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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mailand

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Mailand (Stadtteile, Plätze etc., Bauwerke).

gehen. Das Klima ist nicht ungesund, aber im Sommer oft drückend heiß, im Winter sehr kalt. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 12,8° C.; die Monatstemperaturen bewegen sich zwischen 23,8 und 0,7° C. Die Regenmenge beträgt 983 mm (62 Regentage); Schnee fällt an 18 Tagen. Durch seine geographische Lage als Mittelpunkt der Poebene, durch die Fruchtbarkeit seiner Umgebung und durch seine Industrie war M. schon im Altertum eine blühende Stadt. Von den Italienern "la grande" genannt, charakterisiert sie sich unter den italienischen Städten durch das Walten modernen Lebens in seiner vollsten Bewegung. Sie übertrifft an Handel, Industrie, Verkehr, an Reichtum und Wohlthätigkeitsanstalten alle andern italienischen Städte.

[Stadtteile, Plätze etc.] M. bildet ein fast kreisförmiges Ganze von 12,348 m Umfang und ist von breiten, mit Bäumen bepflanzten Wällen umgeben, welche die Stadt von den Vororten, den Corpi Santi, trennen. Ein Kanal scheidet die eigentliche Stadt von den ehemaligen Vorstädten. Die Altstadt enthält neben engen, unregelmäßigen Gassen breite, mit schönem Pflaster und Fahrbahnen von starken Steinplatten versehene Straßen mit stattlichen Palästen und eleganten Läden. Das Zentrum der Stadt und des Verkehrs ist der 1870 nach dem Plan Mengonis erweiterte große Domplatz, welcher den Glanzpunkt der Stadt, den Dom, mit imposanten Gebäuden und an der Nord- und Südseite mit hoch gewölbten Arkaden umgibt. Der prächtige Bogengang der Galleria Vittorio Emmanuele (s. unten) führt von da zur Piazza della Scala (mit dem Denkmal Leonardo da Vincis). Westlich stößt an den Domplatz die Piazza dei Mercanti, der älteste Stadtmittelpunkt von M. Die schönsten Straßen sind der belebte Corso Vittorio Emmanuele mit seiner Fortsetzung, dem stattlichen Corso Venezia, dann die Via Torino, Corso di Porta Romana, die Via Alessandro Manzoni und die anschließenden Corsi di Porta Nuova und Principe Umberto. Unter den 14 Thoren ist das prachtvollste der Arco della Pace oder del Sempione, welcher 1807 zur Verherrlichung der Thaten Napoleons I. (von Cagnola) aufgeführt, dann 1814 dem Frieden geweiht wurde. Er ist nach dem Muster der römischen Triumphbogen in weißem Marmor ausgeführt, enthält zahlreiche Skulpturen und trägt auf der Plattform eine Friedensgöttin mit sechsspännigem Siegeswagen (von Sangiorgio). Schöne Thore sind auch die Porta Venezia mit Reliefs und Statuen (1828) und die 1861 restaurierte Porta Ticinese mit schönem Relief.

[Bauwerke.] Von den 85 Kirchen ist die hervorragendste der Dom, die glänzendste gotische Kathedrale Italiens und nächst der Peterskirche die größte Kirche des Landes. In ihrem Plan weist sie große Verwandtschaft mit dem Kölner Dom auf, doch zeigen namentlich das Vorherrschen der wagerechten Linien und die Häufung des Ornamentalen die völlige Veränderung des gotischen Baustils durch die lombardischen Baumeister. Er wurde 1386 unter Johann Galeazzo Visconti begonnen. Als Baumeister werden sodann Hans v. Fernbach, Nikolaus Bonaventis, Heinrich v. Gmünd, Ulrich Füssinger, Johann Niesenberger, dann in der Zeit der Renaissance Dolcebuono Solari und Pellegrino Tibaldi, bis 1616, genannt. Napoleon I. endlich ließ 1805-13 den Dombau durch Ausführung der neuen Fassade und des Mittelturms vollenden. Gegenwärtig ist die Wiederherstellung der Fassade im alten gotischen Stil des Doms projektiert. Das Äußere des Doms übt durch das prachtvolle Material (weißer Marmor vom Lago Maggiore), durch die zahlreichen am Dach emporsteigenden Spitztürme und durch die verschwenderische Fülle von Bildwerken (6000) einen überwältigenden Eindruck aus. Das baulich bedeutendere Innere wirkt als mächtige, weite Halle. Es ist ein fünfschiffiges Langhaus, welches von einem dreischiffigen Querbau durchschnitten wird und 148 m in der Länge, 88 m in der Breite (des Querschiffs) und bis zur Turmspitze 108 m in der Höhe mißt. Die hohen Pfeiler (52) tragen schwere Tabernakel mit Statuen. Sehenswerte Kunstwerke im Innern sind: das Denkmal des Kanonikus Vimercati, die Grabmäler der Brüder Giovanni und Gabriele de' Medici, das Standbild des geschundenen Bartholomäus, das Denkmal des Kardinals Caracciolo, Altarreliefs von Agostino Busti, die Statue Pius' IV., der siebenarmige Bronzeleuchter, ein vollendetes spätmittelalterliches Dekorationsstück, etc. Von der obersten Galerie des Mittelturms genießt man eine köstliche Aussicht auf die Stadt, die lombardische Ebene und die Alpenkette. Vgl. Franchetti, Storia e descrizione del duomo di Milano (Mail. 1821); Rupp und Bramati, Descrizione storico-critica del duomo di Milano (das. 1823). Unter den übrigen Kirchen verdienen noch Erwähnung: die von San Lorenzo, ein altchristlicher Bau aus dem 4. Jahrh. mit kühner Pfeiler- und Kuppelkonstruktion, vor welcher ein altrömischer Portikus von 16 kannelierten korinthischen Marmorsäulen (wahrscheinlich Thermenreste) steht; die frühromanische Kirche Sant' Ambrogio, an deren Hauptaltar neun Kaiser die Eiserne Krone empfingen, mit Vorhof, Mosaiken und Altarbekleidung aus dem 9. Jahrh., reicher Marmorkanzel und altem Sarkophag mit Reliefs; San Fedele, ein einfacher Bau Pellegrinis (von 1560); Monastero Maggiore (1503 bis 1519 erbaut und mit schönen Fresken von Bern. Luini und seiner Schule versehen); Santa Maria delle Grazie aus dem 15. Jahrh., nach Bramantes Plan ergänzt, mit weiter Kuppel und schöner Außendekoration (daneben im ehemaligen Refektorium das berühmte Abendmahl von Leonardo da Vinci); San Satiro mit herrlicher Sakristei von Bramante und die jüngste der Kirchen Mailands, San Carlo, eine runde Kuppelkirche mit stattlichem Säulenvorbau (1836-47 von Amati erbaut).

Unter den Palästen ist in erster Reihe der Palazzo di Brera zu nennen, im 12. Jahrh. als Ordenshaus der Humiliaten errichtet und nach der Aufhebung dieses Ordens durch Pius V. (1571) in ein Jesuitenkollegium umgewandelt, jetzt der Kunstpalast von M., mit großem Säulenhof, welcher mit zahlreichen Statuen und in der Mitte mit dem Bronzestandbild Napoleons I., nach dem Modell Canovas 1810 gegossen, geschmückt ist. Der Palast enthält die berühmte Pinakothek, welche unter der Napoleonischen Herrschaft entstand und als Hauptschätze Raffaels Sposalizio, Leonardo da Vincis Christuskopf, die Fresken von Bernardino Luini und Gaudenzio Ferrari und Bilder von Mantegna, Gentile und Giovanni Bellini, Cima, Crivelli, Lorenzo Lotto, Guercino, Albani, Tizian, van Dyck u. a. enthält. Außerdem befindet sich hier das archäologische Museum (darin unter andern das schöne Grabdenkmal von Gaston de Foix von Ag. Busti), eine Sammlung von Gipsabgüssen, eine Münzsammlung, die Bibliothek mit 155,000 Bänden, das Observatorium und die Akademie der schönen Künste.

^[Abb.: Wappen von Mailand.]