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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: London

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London (öffentliche Bauwerke, Paläste etc.).

sind dem neu zu erbauenden Kriegs- und Marineministerium Bauplätze angewiesen. Am Strand, bei der Waterloobrücke, liegt Somerset House, das Meisterwerk Sir W. Chambers', 1776-1827 im Stil Palladios erbaut, mit 183 m langer Fassade nach der Themse hin und schönem Hof mit dem Denkmal Georgs III. In ihm befinden sich das Standes- und das Steueramt. Die Record Office (Staatsarchiv), ein seit 1856 feuerfest aufgeführter gotischer Bau mit dickem viereckigen Turm, liegt versteckt in einer Hintergasse bei Fleet Street. Das von Smirke 1825 bis 1829 errichtete Generalpostamt liegt bei der St. Paulskirche und hat eine 107 m lange Fassade mit ionischem Portikus. Ihm gegenüber steht das 1874 errichtete Zentraltelegraphenamt. In diesen beiden Gebäuden arbeiten an 5000 Beamte (mit Einschluß zahlreicher Telegraphistinnen). Trinity House, Sitz der mit dem Lotsenwesen und den Leuchttürmen betrauten Behörde, und die königliche Münze sind ziemlich unansehnliche Gebäude beim Tower. Für die Münze ist indes auf dem Themsedamm ein Neubau im Entstehen. Unter den städtischen Gebäuden sind hervorzuheben die Guildhall oder das Rathaus, 1411 erbaut, aber später vielfach restauriert. Die große Halle, in welcher die städtischen Festlichkeiten stattfinden, ist 46,6 m lang, 15,2 m breit, 16,8 m hoch und enthält auch einige Denkmäler; Gänge führen von ihr in die städtische Bibliothek und das Museum (1870-73 erbaut) sowie in einige der städtischen Gerichtshöfe. Das Mansion House, die Amtswohnung des Lord-Mayors, ward 1739-41 von Dance aufgeführt und hat einen korinthischen Portikus von sechs Säulen. Unter seinen Räumen ist die sogen. Ägyptische Halle der bedeutendste. Ihm gegenüber liegen die 1841-44 erbaute Börse (Royal Exchange) mit stattlichem korinthischen Portikus und die hinter einer ornamentalen Mauer versteckte Bank von England.

Die obersten Gerichtshöfe des Landes tagen seit 1882 in dem nach den Plänen Streets errichteten ziemlich schwerfälligen, gotischen Bau, der nach dem Strand zu eine Fassade von 152 m hat, so recht in der Mitte des Advokatenviertels und seiner Inns of Court. Diese Inns sind von alters her Sitz der englischen Rechtsgelehrsamkeit. Sie sind Eigentum der vier großen Advokateninnungen, welche sie durch Kauf oder Schenkung erworben haben, und die Mehrzahl der angesehenen Advokaten Londons hat in ihnen ihre Büreaus. Die vornehmste dieser Inns ist der Temple, 1184-1313 im Besitz der Tempelherren und später der Johanniter, welche ihn an eine Genossenschaft von Rechtsgelehrten vermieteten, die sich bis auf den heutigen Tag in dessen Besitz erhalten hat. Außer zahlreichen Wohnhäusern befinden sich im Umkreis des von Fleet Street bis zur Themse reichenden innern und mittlern Temple (einen äußern Temple gibt es nicht mehr) eine 1185 in normännischem Stil erbaute Rundkirche mit im 13. Jahrh. angefügtem frühenglischen Chor, die zwei "Hallen" oder gemeinschaftlichen Versammlungslokale und eine 1861 errichtete Bibliothek. Lincoln's Inn hat eine von Inigo Jones erbaute Kapelle und eine prächtige, im Tudorstil aufgeführte neue Halle mit daran stoßender Bibliothek. Noch weiter nach N. hin, jenseit Holborn, liegt Gray's Inn mit 1560 erbauter Kapelle, früher Klostereigentum, aber von Heinrich VIII. den Rechtsgelehrten überlassen.

L. hat zwar nur wenige große Kasernen (die ganze Garnison, einschließlich Woolwich, besteht nur aus 5 Bataillonen Infanterie, 2 Regimentern Gardereiterei und 12 Batterien), besitzt aber trotzdem einige Militärbauten von hohem Interesse. Unter ihnen ist der altehrwürdige Tower unterhalb der City, am Themseufer, am merkwürdigsten. Derselbe bedeckt eine Oberfläche von 5½ Hektar, ist von einem tiefen, jetzt trocknen Graben umschlossen und hat in der Geschichte Englands als Festung, Gefängnis, Schatzkammer, Zeughaus und königliche Residenz eine merkwürdige Rolle gespielt (vgl. Dixon, Der Tower von L., deutsch, Berl. 1870, 2 Bde). Der "weiße Turm" in der Mitte ist der älteste Teil und wurde 1078 von Wilhelm dem Eroberer gebaut. Er enthält eine normännische Kapelle und einen geschmackvoll geordneten Vorrat von 60,000 Gewehren. An ihn schließt sich eine höchst wertvolle und gut geordnete Waffensammlung an. Unter den andern Türmen sind historisch merkwürdig: der Beauchamp Tower, im 13. Jahrh. erbaut, in welchem die beiden Grafen Warwick bis zu ihrem Tod gefangen saßen; der Bloody Tower, in welchem die Kinder Eduards IV. ermordet wurden; der Brick Tower, welcher der Jane Gray als Gefängnis diente; der Record Tower, welcher früher das königliche Archiv enthielt, und in welchem jetzt ein Teil der Kronjuwelen aufbewahrt wird. Die königlichen Gemächer, in welchen Anna Boleyn bis zu ihrem Tod wohnte, wurden 1688 abgebrochen. Die neue Kaserne steht an Stelle des alten Zeughauses. Auf dem innern Hofraum fielen die Köpfe zweier Gemahlinnen Heinrichs VIII. (Anna Boleyn und Katharina Howard), der Königin Jane Gray und des Grafen Essex. Sie sowohl als die 1389-1746 auf dem Towerhügel gerichteten "Hochverräter" haben in der unansehnlichen Kirche St. Peter ad Vincula (1272-1307 erbaut) ihre letzte Ruhestätte gefunden. Das von Karl II. gestiftete, von Wren erbaute Chelsea Hospital ist ein Invalidenhaus für Soldaten. Greenwich Hospital ist der neugegründeten Seeakademie überlassen worden (s. Greenwich).

Unter den Gebäuden, welche der Kunst und Wissenschaft dienen, gebührt auch architektonisch dem Britischen Museum (s. d.) der vornehmste Rang, wogegen die Nationalgalerie in einem äußerlich unansehnlichen Gebäude untergebracht ist. Bemerkenswert ist auch das vom Staat erbaute neue Burlingtonhaus, in welchem die Royal Society und andre gelehrte Gesellschaften ihren Sitz haben. Der Hauptbau, in italienischem Geschmack, liegt an Piccadilly. Ein hoher Thorweg führt in den Hof, dessen Hintergrund das Haus der königlichen Akademie der Künste einnimmt. Nördlich davon liegt der Palast der Londoner Universität, im Stil Palladios, mit zahlreichen Statuen. Ferner verdienen Erwähnung das Museum in South Kensington, das ebendort erbaute Naturgeschichtliche Museum und das Imperial Institute. Unter den großen Bahnhöfen gebührt die Palme der Midland Station, deren gewölbtes Dach einen Raum von 213 m Länge bei 73 m Breite bedeckt; unter den Märkten nehmen die Fleischhallen auf Smithfield den vornehmsten Rang ein. Unter den Theatern ist nur ein einziger monumentaler Bau, nämlich Covent Garden, der aber einen Vergleich mit ähnlichen Anstalten auf dem Kontinent kaum zuläßt. Bemerkenswert ist hingegen die 1871 eröffnete Alberthalle, im Hyde Park, eirund, 97,5 m lang, 85,3 m breit und mit Sitzplätzen (ohne die Galerie) für 5266 Zuschauer nebst Orchester und Chor von 1000 Personen. Der Kristallpalast in Sydenham ist ein Gebäude, dem keine andre Stadt Ähnliches an die Seite zu stellen hat. Beachtung verdienen ferner: St. Thomas' Hospital an der Themse, dem Parlamentsgebäude gegenüber; das Bethlehem Hospital mit