Schlußchor: Magnificat) sowie "Zwei Episoden aus Lenaus Faust" u. a. Ferner fallen in diese Periode: die zur Einweihung der Basilika zu Gran komponierte "Missa solennis" (D dur), die "Ungarische Krönungsmesse" (Es dur), die Chöre zu Herders "Der entfesselte Prometheus", die zwei großartigen Klavierkonzerte in Es dur und A dur, Sonate für Klavier (H moll, ein einsätziges Riesenwerk), Lieder und viele andre Kompositionen. In seiner dritten Periode (Rom bis zu seinem Tod) erscheint L. vornehmlich als Kirchenkomponist. Obenan stehen die Oratorien "Christus" (nach Texten aus der Heiligen Schrift und der katholischen Liturgie) und die "Legende von der heil. Elisabeth" (Text von O. Roquette), beide zum Teil noch in Weimar entstanden; ihnen reiht sich der unvollendete "Stanislaus" an, ferner ein "Requiem" für Männerstimmen und Orgel, Kantaten, Psalmen, Paternoster, kleine Kirchenchorgesänge u. a. In allen diesen Werken verfolgt L. den von Berlioz und R. Wagner eingeschlagenen Weg und bildet mit den Genannten die Spitze der "neudeutschen Schule". Als selbständig schaffender Künstler erfuhr er nicht weniger Anfechtungen als seine beiden Genossen. Erst in neuerer Zeit fanden seine symphonischen Dichtungen wie auch seine reformatorischen Bestrebungen, die Kirchenmusik durch Verschmelzung katholisch-liturgischer und dramatischer Musikelemente dem Bewußtsein der Zeit entsprechend weiter zu gestalten, größere Würdigung, insbesondere durch seine zahlreichen Schüler, die ihm bei seinem dem Idealen zugewandten Naturell als Menschen mit Recht dieselbe Verehrung zollten wie als Künstler. Auch als Schriftsteller hat sich L. eifrig und erfolgreich bethätigt. Die von ihm selbständig veröffentlichten, abgesehen von einer gewissen Überschwenglichkeit des Stils höchst wertvollen Arbeiten sind: "Frédéric Chopin" (Leipz. 1852, 3. Aufl. 1882; deutsch von La Mara, das. 1880); "Lohengrin et Tannhaeuser de R. Wagner" (das. 1851; deutsch, Köln 1852); "De la fondation Goethe à Weimar" (Leipz. 1851); "Des Bohémiens et de leur musique en Hongrie" (Par. 1859, neue Ausg. 1881; deutsch von Cornelius, Pest 1861); "Robert Franz" (Leipz. 1872) sowie zahlreiche Artikel über Litteratur und Kunst in Zeitschriften etc. Eine deutsche Gesamtausgabe seiner Schriften besorgte L. Ramann (Leipz. 1880-83, 6 Bde.); ein thematisches Verzeichnis seiner Werke gaben Breitkopf u. Härtel in Leipzig heraus. Vgl. Ramann, Franz L. als Künstler und Mensch (Leipz. 1880-87, Bd. 1 und 2); R. Pohl, Gesammelte Schriften, Bd. 2: "Franz L." (das. 1883).

Lit. (lat.), Abkürzung für Litera, Buchstabe.

Litä (griech.), Bitten, bei Homer (Ilias, IX, 502 ff.) personifiziert als Töchter des Zeus (vgl. Ate).

Litanei (griech., "Bitten, Flehen"), in der kathol. Kirche ein Gebet, das bei Bittgängen zur Abwehr von Unglücksfällen etc. abwechselnd von dem Geistlichen oder einem Vorbeter und der Gemeinde gesprochen oder gesungen wird. Man unterscheidet eine große und eine kleine L.; den Anfang bildet immer der Bittruf: "Kyrie eleison!", den Schluß der Vers: "Lamm Gottes, das der Welt Sünden trägt, erbarm dich unser!" Auch in den Gottesdienst (besonders an Bußtagen) fand die L. Eingang und wurde für diesen Zweck von Luther sogar für die protestantische Kirche bearbeitet. Im übertragenen Sinn gebraucht man L. für eine lange, eintönige, sich wiederholende Herzensergießung oder Darlegung.

Litauen (Lithauen, russ. u. poln. Litwa), vormals zum polnischen Reiche gehöriges Großfürstentum, bestand vor der Teilung Polens aus dem eigentlichen L., welches die Woiwodschaften Wilna und Troki in sich begriff, aus dem Herzogtum Samogitien und aus dem litauischen Rußland, d. h. den Woiwodschaften, welche von den Litauern früher den Russen abgenommen worden waren, nämlich dem alten Polesien, Schwarzrußland oder Nowogrodek und Weißrußland oder Minsk, Mcisclaw, Witebsk, Smolensk, Plozk und Polnisch-Livland. Bei der Teilung Polens ward diese über 275,000 qkm (5000 QM.) umfassende Ländermasse zwischen Rußland und Preußen geteilt; doch fielen die preußischen Erwerbungen später ebenfalls an Rußland (s. unten, Geschichte). - Die Litauer (poln. Litwini, russ. Litowzi) bilden mit den Letten, den alten Preußen und den Shmuden (Samogitiern) einen besondern Zweig des sogen. baltischen oder slawolitauischen Astes des indogermanischen Völker- und Sprachstammes, den litauischen. Sämtliche litauische Stämme zählen gegen 3 Mill. Seelen, darunter 1,2 Mill. Letten (s. d.) und 0,7 Mill. Shmuden (meist in den Gouvernements Kowno und Suwalki); der Rest (1,1 Mill.) sind eigentliche Litauer (meist in den Gouvernements Kowno und Wilna). Letztere, die sich übrigens sehr stark mit den Nachbarvölkern vermischt haben, sind blond, von festem Körperbau, religiös, in hohem Grad abergläubisch und hängen mit großer Zähigkeit an den althergebrachten heidnischen Gebräuchen. Die Wohnungen sind ärmlich und unsauber, die Wände immer mit einer Menge von Heiligenbildern geschmückt. Die Litauer bekennen sich größtenteils zur römisch-katholischen Kirche; doch wächst die Zahl der zur griechisch-katholischen Kirche Gehörenden beständig, seit Kaiser Nikolaus die unierte Kirche in L. aufgehoben und mit der griechisch-katholischen verbunden hat. Im nördlichen Ostpreußen (namentlich in den Kreisen Heydekrug, Memel, Tilsit, Ragnit, Niederung, Pillkallen und Labiau) wohnen ca. 150,000 protestantische Litauer.

L. ist etwa seit 850 n. Chr. von dem Volk der Litauer bewohnt. Die Vorzeit bis 1230 ist mythisch. Bis dahin lebten die litauischen Stämme unter kleinen Fürsten. Sie hatten eine strenge Kasteneinteilung in Priester, Fürsten (preuß. Reiks oder Rekis, lit. Kuingas, lett. Kungs), Krieger, Grundbesitzer, freies Volk und Leibeigne. Geschriebene Gesetze kannten sie nicht. Die oberste Gewalt befand sich in der Hand