Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mainz

121

Mainz (Stadt: Einwohner, Industrie und Handel etc.; Geschichte).

tralmuseum, eine Sammlung von Gipsabgüssen plastischer Werke sowie ein besonders an Vögeln reiches naturhistorisches Museum; das Zeughaus (von 1736) mit zahlreichen Waffen und Rüstungen; der Kommandantur-, Regierungs-, Justiz- und Gouvernementspalast; das Theater, mehrere Kasernen, Gutenbergs Wohnhaus und andre durch die Erfindung der Buchdruckerkunst merkwürdige Gebäude. Ganz neu sind: die Stadthalle, ein prächtiger Renaissancebau für Festlichkeiten; das großartige Administrationsgebäude der Hessischen Ludwigsbahn, der mit reichem ornamentalen Schmuck gezierte Zentralbahnhof, das Lagerhaus am neuen Hafen und die Reichs-Konservenfabrik für die Verpflegung des deutschen Heers etc.

Die Zahl der Einwohner beträgt (1885) mit der Garnison (4 Regimenter Infanterie: Nr. 87, 88, 117 und 118, 2 Eskadrons Husaren Nr. 13, 1 Regiment Fußartillerie Nr. 3, 1 Abt. Feldartillerie Nr. 27 und ein Pionierbataillon Nr. 11) 66,321, darunter etwa 41,000 Katholiken, 21,000 Evangelische und 3500 Juden. Industrie, Handel und Verkehr sind von großer Bedeutung. Haupterzeugnisse der erstern sind: Leder, Schaumwein, Konserven, Möbel, Parkettböden, Billards, Schuhwaren, Waggons, Holzwaren, Fortepianos und andre musikalische Instrumente, Korbwaren, Maschinen, Silber- und Goldwaren, chemische Produkte (besonders Lack und Firnisse), Seife, Hüte, Etui- und Portefeuillearbeiten, Tapeten, Spielkarten etc. Von Bedeutung sind auch die Bierbrauerei, die Buchdruckerei, namentlich aber der hier wie in den umliegenden Ortschaften sehr umfangreich betriebene Gemüsebau. Der Handel ist besonders lebhaft in Büchern und Musikalien, Getreide, Mehl, Öl, Wein und Industrie-Erzeugnissen; bedeutend ist auch die Holzflößerei. Unterstützt wird der Handel durch eine Handelskammer, eine Reichsbankstelle, eine Filiale der Darmstädter Bank für Handel und Industrie, einen Dampfschleppschiffahrtsverein, eine Gesellschaft für Kettenschiffahrt auf dem Main, namentlich aber durch die vortreffliche Eisenbahnverbindung und den Verkehr zu Wasser. Die großartigen Hafenbauten und Niederlagsräume im N. der Stadt sind mit einem Kostenaufwand von 5 Mill. Mk. hergestellt und 1887 dem Verkehr übergeben. Ein zweiter Hafen, der Hessischen Ludwigsbahn gehörig, ist M. gegenüber, an der Mainmündung bei Gustavsburg, erbaut worden. Ein besonderer Hafen dient zur Flößerei. In M. kamen 1885 an: 7887 Schiffe (darunter 3930 Dampfschiffe) und 1032 Flöße mit 181,276 Ton. Ladung; im Hafen von Gustavsburg kamen an: 1591 Schiffe (darunter 231 Dampfschiffe) und 1140 Flöße mit 359,232 T. Ladung. Den Verkehr in der Stadt und mit den benachbarten Orten Kastel und Weisenau vermittelt eine Pferdebahn.

An Bildungsinstituten etc. hat M. ein Priesterseminar, ein Gymnasium (ein zweites 1887 im Bau), ein Realgymnasium mit Realschule, eine Privatrealschule mit Handelsklassen, eine Kunstgewerbeschule, einen Verein für Kunst und Litteratur, die Rheinische Naturforschende Gesellschaft, einen Gartenbauverein, mehrere Musikvereine, unter welchen die Mainzer Liedertafel und der Damengesangverein als Gründer der mittelrheinischen Musikfeste den ersten Rang einnehmen. Besondere Erwähnung verdient der Altertumsforschende Verein, dessen im Besitz der Stadt befindliches Museum von Originalfunden in Verbindung mit dem römisch-germanischen Zentralmuseum unter der Leitung von L. Lindenschmit (s. d.) eine Sammlung bildet; wie sie auch nur annähernd in ganz Europa nicht mehr existiert (1886 gegen 10,000 Nummern. Vgl. Lindenschmit, Die Altertümer unsrer heidnischen Vorzeit, Bd. 1-3, Mainz 1858). Von sonstigen Anstalten sind zu erwähnen: die Industriehalle, ein Waisen- und ein Invalidenhaus, eine Entbindungsanstalt, ein Korrektions- und Arresthaus, viele gemeinnützige Vereine etc. Die städtischen Behörden setzen sich zusammen aus 4 Magistratsmitgliedern und 42 Stadtverordneten. Sonst ist M. Sitz eines katholischen Bischofs und eines Domkapitels, der evangelischen Superintendentur für die Provinz Rheinhessen, der Provinzialbehörden, der Direktion der Hessischen Ludwigsbahn, eines Landgerichts, eines Hauptsteueramts, eines Forstamts, einer Oberförsterei etc. Von militärischen Behörden befinden sich dort: der Gouverneur der Festung M., der Stab der 2. Fußartillerie-, der 4. Ingenieur-, der 5. Festungs- und der 2. Pionier-Inspektion, der 41. Infanterie- und 3. Fußartillerie-Brigade. Die Umgebung von M. zieren schöne Promenaden, an die sich beim Neuthor die "neue Anlage" anschließt. Einen prächtigen Spaziergang bildet namentlich der 100 m breite Rheinkai, der sich von der Eisenbahnbrücke etwa 7 km bis zur Ingelheimer Aue am Rhein entlang erstreckt. Außerhalb des Gauthors, bei Zahlbach, sind die Überreste einer ehemals etwa 6 km langen römischen Wasserleitung sehenswert.

Die umfangreichen und starken Festungswerke, welche seit den Befreiungskriegen sehr in Verfall geraten waren, wurden auf Bundeskosten wiederhergestellt. Sie bestanden bis zum Umbau der Festung seit 1871 aus 13 Bastionen, einem Kronenwerk an der Südseite und einer in die Umwallung eingefügten Citadelle, welche ein bastioniertes Viereck bildet, und in welcher der sogen. Eigelstein steht, wahrscheinlich das Grabmal des Drusus, ein jetzt noch etwa 15 m hoher Turm mit einem Durchmesser von 8 m, von dessen Spitze sich der schönste Überblick über M. und die Umgegend darbietet. Sämtliche Bastionen sind mit Ravelins und andern Außenwerken versehen. Die aus früherer Zeit noch vorhandenen Montalembertschen Türme wurden nach 1870 zum Teil abgetragen, zum Teil mit Erdwällen umgeben. Andre Änderungen und Verstärkungen, wie Erbauung von Kasematten, bombenfesten Gebäuden etc., sind an der Innenseite der Festung ausgeführt worden. Der am rechten Ufer des Rheins gelegene Teil der Festung, das Städtchen Kastel (s. d.), enthält 6 Bastionen und 4 Ravelins zur Deckung der Brücke. Auf der Mainspitze stehen rechts und links von der Eisenbahnbrücke an der Mainmündung zwei Kasemattenforts, welche den Main, den Rhein und die ganze obere Gegend bestreichen. Ein ähnlicher Bau, gleichfalls nach 1870 verstärkt, befindet sich auf der Rheininsel Petersau. Von weitern Anlagen ist das Fort Biehler bei Erbenheim zu nennen. Die südwestliche Enceinte erstreckt sich in ziemlich gerader Linie auf der Anhöhe vom Hauptstein bis zum Hartenberg längs der Wallstraße und fällt dort im rechten Winkel zum Rhein ab. Der Abschluß der Festung gegen den Strom, früher durch eine etwa 4 km lange Mauer bewerkstelligt, wird jetzt durch eiserne Palissadengitter mit Sandsteinsockel hergestellt. Die Thore nach dem Rhein sind in geschmackvoller Form hergestellt und mit Skulpturen, Figuren und Emblemen geschmückt. - Zum Landgerichtsbezirk M. gehören die elf Amtsgerichte zu Alzey, Bingen, M., Niederolm, Oberingelheim, Oppenheim, Osthofen, Pfeddersheim, Wöllstein, Worms und Wörrstadt.

[Geschichte.] Auf der Stelle, wo jetzt M. liegt, hatten zuerst die Kelten eine Niederlassung gegrün-^[folgende Seite]