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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Malerei

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Malerei (Aufschwung im 13.-15. Jahrhundert).

Dritte Periode (1200-1500).

In der dritten Periode zeigt die italienische M. anfangs noch einen byzantinischen Charakter. Diejenigen Meister, welche zuerst einen bedeutendern Fortschritt zur Selbständigkeit der italienischen M. zeigten, waren Cimabue in Florenz (1240-1302) und der etwas spätere Duccio in Siena, der erstere in einer mehr dem Großartigen und Erhabenen, der andre mehr dem Anmutigen und Lieblichen zugewandten Weise. Noch weiter ging Giotto di Bondone zu Florenz (1276-1337), der eigentliche Gründer der italienischen M., der in Hinsicht der Freiheit und Bewegtheit der Komposition die letzte Schranke des Byzantinismus durchbrach. Fra Angelico da Fiesole (1387-1455) führte die M. durch feines Eingehen in die seelischen Empfindungen weiter. Die sienesische Schule blieb dahinter zurück, und noch mehr war es in andern italienischen Städten der Fall, wo sich bis ins 15. Jahrh. ein starker Einfluß des Byzantinismus erhalten konnte. Was die M. in den andern Ländern betrifft, so hatte sich unter den Karolingern fast die ganze Kunstthätigkeit auf die Miniaturmalerei konzentriert, die hauptsächlich in den Klöstern geübt wurde. Erst unter Heinrich I. und den Ottonen beginnt neben der Miniaturmalerei auch die Wandmalerei a fresco kultiviert zu werden, wofür namentlich die großen Malereien im Bamberger Dom um das Jahr 1000 einen Beleg liefern. Um diese Zeit wird auch die Technik der M. durch die Erfindung der Glasmalerei (s. d.) bereichert, welche bald sehr in Aufnahme kam. Hierzu trat die wahrscheinlich in den Anfang des 13. Jahrh. fallende Gründung der Malerzünfte und Bauhütten (s. d.), welche der künstlerischen Disziplin einen segensreichen Vorschub leisteten. Von den verschiedenen Malerschulen der ersten Zeit sind wenig Spuren zurückgeblieben: in Böhmen die merkwürdigen Wandmalereien auf dem Schloß Karlstein (s. d.) bei Prag, in Niedersachsen die Wandmalereien im Braunschweiger Dom, am Rhein die Wandmalereien in der Kirche zu Schwarzrheinsdorf bei Bonn, in Schwaben einige Überreste im Ulmer Münster u. a. O., am meisten aber in Köln, wo der Bau des Doms eine Menge Künstler vereinigte. Die Kölner Malerschule, deren Hauptrepräsentant Meister Wilhelm (um 1380) ist, zeichnete sich durch Zartheit und Lieblichkeit der Formen, weiche Gewandung, innigen Ausdruck aus, wozu, bereits unter dem Einfluß der van Eyck, sich in dem um 1450 geschaffenen berühmten Dombild des Meisters Stephan Lochener die Vorzüge eines gesättigten Kolorits und größerer Naturwahrheit gesellen. In Nürnberg und Prag blühten tüchtige Malerschulen. Eine neue Epoche beginnt mit der Vervollkommnung und feinern Ausbildung der Ölmalerei durch die Brüder van Eyck (Hubert, gest. 1426; Jan, gest. 1440), welche die flandrische M. (Brügge, Gent etc.) begründen. Umfassendes Naturstudium gibt sich bei ihnen kund, und sie eröffnen nicht bloß dem Historienbild, sondern auch dem Porträt, der Landschaft und dem Genre neue Wege. Feinste Ausführung, eckige Draperien und Bewegungen charakterisieren Jan van Eyck und seine Nachfolger, unter denen Roger van der Weyden (1400-1464), Dirk Bouts und Hans Memling (gest. 1495) hervorragen. Auch die deutsche M. kam unter den bestimmenden Einfluß der van Eyck. Martin Schongauer (gest. 1488) und Fr. Herlin bildeten sich unter dem Einfluß Rogers van der Weyden und verpflanzten dessen Stil nach Schwaben. Hier blühten die Schulen von Kolmar, Ulm, Augsburg u. a. O. und gewannen, obwohl sie noch an der alten Eckigkeit und Unbeholfenheit der Erscheinung festhielten, eine große Kraft und Lieblichkeit des Ausdrucks und ein tief gestimmtes Kolorit. Besonders zu nennen sind: Barthol. Zeitblom und Martin Schaffner in Ulm, Hans Holbein der ältere (gest. 1524) in Augsburg. Derber in der Form, bunter im Kolorit ist die Nürnberger Schule, deren Hauptrepräsentant, Michael Wolgemut (1434-1519), sich ebenfalls von den flandrischen Malern bestimmt zeigt. In der französischen M. treten in dieser Zeit (15. Jahrh.) eigentliche Hauptmeister noch nicht hervor; auch besitzt die französische M. noch keinen originalen Charakter, lehnt sich vielmehr in ihrer Auffassung an die van Eyck an. Jean Foucquet (geboren um 1420) ist hier zu nennen.

In der Geschichte der italienischen M. hat Fiesoles Thätigkeit eine hervorragende Bedeutung. Seine tiefe Empfindung für den idealen Inhalt der christlichen Tradition, die keusche Frömmigkeit und reine Begeisterung, mit der er den Pinsel führte, lösten die konventionelle Starrheit der bisherigen Richtung. Zu der dadurch bewirkten Umwandlung des Stilgefühls trat eine wesentlich läuternde Hinneigung zur Antike und Natur, welche Momente zusammen die Anmut und Empfindungstiefe der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. sich entwickelnden italienischen M. bilden und den Grundzug derselben bis ins 16. Jahrh. hinein ausmachen. Namentlich war es neben Fiesole der Florentiner Masaccio di San Giovanni (1401-28), dessen Darstellungsweise eine Großartigkeit und Naturwahrheit offenbarte, welche lange als Vorbild diente. Ihm strebten nach Gozzoli und Dom. Ghirlandajo (1449-94), von denen der letztere die religiösen Motive in das Gebiet menschlicher Anschauung herabzog und durch eine im Detail nicht selten genrehafte Behandlung die religiöse M. volkstümlich zu machen suchte. Mit diesem Streben nach Naturwahrheit und Realwirkung stehen denn auch die wissenschaftlich-technischen Bestrebungen in Verbindung, welche, wie dies von Paolo Uccello geschah, die Gesetze der Perspektive und, wie dies Verrocchio (1435-88) that, die der Anatomie des menschlichen Körpers untersuchten und für die Komposition anwendungsfähig zu machen strebten. An diese schließen sich an: Sandro Botticelli (1446-1510), Filippo Lippi (1406-69) und dessen Sohn Filippino sowie Luca Signorelli (1441-1523), im kompositionellen Stil der Vorläufer Michelangelos. Noch mehr als in der florentinischen Schule zeigte sich die Hinneigung zur Antike in der Schule von Padua, begründet von Francesco Squarcione (1394-1474). Der Hauptmeister derselben war Andrea Mantegna (1431-1506), welcher sich später in Mantua niederließ, während durch seine Schüler eine neue Schule zu Ferrara gegründet wurde. Zu derselben gehören unter andern Lorenzo Costa, später Dosso Dossi und Garofalo, denen sich die eklektische Schule der Bonone anschloß. In Venedig, wo sich die byzantinische Stiltradition, gemischt mit germanischen Einflüssen, am längsten erhalten hatte, wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrh. der Geist der paduanischen Schule eingebürgert. Die Malerfamilien der Vivarini und Murano, welche schon vor dem paduanischen Einfluß in Venedig thätig waren, zeigten sich noch streng und herb in der Form. Der eigentliche Gründer der venezianischen Schule ist Giovanni Bellini (1428-1516), der, von Antonello da Messina die Ölmalerei übernehmend, eine heitere Pracht des Kolorits und eine tief beseelte Empfin-^[folgende Seite]