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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lupine

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Lupine.

16. Jahrh. baute man sie am Rhein, im 18. in Sachsen; sie hat als Gründünger Wert, das Vieh aber verschmäht Blattwerk und Samen. Die gemeine Gartenlupine (L. hirsutus L.), mit blauen oder purpurroten, auch fleischfarbenen Blüten und an allen Teilen mit weichen Haaren bekleidet, findet sich am häufigsten in den Gärten, wild in den Mittelmeerländern, wurde von den alten Griechen kultiviert, bei denen ihre Samen den Ärmern, wie noch heute den Mainoten, zur Speise diente. Das Vieh frißt Kraut und Samen begierig, doch fordert die Pflanze bessern Boden und gewährt keinen Vorteil vor der gelben L. Die sizilische L. (ägyptische, römische, neapolitanische L., L. thermis Forsk.) ist mehr oder minder weichhaarig, hat weiße Blüten mit blauem Schiffchen und Samen, welche denen der weißen L. gleichen, aber größer und eckiger sind. Sie wächst in den Mittelmeerländern und wird in Südeuropa häufig kultiviert. Sie gibt reiche Futtermassen, bringt aber bei uns ihre Samen nicht oder sehr spät zur Reife; die Ägypter essen die letztern in Salzwasser gekocht und geschält. Die perennierende L. (L. perennis L.), mit kriechendem Wurzelstock, aus mehreren halben Blütenquirlen bestehenden Blütentrauben, blauen Blumen und kleinen Samen, stammt aus Nordamerika, wo die Samen von Kanada bis Florida gegessen werden, erträgt unsre Winter recht gut, fordert einen guten, wasserhaltenden Boden, nimmt aber den Untergrund nicht in Anspruch und kann die perennierenden Kleearten ersetzen, wo der Untergrund fehlerhaft ist. Sie gibt früh und reichlich Futter, welches dem Vieh viel weniger zuwider ist als das der gelben L. (L. luteus L.). Diese und die blaue L. (L. angustifolius L.) sind für die Landwirtschaft weitaus am wichtigsten. Die gelbe L. hat eine lange, aus mehreren Quirlen zusammengesetzte Blütenähre, große, goldgelbe, wohlriechende Blüten und rundliche, weiße, schwarz gefleckte Samen. Die pfahlförmige Wurzel dringt über 1 m in den Boden. Die gelbe L. stammt aus Sizilien, wurde in Deutschland zuerst 1840 in Groß-Ballerstedt in der Altmark gebaut und verbreitete sich von da sehr bald im Sandland. Die blaue L., welche aus Spanien zu uns kam, hat einen nach oben stark verästelten Stengel, kurze, ährenförmige Trauben mit blauen Blüten und rötlichgraue, weiß punktierte Samen von der Größe der Wicken. Die L., und besonders die gelbe, ist für ärmern sandigen Boden wegen ihrer mannigfaltigen Benutzung zur Weide, zu Grünfutter, zur Heu- und Körnergewinnung und ganz besonders auch zur Kräftigung und Hebung des Bodens von großem Wert. Sie gedeiht am besten in freier, sonniger Lage, wenn der Ober- und der Untergrund aus Sand besteht und von stagnierender Nässe frei ist. Zunehmender Kalk- und Thongehalt sind von ungünstigem Einfluß, auf moorigem oder undurchlassendem Untergrund gedeiht sie nicht. Lehmiger Sand paßt für Futtergewinn, armer Sand, der noch Roggen trägt, für Kornernten. Auf allzu armem Boden ist eine leichte Düngung angebracht; Gips befördert den Blattwuchs. Lupinen sind Brachfrüchte, Roggen gedeiht nach ihnen ungedüngt sehr gut. Auf geeignetem Boden kann man sie ein- oder mehreremal nach sich selbst folgen lassen und erhält aus der zweiten und dritten Bestellung das beste Saatgut. Zur Bestellung genügt ein einziges Tiefpflügen, bei trocknem Klima im Herbst. Bei breitwürfiger Saat braucht man auf 1 Hektar für Lupinenheu 120-130, für Grünfutter und Weide 150, für Körnergewinnung 180 kg, bei Reihensaat 80-90 kg. Letztere ist besonders zur Erzielung von bestem Saatgut empfehlenswert, wobei man die Hülsen erntet, sobald sie reifen. Zur Gründüngung säet man Ende Mai oder Anfang Juni, zur Heugewinnung vier Wochen früher, zur Körnergewinnung nach Bestellung der Erbsen, zur Gewinnung von Grünfutter zu verschiedenen Zeiten. Die Vegetationsdauer beträgt 20-24 Wochen; man erntet, sobald sich die Hülsen am Hauptstengel bräunen, zur Heugewinnung aber bei Halbreife. Man erhält 80-100, selbst 160 Zentner Heu vom Hektar, welches für die Mastung dem Wiesenheu voran-, dem Kleeheu gleichsteht. An Körnern erntet man 17-52 Neuscheffel und 1566-1960 kg Stroh. Die blaue L. ist genügsamer als die gelbe und gedeiht noch auf grandigem Boden und im Sand mit grandigem Untergrund. Bei der Samenreife läßt sie die Blätter gänzlich fallen, so daß man nur Stengel und Hülsen erhält; aber der Ausfall ist viel geringer, und man erntet 26-51 Neuscheffel Körner und 1960-2940 kg Stroh. Das Vieh frißt die Körner der blauen L. lieber als die der gelben. Bei ersterer dringen die Wurzeln nicht tief in den Boden ein, und die Nachfrucht, namentlich Roggen, fällt daher viel schlechter aus. Deshalb bevorzugt man die gelbe L. überall, wo man sie mit Vorteil bauen kann. Die Keimfähigkeit der L. dauert zwei Jahre; ein Neuscheffel gelber Lupinen wiegt 41, blauer 36,5 kg. Lupinen enthalten etwa:

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gelbe blaue

Wasser 9,45 16,19

Proteinstoffe 39,13 21,66

Fett 4,06 4,90

Zucker 2,35 1,65

Gummi und Pektin 15,90 13,69

Verwertbare Cellulose 13,29 27,85

Nicht verwertbare Cellulose 11,45 10,23

Bitterstoffe 0,60 0,46

Mineralstoffe 3,59 2,58

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Die Lupinenkörner bilden ein leichtverdauliches, bei richtiger Verwendung für Mastzwecke vortrefflich geeignetes Futter. Alle Tiere müssen aber an L. erst gewöhnt werden, und Pferde und Rinder fressen nicht leicht die bittern Kerne. Zur Entbitterung der Lupinen weicht man sie 48 Stunden in Kochsalzwasser, dann 8-12 Stunden in mit Schwefelsäure angesäuertem Wasser, oder man weicht sie drei Tage in dem doppelten Gewicht Wasser, welches auf 1 Ztr. Lupinen 2,5 kg Salzsäure enthält, behandelt sie am vierten Tag einige Stunden mit reinem Wasser und kann sie dann direkt verfüttern. Hierbei gehen etwa 19 Proz. Proteinstoffe, 18-24 Proz. stickstofffreie Nährstoffe und 40-50 Proz. Salze verloren. Die Entbitterung erscheint deshalb sehr unrationell und gewährt auch bezüglich der Verdaulichkeit kaum Vorteile. Die Schädlichkeit der unentbitterten Samen ist oft auf Schimmelpilze zurückzuführen, von denen Lupinen sehr leicht befallen werden. Häufiger, als man glaubt, werden die Lupinen als Kaffeesurrogat benutzt. Anleitung zum Lupinenbau geben die Schriften von Thaer (Berl. 1859), Kette (8. Aufl., das. 1877), Gropp (6. Aufl. 1857), Günther (Hannov. 1857).

Die Lupinen enthalten ein kristallisierbares. Alkaloid, das Lupinin C21H40N2O2 ^[C_{21}H_{40}N_{2}O_{2}], welches farblose, luftbeständige Kristalle bildet, angenehm fruchtartig riecht, intensiv bitter schmeckt, in Wasser, Alkohol und Äther sich löst, bei 68° schmilzt, im Wasserstoffstrom bei 255-257° ohne Zersetzung siedet, aber auch schon bei 70° in sehr merkbarer Menge verdampft und sich mit Wasserdämpfen destillieren läßt. Es reagiert stark alkalisch und bildet mit Säuren neutrale kristallisierbare Salze. Neben dem kristallisierbaren Al-^[folgende Seite]