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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Löwe

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Löwe (Tier).

resignieren, weil er die Berichte der Schulinspektoren tendenziös entstellt haben sollte, was sich indes auf Grund genauerer Untersuchung als unrichtig erwies. An der Regierung, die ihn bei dieser Gelegenheit nicht ausreichend unterstützt hatte, rächte er sich 1866, indem er durch seine glänzende und schneidige Beredsamkeit wesentlich zur Verwerfung der Gladstone-Russischen Reformbill beitrug; er war damals der eigentliche Führer der nach Brights spottendem Ausdruck sogen. Adullamiten (s. d.). Als Earl Derby im Juli 1866 zur Bildung eines Kabinetts schritt, lehnte L. indes den Eintritt ab und opponierte mit gleicher Schärfe auch der Disraelischen Reformbill. 1868 von der Universität London als ihr erster Vertreter ins Unterhaus gewählt, trat er im Dezember als Schatzkanzler in das Gladstonesche Kabinett. Seine Finanzverwaltung zeichnete sich durch große Sparsamkeit aus, war aber wenig populär, so daß Gladstone im Herbst 1873 das Amt selbst übernahm und L. zum Minister des Innern machte, welchen Posten er bis zum Rücktritt der Liberalen im Februar 1874 behielt. In Gladstones zweites Ministerium trat L. nicht ein, wurde aber dafür mit dem Titel eines Viscount Sherbrook zum Peer erhoben und ins Oberhaus versetzt.

Löwe (Felis leo L.), Säugetierart aus der Ordnung der Raubtiere und der Familie und der Gattung der Katzen, unterscheidet sich von seinen Gattungsverwandten auffallend genug durch den kurzen, gedrungenen Körper, die kurze, glatt anliegende, einfarbige Behaarung, die ansehnliche Mähne um Hals und Vorderbrust des männlichen Tiers, das breite Gesicht mit verhältnismäßig kleinen Augen und den in eine Quaste endigenden und in dieser Quaste mit einem hornigen Nagel versehenen Schwanz. Die Mähne ist sehr veränderlich nach der Heimat des Löwen, so daß man nach ihr mehrere Arten oder wenigstens Abarten des Löwen (Perser-, Senegal-, Kaplöwe, s. Tafel "Raubtiere III", und der kleinere, mähnenlose L. von Gudscharat) unterschieden hat. Die ausgezeichnetste Abart ist der L. der Berberei (Leo barbarus Cuv.). Derselbe wird 1,5 m lang und 80-90 cm hoch, hat einen 80 cm langen Schwanz, eine breite Brust und schlanke Weichen. Der dicke, fast viereckige Kopf verlängert sich in eine breite, stumpfe Schnauze; die Ohren sind abgerundet, die Augen von mittlerer Größe, aber lebendig und feurig, die Gliedmaßen gedrungen und außerordentlich kräftig; die Pranken sind größer als bei allen übrigen Katzenarten. Die Behaarung ist lebhaft rötlichgelb oder fahlbraun. Die dichte, fahlgelbe, stark mit Schwarz gemischte Mähne besteht aus langen, schlichten Haaren und reicht vorn bis zur Handwurzel, hinten bis fast zur Hälfte des Rückens und der Seiten herab. Auch der Unterleib zeigt seiner ganzen Länge nach eine dicht stehende, längere, schlichte, schwarze Behaarung, und an den Ellbogen und den Vorderteilen der Schenkel stehen wenigstens noch schwarze Haarbüschel. Neugeborne Löwen haben etwa 33 cm Länge, aber weder Mähne noch Schwanzquaste, sondern sind mit wolligen, gräulichen Haaren bedeckt, am Kopf und an den Beinen schwarz gefleckt, an den Seiten, über dem Rücken und am Schwanz mit kleinen, schwarzen Querstrichen gebändert und mit schwarzer Rückenlinie gezeichnet. Schon im ersten Jahr verschwinden Flecken und Streifen, im zweiten wird die Grundfarbe ein gleichmäßiges Fahlgelb, und im dritten Jahr erscheinen mit der Mähne alle Zeichen der Mannbarkeit. Bei der Löwin ist die Behaarung überall kurz und am Vorderkörper höchstens eine Andeutung der Mähne vorhanden. Der Berberlöwe findet sich in den Ländern des Atlas, der Perserlöwe von Persien bis Indien, der Senegallöwe vom 20.° nördl. Br. bis zum Kap und von der West- bis zur Ostküste, der Kaplöwe außer im Kapland, wie es scheint, auch in Habesch, der Gudscharatlöwe findet sich in den Dschangelwaldungen längs der Flüsse. Früher war der L. weit verbreiteter als gegenwärtig. Zur Zeit der Römer fand er sich nicht nur in ganz Afrika und im südwestlichen Asien, in Syrien und Palästina, sondern auch in Griechenland und Makedonien. Der L. der Berberei insbesondere lebte früher im ganzen nördlichen Afrika mit Einschluß Ägyptens. Jetzt ist er aus dem ganzen untern Nilthal völlig verschwunden. Auch wo er noch einheimisch ist, in Tunis, in der Oase Fezzan, in Algerien und Marokko, findet er sich bei weitem nicht mehr so häufig wie früher; überall hat er der andringenden Kultur weichen müssen, und namentlich haben auch die langwierigen Kriege der Franzosen in Algerien die Reihen der Löwen sehr gelichtet, abgesehen von der Thätigkeit französischer Löwenjäger, wie des berühmten Jules Gérard. Am zahlreichsten ist noch der Senegallöwe zu finden, obwohl auch er nach und nach immer weiter zurückgedrängt wird.

Der L. lebt einzeln und hält sich nur von der Brunstzeit an, und bis die Jungen ein gewisses Alter erreicht haben, zu seinem Weibchen. Jeder L. hat sein Gebiet, doch vereinigen sich oft auch mehrere Löwen zu größern Jagdzügen. Breite, waldige Thäler sind sein Lieblingsaufenthalt. In den Gebirgen steigt er bis zu 1500 m empor. An einem geschützten Ort scharrt er sich eine flache Vertiefung als Lager und ruht hier einen oder mehrere Tage lang, je nachdem er Nahrung findet und sich sicher fühlt. In größern Waldungen hält er sich oft geraume Zeit an einem und demselben Platz auf und zieht erst dann weiter, wenn die Gegend ausgebeutet ist. Er ist weit träger als die übrigen Katzen und sucht es sich stets so bequem wie möglich zu machen. Im Ostsudân folgt er regelmäßig den dort nomadisch lebenden Bewohnern, von ihren Herden Tribut erhebend. Gern richtet der L., besonders der ältere, seine Streifzüge nach Dörfern, in deren Nähe er sich daher oft ansiedelt. Bei Tage hält er sich in seinem Lager verborgen, aber bisweilen sieht man ihn an einem erhöhten Punkt Umschau in seinem Gebiet halten. Mit hereinbrechender Nacht beginnt er die Jagd, oft mit furchtbarem, donnerähnlichem Gebrüll die andern Tiere aufscheuchend und verwirrend, oft auch lautlos heranschleichend. Bei der Jagd, welche er hauptsächlich auf große Tiere richtet, zeigt er viel Verstand, List und Kühnheit. Schnellfüßigen Tieren, wie den Antilopen, lauert er auf und schleicht äußerst vorsichtig unter dem Wind an sie heran; namentlich sind die Wasserplätze in den Steppen Mittel- und Südafrikas ergiebige Jagdorte für ihn. Gewöhnlich frißt er nur selbsterlegte frische Beute; in der Not geht er auch an Aas. Er ist unstreitig neben dem Tiger und Jaguar das stärkste und furchtbarste Raubtier. Mit außerordentlicher Stärke verbindet er große Gewandtheit und Behendigkeit; er macht weite Sprünge, oft bis zu 9 m und darüber, sitzt in Einem Sprung einem Pferd oder andern großen Tier auf dem Nacken, und mit Einem Biß zermalmt er die Halswirbelknochen seiner Beute. Schakale und noch größere Tiere tötet er mit einem einzigen Schlag seiner Tatze. Ein getötetes Pferd, sogar ein zweijähriges Rind schleppt er ohne Mühe weite Strecken fort, und mit einem zweijährigen Rind im Rachen springt er über einen fast 3 m hohen Zaun. Den Menschen greift er nicht leicht an; hat er aber