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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Malerei

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Malerei (Glanzperiode zu Anfang des 16. Jahrhunderts).

dung offenbarte. Von ihm beeinflußt sind Carpaccio und Cima da Conegliano (thätig von 1489-1508). Die M. wendete sich allmählich dem wirklichen Leben zu und schöpfte aus ihm die für Entfaltung malerischen Glanzes und plastischer Formenschönheit ausgiebigsten Motive; namentlich kultivierte sie auch das Porträt. Die lombardischen Schulen, besonders die Schule von Mailand, haben einen weniger scharf ausgeprägten Charakter, wogegen die umbrische Schule, deren Hauptsitz zu Perugia sich befand, einen entschiedenen Gegensatz zu den Venezianern bildete. Sie schilderte die Innigkeit religiöser Empfindung in Schmerz, Sehnsucht, Frömmigkeit und Demut, suchte dabei Reinheit der Form und Lieblichkeit des Ausdrucks, Anmut der Haltung und Einfachheit der Gruppierung zur Anschauung zu bringen. Die Farbe war ernst und maßvoll; die Zeichnung besaß eine gewisse keusche Strenge und Korrektheit, hin und wieder bis zum Starren und Nüchternen übertrieben. Der Hauptmeister war Pietro Perugino (1446-1523), der Lehrer Raffaels. In einer gewissen Verwandtschaft mit der umbrischen Schule stand die Schule von Bologna, welche von Francesco Francia (1450-1518) begründet wurde, der ebenfalls eine große Innigkeit religiöser Empfindung besaß. Zu seinen Schülern gehören Timoteo delle Vite und Innocenzo da Imola, welche sich später Raffael anschlossen.

Vierte Periode (1500-1550).

Während bisher in den verschiedenen Schulen ein fortwährendes Schwanken bald nach der Seite des abstrakten Idealismus, bald nach der einer realistischen Naturnachahmung hin stattfand, konzentrierte sich jetzt nach dem Vorgang einiger epochemachender Meister der künstlerische Gestaltungstrieb auf den ideellen Inhalt der christlichen Tradition, vertiefte sich in die poetische Wahrheit derselben und that allen Schematismus und die letzte Spur konventioneller Typik ab. Diese Vertiefung hatte einen raschen Aufschwung in der Technik zur Folge, welche sich bald zu meisterhafter Vollendung und universeller Fähigkeit ausbildete. Der Hauptschauplatz dieses großartigen Kunstschaffens war Italien, wo kunstsinnige Päpste und Fürsten die Pflege der Kunst und die Beschäftigung der hervorragenden Künstler als eine Ehrenaufgabe ihres Lebens betrachteten. Zwei Florentiner besonders waren es, welche als die Haupt- und Lehrmeister der ganzen jetzt beginnenden Glanzepoche der italienischen M. betrachtet werden können, Leonardo da Vinci und Michelangelo Buonarroti. Leonardo da Vinci (1452-1519) ist einer der vielseitigsten und gelehrtesten Künstler, der sich namentlich auch um die wissenschaftliche Begründung der Kunsttechnik große Verdienste erworben. In Michelangelo kommt besonders das Element großartiger Formengestaltung und erhabenen Ideenreichtums zur Geltung. Unter den Schülern Leonardos, deren Werke hauptsächlich in der Brera zu Mailand und in oberitalienischen Kirchen vertreten sind, ragen hervor: Bernardino Luini, Cesare da Sesto, Gaudenzio Ferrari; von den Schülern und Nachfolgern Michelangelos Daniele da Volterra, Marcello Venusti, Sebastiano del Piombo u. a. Beeinflußt von Leonardo zeigen sich in Florenz Lorenzo di Credi, Fra Bartolommeo (1475-1517) und Andrea del Sarto (1486-1531). Die spätern Florentiner verfielen der manieristischen Nachahmung Michelangelos. Dazu gehören Vasari (1511-74), Salviati (1510-1563), A. Bronzino u. a. In Rom hatte sich keine selbständige Schule ausgebildet, wenn es auch unter den kunstsinnigen Päpsten Julius II. (1503-13) und Leo X. (1513-22) zu einem fruchtbaren Feld künstlerischer Produktion gemacht wurde. Auf diesem Feld bildete Raffael Santi von Urbino (1483-1520), Schüler Peruginos, den hervorragenden und bestimmenden Mittelpunkt. Er vereinigte in seinen Werken die Vorzüge aller einzelnen Schulen: Strenge und Adel der Zeichnung mit Schönheit der Farbe, Tiefe und Zartheit der Empfindung mit Große und Einfachheit der Anschauung. Was aber allen diesen großen Eigenschaften erst die wahrhafte künstlerische Weihe verlieh, war die aus ihnen hervorleuchtende ideale Begeisterung. Von seinen Schülern vermochten es nur wenige, einzelne Seiten seiner universellen Meisterschaft sich anzueignen. Sie verfielen bald in eine Nachahmung der bloßen äußern Schönheitsformen, denen die Seele fehlte. Neben Raffael arbeitete auch Michelangelo, welcher, durch Julius II. nach Rom berufen, den Venezianer Sebastiano del Piombo (1485-1547) nach sich zog und zugleich nicht ohne Einfluß auf Raffael blieb. Jener Manierismus, in den die Schüler Raffaels verfielen, zeigt sich schon in dem talentvollsten derselben, Giulio Romano (1492-1546), welcher bei klassischem Kolorit und großer Formengewandtheit teils in nüchterne Nachahmung, teils in sinnliche Lüsternheit verfiel. Von andern Schülern oder Nachahmern Raffaels im weitern Sinn sind zu nennen: Perino del Vaga, Primaticcio, Andrea Sabattini, Timoteo delle Vite, Bagnacavallo, Giovanni da Udine. Die Schule Leonardos setzte sich inzwischen teils in Mailand, teils in Parma fort und nahm dann als lombardische Schule einen bestimmten Gesamtcharakter gegenüber der venezianischen an. Außer Luini (gestorben nach 1533) sind zu nennen: Boltraffio, il Soddoma und (in Parma) vorzugsweise der Meister des Helldunkels, Antonio Allegri, genannt Correggio (1494-1534), welcher auf den Zauber der Farbe und des Lichts das Hauptgewicht legte. Unter allen großen Meistern seiner Zeit hat er den bedeutendsten Einfluß geübt, und die Kunst des 17. und 18. Jahrh. ruht wesentlich auf seinen Schultern; namentlich imponierte den Malern der spätern Zeit die Meisterschaft seiner Verkürzungen. Unter seinen Schülern und Nachahmern zeichnen sich aus Parmeggianino, Rondani, Gatti und Barocci, welche jedoch bereits ins Süßliche und Manierierte verfielen. Mehr eklektisch verfuhren später Schidone (gest. 1615) und Procaccini. Diesen Schulen steht die venezianische Schule gegenüber, welche, begünstigt durch den auf Sinnenreiz und Lebensfreude gerichteten Geschmack des venezianischen Adels, dem Kultus des schönen Fleisches, überhaupt des Stoffes, im üppigsten Farbenglanz huldigte. Einer der ersten und bedeutendsten ist Giorgione (1478-1511); noch höher steht Tiziano Vecellio (1477-1576), in dessen Werken die venezianische M. sich zur höchsten Kraft und Schönheit entfaltete. Aber durch die Entfernung vom idealen Inhalt der Kunst wurde auch der Grund zur spätern Entartung der M. gelegt. Neben Tizian und zum Teil als seine Schüler arbeiteten Palma il Vecchio, Lorenzo Lotto, Pordenone (1483-1539), Paris Bordone (1500-1570), besonders aber der glänzende Paolo Veronese (1528-88) und Tintoretto (1519-94), welcher, von Michelangelo beeinflußt, sein bedeutendes Talent durch Effekthascherei und Schnellmalerei schädigte.

In Deutschland nahm die M. in dieser Periode eine andre Richtung als in Italien. Vor der Reformation ward die Kunst, namentlich die Miniatur-^[folgende Seite]