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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mailand

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Mailand (Geschichte).

mehrere Theateragenturen, welche den italienischen und vielen überseeischen Theatern den Bedarf an allem notwendigen Personal und Material liefern, eine Ballettschule, zahlreiche Musikalienhandlungen (darunter die berühmte Firma Ricordi). Es feiert mehrere, teilweise historische Volksfeste. Der Karneval schließt in M. eigentümlicherweise nicht am Aschermittwoch, sondern dauert als Carnevalone noch vier Tage darüber.

M. ist der Sitz eines Präfekten, Erzbischofs, eines Appellhofs, Zivil- und Korrektionstribunals, Assisenhofs, eines Generalkommandos, einer Sicherheitsquästur und zahlreicher andrer Zivil- und Militärbehörden sowie eines deutschen Berufskonsuls. Es ist der Geburtsort des Rechtsgelehrten Beccaria, des Dichters Manzoni (beiden Denkmäler errichtet, s. oben), der Päpste Pius IV. und Gregor XIV. u. a.

Geschichte.

M. wurde als Mediolanium bald nach 400 v. Chr. von den unter Bellovesus in Italien einfallenden Kelten gegründet und war Hauptort der Insubrer. Nach der Eroberung dieser Landschaft durch die Römer 222 wurde es römische Provinzialstadt und blühte bald zu einer der bedeutendsten Städte Oberitaliens auf; berühmt waren namentlich seine Lehranstalten. Kaiser Hadrian machte es zur römischen Kolonie. Kaiser Maximianus erhob M. 303 v. Chr. zur kaiserlichen Residenz wegen ihrer größern Nähe an der stets von Kriegen bedrohten nördlichen Reichsgrenze, und es blieb ein Jahrhundert lang Hauptstadt der westlichen Kaiser. 539 wurde es von den Ostgoten zerstört. Im September 569 n. Chr. besetzten die Langobarden M. Karl d. Gr. vereinigte es samt ganz Oberitalien mit dem fränkischen Reich, und mehrere seiner Nachfolger ließen sich zu M. mit der Eisernen Krone krönen. Nachdem Otto I., der sich ebenfalls hier krönen ließ, Italien unterworfen hatte, wurde M., wie die andern lombardischen Städte, durch kaiserliche Statthalter regiert. Zu Ende des 11. Jahrh. bildeten sich besondere Vereinigungen (compagnie) der einzelnen Stände, deren Vorsteher (consules) die Gerichtsbarkeit an sich brachten. Als Haupt des Lombardischen Städtebundes stand M. den deutschen Kaisern stets feindlich gegenüber und gab hauptsächlich Veranlassung zu den wiederholten italienischen Feldzügen Friedrichs I. Barbarossas. Derselbe belagerte die Stadt, die damals über 60,000 Mann zu verfügen hatte, vom 6. Aug. bis 3. Sept. 1158 und zwang sie durch Hunger zur Übergabe. Als er hierauf in M. die Bestätigung der Konsuln und die Regalien für sich beanspruchte, fiel die Stadt von neuem von ihm ab, wurde aber nach langer Belagerung vom 29. März 1161 bis 1. März 1162 abermals zur Übergabe gezwungen. Der Kaiser gebot allen Bürgern auszuziehen, ließ die Stadt hierauf plündern und bis auf die Kirchen zerstören. Aber schon seit 1167 wurde sie wieder aufgebaut und blühte so rasch empor, daß sie bereits 1176 wieder an der Spitze der Lombarden dem Kaiser bei Legnano entgegentreten konnte. In dem Konstanzer Frieden 1183 erkannte M. als Freie Stadt den Kaiser als obersten Lehnsherrn an, gewährte ihm das Bestätigungsrecht der Konsuln, behielt aber die Einkünfte aus den Domänen für immer. Dann entbrannte im Innern der Kampf um die Herrschaft zwischen den beiden Geschlechtern der (ghibellinischen) de' Visconti und (guelfischen) della Torre. Pagano della Torre wurde 1237 nach der unglücklichen Schlacht bei Corte Nuova von der guelfischen Partei zum Podesta von M. ernannt. Ihm folgten in derselben Würde seine Neffen Martino (1257-63) und Filippo (1263-65) und dann beider Neffe Napoleon. Dieser gewann Brescia und wurde 1274 von Rudolf von Habsburg zum kaiserlichen Reichsvikar in M. ernannt. Doch sein Hauptgegner, der Erzbischof Otto Visconti (seit 1263), besiegte ihn 1277 bei Desio, nahm ihn gefangen und beherrschte M., bis er 1287 seinen Neffen Matteo Visconti zum Capitano del popolo erwählen ließ. Matteo, 1294 von Adolf von Nassau zum Vikar ernannt, wurde 1302 von den Torre vertrieben, jedoch 1311 von Heinrich VII. wieder eingesetzt und ihm die Signorie übertragen. Er erweiterte sein Gebiet durch die Erwerbung von Como, Pavia, Bergamo, Piacenza, Parma, Verona, Mantua, Alessandria und Tortona. Sein Enkel Azzo (1328-39) bemächtigte sich bis 1337 der ganzen Lombardei mit Ausnahme von Cremona. Ihm folgte sein Oheim Lucchino, nach diesem 1349 dessen Bruder, Erzbischof Giovanni, der Bologna und Genua erwarb. Nach seinem Ableben (1354) teilten seine Neffen Matteo II., Bernabo und Galeazzo II. seine Staaten. Bernabo ließ sich nach Matteos (1355) und Galeazzos Tod (1378) das Vikariat über die ganze Lombardei vom Kaiser Wenzel 1380 übertragen; doch Galeazzos Sohn Giovangaleazzo nahm 1384 seinen Oheim gefangen, ließ ihn und seine Söhne im Kerker vergiften und wurde vom Großen Rat zum Signore von M. ausgerufen (1385). Er vertrieb Antonio della Scala aus Verona und Vicenza, dann Francesco Carrara aus der Mark Treviso und aus Padua und unterwarf später die Städte Pisa, Siena, Perugia und Bologna. Er begann den Bau des Doms zu M. und der Certosa bei Pavia und vollendete den fürstlichen Palast zu Pavia. Kaiser Wenzel verkaufte ihm 1395 für eine Summe von 100,000 Goldgulden den Titel eines Herzogs von M. Wenzels Nachfolger, Kaiser Ruprecht, gedachte zwar M. dem Reich wieder unmittelbar zu unterwerfen; doch wurden seine Truppen bei Brescia von Alberico da Barbiano, Giovangaleazzos Feldherrn, zerstreut (21. Okt. 1401). Sterbend (1402) hatte dieser eine Teilung seiner Länder unter seine noch unmündigen Söhne Gian Maria und Filippo Maria angeordnet, an ihrer Statt herrschte ein Regentschaftsrat. Gian Maria wurde 1412 wegen seiner Grausamkeit ermordet, und Filippo Maria war nun Alleinherrscher. Er gewann durch List und durch die Tapferkeit seines Feldherrn Francesco da Carmagnola viele Städte wieder, die während seiner Minderjährigkeit verloren gegangen waren, und selbst Genua begab sich unter seine Oberhoheit; als sich aber 1425 Florenz und Venedig gegen ihn verbanden, sah er sich genötigt, einen Frieden einzugehen, in welchem Venedig Bergamo und Brescia erhielt (1428). Im Vertrauen auf das Glück der beiden berühmtesten Condottieri seiner Zeit, des Francesco Sforza und Niccolò Piccinino, ergriff er bald die Waffen von neuem. Doch während er eine große venezianische Flotte auf dem Po besiegte, wurde eine Flotte der ihm verbündeten Genuesen von den Venezianern an der ligurischen Küste geschlagen (1431), und Filippo mußte, nachdem er Brescia jahrelang vergeblich belagert, den Venezianern ihre Besitzungen in der Lombardei lassen (1441). Er starb 1447, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. Als eine republikanische Regierung von 24 Capitani sich als unfähig erwies, zwang das Volk den Großen Rat, Franz Sforza, Filippo Marias Schwiegersohn, zum Herzog zu wählen (1450). Sein Sohn Galeazzo Sforza (seit 1466) veranlaßte durch Grausamkeit und Verschwendung seine Ermordung