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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lyra; Lyrik

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Lyra - Lyrik.

(meistens sieben), mit dem Finger oder einem sogen. Plektron (s. Abbildung). Da L. und Kithara des Griffbretts entbehrten, d. h. jede Saite stets nur einen Ton gab, so sind sie nicht unsrer heutigen Zither oder gar Guitarre, sondern nur der Harfe vergleichbar. - Im 16.-17. Jahrh. hieß L. ein Streichinstrument mit vielen Saiten, die teils über das Griffbrett, zum Teil aber neben demselben (als sogen. Bordune) liefen; diese L. gehörte zur Gattung der Violen (s. d.) und wurde in dreierlei Größe gebaut: als Lira da braccio (mit 7 Griffsaiten und 2 Bordunen, Tenorinstrument), als Lira da gamba (12 Saiten und 2 Bordune, Baßinstrument) und Archiviola da lira (Lirone, bis zu 24 Saiten, Kontrabaßinstrument, auch Accordo genannt). Zur Gattung der Lyren gehörten auch das Baryton (s. d.), die Viole d'amour und Englisch Violet. Noch Haydn schrieb Stücke für L. - Endlich heißt L. das auch Stahlspiel oder uneigentlich Glockenspiel genannte Instrument der Militärmusiken, das auch im Opernorchester Eingang gefunden hat, bestehend aus abgestimmten Stahlstäben, die auf einem lyraförmigen Rahmen befestigt sind und mit einem Hämmerchen geschlagen werden.

^[Abb.: Fig. 1 u. 2. Formen der Lyra.]

Lyra, Sternbild, s. Leier.

Lyrik (lyrische Poesie), in der Poetik diejenige Gattung der Poesie, welche die lyrische, d. h. die bewegte, Stimmung des von selbst in Worte ausbrechenden Gemüts nachahmt (s. Lyrisch). Dieselbe ist daher immer (nach Goethe) "Gelegenheitspoesie", d. h. durch Gelegenheit, die Ursache der Stimmung, veranlaßt, und von der epischen Poesie (s. Epos), welche Handlungen in der Form bloßer Begebenheiten, sowie von der dramatischen (s. Drama), welche auch Begebenheiten in der Form von Handlungen darstellt, dadurch verschieden, daß sie auch Begebenheiten und Handlungen in der Form des Gefühls (s. d.), d. h. durch ihre Rückwirkung auf das Gemüt, darstellt. Da nun das Gefühl als angenehmer oder unangenehmer Eindruck des Gefühlten auf den Fühlenden (das Subjekt) von der Natur dieses letztern selbst, die Wahrnehmung dagegen von der Natur des Wahrgenommenen (des Objekts) abhängt, so wird nicht nur das Gefühl subjektiv (die Wahrnehmung objektiv), sondern auch die lyrische Poesie, welche Gemütszustände (im Gegensatz zur dramatischen und epischen, welche Gegenstände) darstellt, subjektiv (epische und dramatische objektiv) genannt. Mittel der Darstellung ist dabei, wie bei der Poesie überhaupt, das Wort; die Form der Darstellung aber wird durch die Form des Darzustellenden, des Gefühls, vorgeschrieben. Dasselbe schließt als "dunkler" (bewußtloser) Seelenzustand die Formen bewußter Seelenzustände, sowohl die des logischen (begründenden) Denkens als jene des moralischen (durch Maximen begründeten) Wollens, von sich aus; daher bleibt auch von der lyrischen Darstellung sowohl die Anordnung nach der richtigen Zeitfolge (das Gesetz der epischen) als jene nach der Kausalfolge (das Gesetz der dramatischen Darstellung) ausgeschlossen. Zwar muß, um einen Gemütszustand darzustellen, derselbe so gut wie die Begebenheit (im Epos) und die Handlung (im Drama) im lyrischen Gedicht als Einheit dargestellt werden; da es sich aber nicht um die Nachahmung einer Zeit- oder Kausalreihe, sondern eines Gefühls handelt, so kann die lyrische Einheit nicht, wie die epische, in der ununterbrochenen Aufeinanderfolge der Teile des epischen und nicht, wie die dramatische, in der ununterbrochenen Aufeinanderfolge der Teile des dramatischen Gedichts, sondern sie muß in der ununterbrochenen Inhaltsverwandtschaft aller Teile des lyrischen Gedichts bestehen. Das lyrische Gedicht muß, wie ein musikalisches Werk (Sonate, Symphonie), in einerlei "Tonart" gesetzt sein. Diese Einheit der Stimmung ist das Haupterfordernis und verträgt sich sehr wohl mit der Vernachlässigung der zeitlichen und Kausalverhältnisse des im Gedicht Verbundenen (lyrische Sprünge), wenn diese letztere mit der Gemütsstimmung im Einklang und der Übergang von einem Teil der Dichtung zum andern durch die Association nach der Ähnlichkeit oder dem Kontrast begreiflich ist. Dieselbe ist das Band, welches (wie im Epos die Zeitlinie, im Drama der Kausalnexus) die lose flatternden Bilder der lyrischen Dichtung zusammenhält und (wie jene) auch äußerlich im metrischen Bau, dessen Rhythmus den Rhythmus des Gefühls nachahmt, erkennbar zum Ausdruck kommt. Die Pausen der Stimmung, nach welchen dasselbe (oder ein kontrastierendes) Gefühl im Gemütsleben wieder erscheint, werden dabei im Gedicht durch Ruhepunkte zwischen Absätzen (Strophen), auf welche ein gleichartiger (oder kontrastierender) metrischer Bau (Antistrophe) folgt, nachgeahmt. Die Mannigfaltigkeit der Gemütsstimmungen, deren jede ihr eignes, bald beschleunigtes, bald verlangsamtes, bald bleibendes, bald wechselndes Tempo besitzt, hat in der lyrischen Poesie zu einer gleichkommenden Vielartigkeit künstlicher Versformen geführt, während die schmucklose Monotonie der geraden Zeitlinie und der sich gleichbleibenden Richtung der Kette von Ursachen und Wirkungen im Epos und Drama einfache Metra (Hexameter, Trimeter, Alexandriner, Blankvers etc.) erzeugt.

Die Einteilung der L. als Poesie des Gefühls richtet sich nach der Art und Stellung des Gefühls. Je nachdem der Dichter, der Träger der lyrischen Gemütsstimmung, entweder ganz in dieselbe versenkt (in das Gefühl verloren) erscheint, oder derselben gegenüber sich beobachtend und beurteilend verhält, unterscheidet man bewußtlose (naive, objektive) und bewußte (reflektierende, sentimentale nach Schiller, subjektive) L. Letztere, welche, mit jener verglichen, die kühlere ist, hat zu ihrem Objekt entweder ein fremdes oder das eigne Subjekt, reflektiert entweder über einen andern oder über sich selbst und heißt im letztern Fall selbstbewußte (humoristische, subjektiv-objektive) L. Die naive L. zerfällt, je nachdem die dargestellte Gemütsstimmung einfach die lyrische oder eine außergewöhnlich erhöhte (lyrische Verzückung) ist, in niedere und höhere. Jener gehört das Lied (s. d.) und zwar, je nachdem die Gemütsstimmung eine beschauliche (ruhig genießende) oder begehrliche (verlangende oder verabscheuende) ist, das Freude- und Trauerlied, das Sehnsuchts-, Hoffnungs-, Klage- und Angstlied an. Diese zerfällt, je nachdem die Verzückung ruhig (Kontemplation) oder bewegt (Affekt), entweder durch intellektuelle (Enthusiasmus) oder sinnliche Mittel (Orgiasmus) erzeugt ist, in die didaktische (lehrreiche) und ekstatische L. Jener gehört, je nachdem das Objekt der Kontemplation ein religiöses oder weltliches ist, der Hymnus (Hymnen des Rig-Weda, Orphische und Homerische Hymnen) und das philosophische Lehrgedicht (Schillers "Spazier-^[folgende Seite]