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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: London

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London (Wasser, Licht, Kanalisation, Verkehrsanstalten; Bevölkerung).

weithin sichtbarer Kuppel; mehrere große Hotels und Restaurants (Criterion, St. James, Holborn, Tivoli) und viele der Klubhäuser. Unter letztern ist der National Liberal Club am Themsedamm das größte, wird aber in architektonischer Beziehung von den Prachtbauten in Pall Mall in den Schatten gestellt.

Wasser, Licht, Kanalisation. Verkehrsanstalten.

L. wird durch acht Gesellschaften täglich mit 636 Mill. Liter Wasser versorgt, welches durch Hauptröhren in einer Gesamtlänge von 3900 km in jedes einzelne Haus geleitet wird. Etwa die Hälfte alles Wassers wird der obern Themse entnommen; die erste Wasserleitung wurde 1606 unter Leitung H. Myddletons angelegt. Gasbeleuchtung ist seit 1812 eingeführt. Die drei jetzt bestehenden Gasgesellschaften liefern jährlich 571 Mill. cbm Gas; die Gasröhren haben eine Länge von 4000 km. Die Qualität des Gases wird von den Behörden überwacht, und sobald die Dividende einer Gesellschaft 10 Proz. erreicht, muß der Preis desselben herabgesetzt werden. Thatsächlich erzielen die Gesellschaften eine Durchschnittsdividende von 8,7 Proz. Das elektrische Licht ist seit 1878 eingeführt, findet aber nur beschränkte Verwendung. Die Abfuhr des Unrats geschieht durch ein großartiges, 1859-75 mit einem Aufwand von 4½ Mill. Pfd. Sterl. hergestelltes System von Abzugskanälen (sewers). Dieselben haben eine Länge von 3680 km und führen den Unrat nach zwei unterhalb der Londonbrücke liegenden Reservoirs, von wo er durch Dampfmaschinen bei der Ebbe in die Themse gepumpt wird. Das Wegschwemmen überläßt man der Flut. Man beabsichtigt aber, den Unrat durch Niederschlag und Druck auf 850 Ton. täglich zu reduzieren und dann in eigens gebauten Schiffen aufs hohe Meer zu schaffen oder auch landwirtschaftlich zu verwerten.

Wenn man bedenkt, daß täglich weit über 1 Mill. Menschen in das Innere der Stadt strömt, dort ihren Geschäften nachgeht und abends in die vorstädtischen Wohnungen zurückkehrt, so kann man sich einen Begriff machen von den Verkehrsanstalten, die notwendig sind, diese Menschenströme zu bewältigen. Die großen Eisenbahngesellschaften haben ihre Bahnhöfe entweder im Innern der Stadt selbst, oder sind mit demselben durch teilweise unterirdische Bahnen verbunden. Großartig sind namentlich die Bahnhöfe beim Charing Croß, in der Cannon Street und beim King's Croß. Gürtelbahnen verbinden die Vorstädte untereinander und mit der City. Die Eisenbahnen im Gebiet der Hauptstadt haben eine Länge von 288 km, und allein drei Lokalbahnen (88 km) beförderten 1885: 150 Mill. Personen, und ihre Züge legten 17 Mill. km zurück. Ihr Bau hat 23,483,000 Pfd. Sterl. gekostet. Auf Pferdebahnen (205 km) wurden 1886 126 Mill. Menschen befördert und in etwa 1200 Omnibussen wohl die gleiche Zahl. Kleine Dampfer befahren die Themse.

Bevölkerungsverhältnisse.

Seiner Einwohnerzahl nach ist L. die bevölkertste Stadt der Welt, selbst innerhalb der Grenzen, die vom Registrar general angenommen werden (305,1 qkm mit 1881: 3,816,483 Einw.). Nur wenig größer ist das Gebiet, über welches sich die Autorität des Bauamtes erstreckt (305,3 qkm mit 3,834,354 Einw.). Nun liegen aber jenseit dieser Grenzen und namentlich im O. des Lee (West Ham) ganz bedeutende Stadtteile, welche innig mit L. verwachsen sind, und auch viele der weiter entfernten Vorstädte und Städte können füglich als Teile der Metropole betrachtet werden, so daß "Groß-L." einschließlich der City und des hauptstädtischen Polizeibezirks ein Areal von 1786,8 qkm (32,4 QM.) bedeckt und 4,766,661 Einw. zählt. Die Bevölkerung hat namentlich seit Anfang dieses Jahrhunderts rasch zugenommen. Im J. 1600 zählte L. erst 150,000 Einw., 1801: 958,863, 1821: 1,378,947, 1841: 1,948,417, 1861: 2,803,989, 1881: 3,816,483 und 1886 (nach Schätzung) 4,149,533 Einw. Diese Zunahme verteilt sich indes sehr verschieden auf die einzelnen Stadtteile und gehört im wesentlichen der Peripherie an. In den Jahren 1871-81 betrug die Zunahme für ganz L. 17,3 Proz., aber die Binnenstadt (878,556 Einw. im J. 1881) nahm um 7,8 Proz. ab, während die Außenstadt um 27,7 Proz. zunahm. Noch bedeutender war der Zuwachs in den Vorstädten, welche die eigentliche Metropole zum Polizeibezirk ergänzen (1881: 950,178 Einw.), denn er betrug 50,5 Proz., so daß "Groß-L." eine Zunahme von 22,7 Proz. aufzuweisen hat. Was die innere Stadt und namentlich die City betrifft, so werden dort die Wohnhäuser immer mehr von Warenlagern und Geschäftslokalen verdrängt. Während 3. April 1881 nur 50,526 Personen in der City schliefen, wohnten und arbeiteten in derselben während des Tags 261,061 Personen (195,577 Männer, 44,179 Frauen und 21,305 Kinder unter 15 Jahren) und wurde dieselbe außerdem noch von über einer halben Million Personen besucht. Auf 1000 Lebende kamen in L. 1886: 33,7 Geburten und 20,9 Todesfälle. Die Gesundheitsverhältnisse sind demnach besser als in irgend einer andern Großstadt. Noch 1840-50 kamen auf 1000 Lebende 24,8 Proz. Todesfälle, 1870-1880 nur 22,5 Proz. Auf 1000 Männer kamen 1123 Weiber. Den Altersklassen nach sind 33,61 Proz. unter 15 Jahre alt, 19,75 Proz. zählen 15-25 Jahre, 29,15 Proz. 24-45 Jahre, 38,80 Proz. 45-65 Jahre und 3,69 Proz. über 65 Jahre. Von über 15 Jahre alten Personen sind 48,2 Proz. der Männer und 47,0 Proz. der Frauen verheiratet. Der Beschäftigung nach kamen 23,7 Proz. auf Gewerbe, 6,8 Proz. auf Handel und Verkehr.

Die Zusammensetzung der Bevölkerung ist eine sehr mannigfaltige. Von 1000 Bewohnern sind nur 629,4 in L. geboren, 307,3 stammen aus dem Rest von England und Wales, 13,0 sind geborne Schotten, 21,2 Irländer, 8,4 aus britischen Kolonien und 20,8 Ausländer. Unter den 79,709 im Ausland Gebornen sind indes 10,457 Kinder britischer Eltern oder naturalisiert, so daß nur 60,252 wirkliche Ausländer (foreigners) verbleiben, und unter diesen zählt man 21,966 Deutsche, 8251 Franzosen, 6931 Russen und Polen, 4301 Amerikaner, 4193 Holländer, 3504 Italiener, 2296 Schweizer, 1278 Österreicher und 1492 Belgier. Einschließlich ihrer naturalisierten Landsleute und der in England gebornen Kinder dürfte sich die deutsche Bevölkerung Londons (mit Deutschen, Schweizern und Österreichern) auf 34,000 Seelen belaufen, wovon 12,000 weiblichen Geschlechts. Die Deutschen bilden von alters her einen angesehenen Bestandteil der Bevölkerung Londons; sie hatten bereits im 10. Jahrh. eine Kolonie und erfreuten sich als "Kaisermannen" bedeutender Privilegien. Die Hanseaten, welche Heinrich III. zur See gegen Frankreich unterstützt hatten, erhielten 1266 einen Freibrief, welcher ihnen das Recht erteilte, gegen Erlegung eines Zolles von nur 1 Proz. Waren ein- und auszuführen. 1473 wurde ihnen ihr Stapelhof (steel-yard) gegen Zahlung einer Jahresmiete von 70 Pfd. Sterl. überlassen. Sämtliche Vorrechte wurden den ausländischen Kaufleuten 1597 entzogen, aber der Stapelhof blieb im Besitz der Hansestädte, bis er 1866