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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lübeck

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Lübeck (Geschichte der Stadt).

mit hohen und weitläufigen Gewölben, von Einheimischen und Fremden viel besucht. Die Kriegsstube im Rathaus sowie das Fredenhagensche Zimmer (im Haus der Kaufmannschaft) enthalten sehenswerte Schnitzwerke aus Holz und Alabaster. Ein zierlicher Bau aus dem 13. Jahrh. ist das Hospital zum Heiligen Geist, mit kunstvollen Holzschnitzereien. Beachtung verdienen ferner das Holstenthor von 1477 und das Burgthor sowie das Haus der Schiffergesellschaft. Von Interesse sind noch das neue Schlachthaus, das städtische Wasserwerk und die Zentralstation für elektrische Beleuchtung. Die Einwohnerzahl beziffert sich (1885) mit der Garnison (ein Infanteriebataillon Nr. 76) auf 55,399 Seelen, meist Evangelische. Die Industrie ist nicht unbedeutend; die Hauptzweige derselben sind: Branntweinbrennerei, Bier- und Essigbrauerei, Zigarrenfabrikation und Seifensiederei. Außerdem gibt es Konservenfabriken, Etablissements für Baumwoll- und Seidenweberei, Tuch- und Weißwarenfabrikation, Eisengießerei, Maschinen- und Schiffbauanstalten, Portefeuille-, Galanteriewaren- und Mineralwasserfabriken sowie mehrere bedeutende Säge- und Hobelwerke. Bei weitem wichtiger aber sind Handel und Schiffahrt. L. ist ein bedeutender Speditionsplatz für die Ostsee und vermittelt in großartigem Maßstab den Handel zwischen Hamburg und dem Innern Deutschlands einer- und den Ostseeküsten anderseits. Nach dem Eintritt der Stadt in den Zollverein (1868) sowie infolge der Ausdehnung ihres Eisenbahnnetzes hat der Handel bedeutend zugenommen. Die Einfuhr betrug:

Jahr Doppelzentner Wert (Mark)

1870 2463708 91807824

1875 4867566 194435434

1880 5947831 212178802

1883 5991372 211361042

1885 5944879 190690183

1886 6152709 188522814

Die wichtigern Einfuhrartikel sind: aus Rußland Getreide, Butter, Spirituosen, Holzwaren, Pottasche, Teer, Petroleum, Hanf und Hanföl, Kupfer, Talg; aus Schweden Bauholz, Bretter, Eisen, Kupfer, Stahl; aus Preußen Getreide, Spirituosen; aus Dänemark Getreide, Fettwaren, Ölsamen, Butter; aus Großbritannien Steinkohlen, Steingut, Roh- und Stangeneisen, Eisenwaren, Leinöl; aus Frankreich Wein, Spirituosen; aus Nordamerika Petroleum etc. Die Schiffahrt Lübecks geht größtenteils nach den europäischen Ländern, vornehmlich nach Schweden und Rußland, dann nach Großbritannien, Dänemark, Schleswig-Holstein, Preußen und Frankreich.

Es kamen an Es gingen ab

Jahr Seeschiffe Reg.-Tons Jahr Seeschiffe Reg.-Tons

1880 2301 311457 1880 2347 318591

1881 2110 306932 1881 2110 303710

1882 2161 371490 1882 2165 373646

1883 2002 360403 1883 2005 358470

1884 2269 431208 1884 2281 435500

1885 2198 414429 1885 2224 420312

1886 2208 416897 1886 2219 420656

Dampfschiffahrtsverbindung wird durch regelmäßige Fahrten nach verschiedenen Orten der russischen, schwedischen, dänischen und schleswig-holsteinischen Küste unterhalten. Die die Wasserverbindung zwischen L. und der Ostsee vermittelnde Trave ist 1878-82 mit bedeutendem Kostenaufwand bis auf 4,6 m vertieft worden, so daß infolgedessen die größten Seeschiffe an die Stadt gelangen können. Die Hafen- und Kanalanlagen haben in den letzten Jahren großartige Erweiterungen erfahren, an denen im Hinblick auf die projektierte Herstellung einer Wasserverbindung zwischen der Elbe und Trave durch Ausbau des Stecknitzkanals fortgesetzt gearbeitet wird. Die lübeckische Reederei zählte Ende 1885: 35 Schiffe mit einer Tragfähigkeit von 10,401 Reg.-Tons, darunter 31 Dampfschiffe. Zur Unterstützung des Handels dienen: eine Handels- und Gewerbekammer, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1886: 215¾ Mill. Mk.), zwei Privatbanken, zwei Sparkassen, mehrere Versicherungsanstalten etc.; den Verkehr in der Stadt vermittelt eine Pferdebahn.

An Anstalten für Unterricht und Bildung bestehen in L.: das seit alters berühmte Katharineum (im ehemaligen Katharinenkloster, Gymnasium, verbunden mit Realgymnasium), ein Privatprogymnasium, 2 höhere Bürgerschulen (eine davon Privatanstalt), eine Gewerbeschule, eine Privathandelslehranstalt, eine Navigationsschule, ein Schullehrerseminar, eine Taubstummenanstalt etc. Ferner hat L. eine Stadtbibliothek mit 98,000 Bänden, eine Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit, welche treffliche ethnographische und Kunstsammlungen, eine Sammlung prähistorischer Altertümer, ein Handelsmuseum sowie eine Naturaliensammlung (in derselben besonders hervorzuheben die Sammlung von Gorillas, bis jetzt die vollständigste in Europa) besitzt, einen Ärztlichen Verein mit einer Bibliothek von 30,000 Bänden, einen Landwirtschaftlichen Verein, einen Kunstverein, ein Theater etc. Das Armenwesen ist musterhaft geordnet; unter den Wohlthätigkeitsanstalten sind hervorzuheben: die Armenanstalt mit bedeutendem Grundbesitz und einem Kapitalvermögen von etwa 1,450,000 Mk., das St. Johannis-Jungfrauenkloster und die Brigittenstiftung (Versorgungsanstalten für weibliche Personen), das Hospital zum Heiligen Geiste, das Irrenhaus, das Waisenhaus, die Kinderpfleganstalt, das allgemeine Krankenhaus, das Kinderhospital, außerdem zahlreiche Privatstiftungen. Das Gesamtvermögen der letztern (ohne den Grundbesitz) wurde 1885 auf 4,952,022 Mk. berechnet, wogegen das der öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten zu derselben Zeit 4,199,290 Mk. betrug. L. ist Sitz der Staatsbehörden, eines Landgerichts (s. oben), eines Hauptzollamtes und vieler auswärtiger Konsulate.

[Geschichte.] Eine Stadt Namens L. (Liubice) wird zuerst unter dem christlichen Wendenfürsten Gottschalk (gest. 1066) erwähnt; sie lag an der Mündung der Schwartau in die Trave. Unter seinem jüngern Sohn, Heinrich, blühte das alte L. auf, wurde aber in einem spätern Krieg 1138 von Race, Fürsten der Rugier, erobert und verwüstet. Graf Adolf II. von Holstein erbaute 1143 ein neues L. auf einem Werder zwischen Trave und Wackenitz, und dieses gewann durch seine glückliche Lage so rasch eine Bedeutung, daß die Kaufleute aus Bardowiek fortzogen und nach L. übersiedelten. Mit Unwillen sah Heinrich der Löwe dies, da sein eignes Land darunter litt. Nachdem er jedoch 1157 den Grafen Adolf bewogen hatte, ihm L. zu überlassen, widmete er selbst der jungen Ansiedelung eifrige Fürsorge. Er gab ihr städtische Verfassung und ein eignes Recht und sandte Boten an die Städte und in die Reiche des Nordens, um sie zum Handelsverkehr mit L. einzuladen. Auch verlegte er 1163 den Bischofsitz aus Oldenburg dahin und erbaute den Dom. Die Stadt hing mit Treue an ihm auch nach seiner Ächtung, bis Friedrich I. 1181 mit einem Heer erschien und Lübecks Gehorsam erzwang. Er bestätigte und erweiterte die Gerechtsame der