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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lokomotive

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Lokomotive (feuerlose).

Verbindung auch in dünn bevölkerten Gegenden, weil ihre Betriebskosten im Vergleich zu denen einer gewöhnlichen L. mit der geringst erlaubten Wagenzahl geringfügig sind. Der Weißenbornsche Dampfwagen besteht aus einem langen Eisenbahnwagen, welcher einen Maschinenraum, einen Gepäckraum und Koupees zweiter und dritter Wagenklasse enthält. Derselbe ruht vorn und hinten auf je einem vierräderigen Gestell, deren hinteres fest mit dem Wagen verbunden ist, während das vordere, welches einen stehenden Dampfkessel und die Dampfmaschine trägt, mit dieser nach Öffnung der die Stirnwand des Wagens bildenden Thüren und nach dem Herausziehen eines Kuppelungszapfens sowie nach Unterstützung des vordern Wagenteils durch eine unter dem Wagen befestigte Winde ausgefahren werden kann, eine Anordnung, welche eine getrennte Anschaffung, Reparatur und Unterbringung von Wagen und Maschinengestell gestattet. Der Belpairsche Dampfwagen ruht auf drei gleichmäßig verteilten Achsen und stimmt in der Wageneinteilung mit dem Weißenbornschen ziemlich überein, hat jedoch einen liegenden Röhrenkessel, welcher samt der Maschine mit dem Wagenkasten unlösbar verbunden ist. Dampfwagen und Dampfomnibusse (auch Dampfkutschen) werden übrigens auch solche Fahrzeuge genannt, welche sich auf ungeschienten Wegen selbstthätig fortbewegen sollen. (Vgl. Lokomobile, Abschnitt Straßenlokomotive.)

Zum Ersatz der Pferde auf lebhaft frequentierten Straßenbahnen (Pferdebahnen) werden vorteilhaft kleine Lokomotiven verwendet (Tramwaylokomotiven, Straßenbahnlokomotiven, auch wohl gar Pferdebahnlokomotiven genannt), welche jedoch mit Rücksicht auf den sonstigen Straßenverkehr in ihrer Konstruktion einigen besondern Bedingungen genügen müssen. Die Maschine muß einen ruhigen Gang haben, darf kein ungewöhnliches Geräusch verursachen und weder die Fahrgäste noch die Anwohner und Passanten der Straße irgendwie belästigen. Bei sehr leichter Bremsbarkeit muß die ganze Erscheinung der L. derart sein, daß begegnende Pferde nicht scheuen; besonders müssen alle sich bewegenden Teile verkleidet sein, und die Maschine darf keine Asche fallen, keinen Rauch, keine Feuerfunken, kein rußiges Wasser, keinen Dampf entweichen lassen. Wegen der letztern Bedingung sind die Tramwaylokomotiven mit einer sonst bei Lokomotiven nicht üblichen Kondensation (gewöhnlich einer durch die Luft gekühlten Kondensationsschlange auf dem Wagendach) versehen. Die genannten Ansprüche werden von den gegenwärtigen Tramwaylokomotiven noch nicht in dem Maß erfüllt, daß besonders vorsichtige Polizeiverwaltungen, wie die von Berlin, ihre Verwendung innerhalb verkehrsreicher Städte gestatteten. Bilden die Tramwaylokomotiven mit dem Personenwagen zusammen ein Ganzes, so wird auch dies wohl Dampfwagen genannt.

In letzter Zeit haben die sogen. feuerlosen Lokomotiven oder Lokomotiven mit feuerloser Dampfmaschine viel von sich reden gemacht, mit welchen Namen zwei ganz verschiedene Lokomotivsysteme belegt werden. Die feuerlosen Lokomotiven nach dem Patent Francq u. Lamm (gebaut von der Lokomotivenfabrik Hohenzollern in Düsseldorf) haben statt des eigentlichen Kessels ein liegend-cylindrisches Reservoir (Rezipient), welches zum Teil mit Wasser gefüllt und dann von einem stationären Dampfkessel aus mit Dampf von hoher Spannung gespeist wird. Der so aufgespeicherte Wärme- und Dampfvorrat reicht für einen etwa einstündigen Betrieb des im Prinzip durch nichts von einer gewöhnlichen Lokomotivmaschine unterschiedenen Motors aus, worauf die L. zum Kesselhaus fahren und eine neue Dampffüllung aufnehmen muß. Ein zwischen Reservoir und Maschine eingeschaltetes Reduzierventil (Druckregulator, s. d.) hält den Druck des zur Maschine tretenden Dampfes, unabhängig von den starken Druckschwankungen im Reservoir, immer in den Grenzen von 1½-2 Atmosphären, für welche die Maschine konstruiert ist. Verwendung finden diese Lokomotiven bei Tramways, als Rangierlokomotiven und zur Stollenförderung in Bergwerken. Ihre Vorteile gegenüber gewöhnlichen Lokomotiven sind außerordentliche Einfachheit und geringste Reparaturbedürftigkeit der Kessel, Verminderung der Armaturteile, Wegfallen der Feuerung und der Räume für Speisewasser und Kohlen, daher auch gänzliche Vermeidung des Rauchs und Funkenwerfens; ferner leichte Bedienung durch einen Mann (der Heizer fällt ganz fort), trotz verschiedener Dampfverluste gute Dampfausnutzung, also nach alledem geringe Unterhaltungs- und Betriebskosten. Die Anschaffungskosten der L. selbst sind gering, doch müssen auch die Kosten für die stationären Kessel berücksichtigt werden. Ein Hauptbedenken gegen die Anwendung dieser Lokomotiven ist darin zu finden, daß sie, sobald durch irgend welche Zwischenfälle die in den Rezipienten aufgespeicherte Kraft vor Erreichung der Füllstation zu Ende geht,

^[Abb.: Fig. 8. Honigmanns Natronlokomotive.]